Pragmatisch statt perfekt
Ein wenig befremdlich wirkt es schon, wenn wir Bilder aus Amerika vom Impfen sehen. Menschen halten in einer Art Drive-in ihren Arm aus dem Auto und bekommen die Spritze verabreicht. Bei uns werden vor dem Impfen erst die Unterlagen etwa zu Vorerkrankungen von einem Arzt eingehend geprüft. Das ist für den Patienten ein beruhigendes Gefühl, aber es kostet natürlich auch alles Zeit. Denn so viel ist inzwischen wohl jedem klar: Es muss schneller gehen mit dem Impfen. Die Entscheidung, zusätzliche Termine für die Senioren ab 80 im Wohnort anzubieten, geht genau in diese Richtung. Kurze Wege machen vieles leichter, schneller. Vielen Älteren erschien der Weg bis Gablingen oder Bobingen als große Hürde, vielleicht sogar Abschreckung.
Die Idee des wohnortnahen Impfens sollte auch nach dem Versorgen der am höchsten priorisierten Gruppe weiter umgesetzt werden. Zentrale Lösungen, möglichst perfekt organisiert, werden spätestens ab April, wenn mehr Impfstoff kommt, durch pragmatische Angebote ergänzt werden müssen.
Die wichtigste Rolle wird den Haus- und Betriebsärzten zukommen. Sie müssen mit ins Boot. Die Ärzte kennen ihre Patienten gut, wissen, wer sich impfen lassen will, wer welche Krankheiten hat oder wer nur ewig diskutieren möchte. Das Vertrauen in den eigenen Arzt ist bei vielen Menschen hoch. In diesen Praxen und in den Betrieben steckt große Schwungkraft für das Tempo bei den Impfungen. Dieser wertvolle Schatz aus bewährten Strukturen muss genutzt werden. Dann wenn der Impfstoff nach Ostern (hoffentlich) nicht mehr knapp ist, wird es darum gehen, möglichst vielen Menschen die erste Dosis mit dem maximal möglichen Abstand zur zweiten Dosis zu geben. Nur so gewinnen wir den Wettlauf mit der Zeit.