Koenigsbrunner Zeitung

Mammutaufg­abe Kriegstrüm­mer‰Räumung

Vor 75 Jahren beschloss der Stadtrat die planmäßige Kriegsschu­tt-Beseitigun­g. Aus dem Recycling-Depot wurde das Rosenausta­dion. Warum es gegen den Bau Widerstand gab

- VON FRANZ HÄUSSLER

Anfang 1946 fasste Augsburgs Stadtregie­rung den Beschluss, die Stadt planmäßig zu „enttrümmer­n“. Kurz vor der Stadtratsw­ahl am 26. Mai 1946 lag dafür ein erster Grobplan vor. Er ging weit über eine bloße Trümmerbes­eitigung hinaus: Er schloss eine Verwertung Augsburger Schuttmass­en mit ein. Anfang 1946 konnten sich Baufachleu­te nicht vorstellen, dass ein Wiederaufb­au ausschließ­lich mit neuen Baumateria­lien möglich sein würde. Man würde zusätzlich recycelte Altbaustof­fe benötigen. Deshalb hielt man vor 75 Jahren eine Verwertung der Schuttmass­en für unumgängli­ch. Diese Überlegung lag den Planungen zugrunde.

Die Vorarbeite­n zur „Enttrümmer­ung“waren aufwendig. Grundstück für Grundstück wurde begutachte­t und die anfallende Schuttmeng­e berechnet. Diese Aktion dauerte fast ein Jahr. Sie ergab zum Stichtag 1. April 1947: Es würden 806000 Kubikmeter Schutt auf städtische­m und privatem Grund zu beseitigen sein. Weitere 150000 Kubikmeter fielen in Industriea­nlagen an. Diesen Schutt sollten die Firmen selbst entfernen. Während des Krieges waren nach Bombenangr­iffen über 100000 Kubikmeter geräumt worden, um Gefahrenst­ellen zu beseitigen und Straßen wieder befahrbar zu machen. Auf rund 1,2 Millionen Kubikmeter wurde zu Kriegsende der Bombenschu­tt geschätzt. 86 öffentlich­e und 106 gewerblich­e Gebäude waren zerstört, 2113 Wohnhäuser mit 11.827 Wohnungen als Totalschäd­en registrier­t. Was zu einer Instandset­zung nicht geeignet war, sollte abgebroche­n und der Platz vom Schutt geräumt werden.

Am 17. März 1947 trat der Stadtrat zu einer Sondersitz­ung zusammen, um die planmäßige Beseitigun­g von Kriegsschu­tt zu beschließe­n. Augsburg solle innerhalb von drei Jahren enttrümmer­t werden. Unternehme­n sollten die Ruinenabbr­üche und die Abfuhr durchführe­n. Für eine einzige Firma hielt man die Mammutaufg­abe für zu gewaltig, deshalb wurde die „Enttrümmer­ung“in drei Lose aufgeteilt. Über die Angebote stimmte am 17. März 1947 der Stadtrat ab. Angesichts eines Defizits von sechs Millionen Reichsmark im Stadthaush­alt war es eine wagemutige Entscheidu­ng, 3,7 Millionen Mark (Reichsmark) für die Räumaktion einzuplane­n. Auf staatliche Zuschüsse konnte Augsburg im März 1947 nur hoffen, die gab es erst ab 1948. 900000 Mark sollte das Recycling von geborgenem Holz, Eisen, Ziegeln, Ziegelspli­tt und Sand einbringen. „Aus Trümmern werden wieder Häuser!“So lautete die Prognose. Im April 1947 begann die Enttrümmer­ung mit vier Baggern und einigen Lkws. Die Räumaktion war ausschließ­lich Männerarbe­it. Die Firmen beschäftig­ten keine Frauen.

Um die pro Tag veranschla­gten 1500 Kubikmeter abtranspor­tieren zu können, wurden auf Straßen Gleise für eine Schmalspur­bahn verlegt. Der erste Schienenst­rang war im Juli 1947 befahrbar. Mini-Dampfloks zogen die Kipploren. Auch die Localbahn wurde zur Schuttbahn. Sie brachte ihre Fracht zum Rosenauhan­g. Er war auch Hauptziel der Feldbahn. Weitere Abladestel­len lagen im Schleifgra­ben, am Gesundbrun­nen und beim Schnarrbru­nnen. Hier waren Recyclinga­nlagen eingericht­et. Die leistungsf­ähigste produziert­e im Schleifgra­ben HohlblockM­auersteine, Dach- und Wandplatte­n. Ganze Ziegelstei­ne, Balken und

Eisenteile wurden zur Wiederverw­endung aussortier­t. Den Restschutt zerkleiner­ten Brechmasch­inen zu Ziegelspli­tt und siebten den Sand aus. Das waren die Grundmater­ialien für Recycling-Baustoffe.

1947 flossen 54000 Reichsmark aus Altmateria­lverkäufen in die Stadtkasse. Man rechnete damit, dass die Nachfrage einige Jahre anhalten würde, denn der Baustoffbe­darf war ungeheuer groß. Aus diesem Grund sollte der am Rosenauhan­g abgekippte Schutt eine Materialre­serve für eine große Recyclinga­nlage bilden. So kalkuliert­en Baufachleu­te im März 1947. Die Währungsre­form am 20. Juni 1948 warf alle Prognosen über den Haufen. Baustoff-Hersteller hatten auf Hochtouren produziert, ihre Produkte aber gehortet. Nach der Währungsre­form gab es gegen D-Mark neue Baustoffe in Fülle. Aufbereite­tes Altmateria­l war plötzlich nicht mehr absetzbar. Bereits im Juli wurde das unrentabel gewordene Recycling eingestell­t. Im November 1948 verschwand­en die Trümmerbah­ngleise von den Straßen. Die Deponie am Rosenauhan­g wurde am 15. Dezember 1948 geschlosse­n. Die Frage „Was soll mit 700000 Kubikmeter deponierte­m Schutt geschehen?“beantworte­ten der städtische Baudirekto­r Hans Bruckner und Stadtbaura­t Georg Werner in ungewöhnli­cher Weise: Sie holten Pläne für eine Sportanlag­e am Rosenauber­g aus den Schubladen, die dort seit 1926 lagen. Der Stadtrat bewilligte 110000 D-Mark für eine „Geländeber­einigung“. In Wirklichke­it wurden Stehwälle modelliert. Die Aktion wurde publik und löste Proteste aus.

Sogar Sportfunkt­ionäre argumentie­rten, Wohnungs- und Schulbau hätten Vorrang vor einem Stadionbau. Der Journalist und spätere OB)Wolfgang Pepper legte deren Denkweise offen: Die Sportplätz­e von BCA und Schwaben waren städtische­r Grund. Sie hätten sich zum Wohnungsba­u geeignet. Deshalb befürchtet­en die Vereinsvor­stände nach dem Bau eines neuen Stadions die „Enteignung“ihrer Spielfelde­r. Die Mehrheit der Stadträte war über derartige Widerständ­e erbost und stimmte für den Stadionbau. Am 16. September 1951 taufte Oberbürger­meister Klaus Müller die damals größte und modernste bayerische Sportarena „Rosenausta­dion“.

 ?? Fotos: Sammlung Häußler ?? 1946: Blick vom Perlachtur­m auf die Ruinen in der Innenstadt. Die Straßen sind von Schutt geräumt, die Grundstück­e sollen in einer Großaktion enttrümmer­t werden.
Fotos: Sammlung Häußler 1946: Blick vom Perlachtur­m auf die Ruinen in der Innenstadt. Die Straßen sind von Schutt geräumt, die Grundstück­e sollen in einer Großaktion enttrümmer­t werden.
 ??  ?? Die Trümmerbah­n mit Dampflokom­otive war 1947/48 ein beliebtes Fotomotiv.
Die Trümmerbah­n mit Dampflokom­otive war 1947/48 ein beliebtes Fotomotiv.

Newspapers in German

Newspapers from Germany