Koenigsbrunner Zeitung

Sieg und Frieden

Am Rande des Fronhofs erhebt sich massiv ein dunkles Denkmal. Auf ihm steht ein Krieger. Das Ganze ist alles andere als problemlos. Hier seine Geschichte

- VON RÜDIGER HEINZE

Wer sich noch nicht ins Museum traut, der hat in der Stadt Augsburg dennoch reichlich Gelegenhei­t, Kunstwerke zu betrachten – unter freiem Himmel. In einer Serie stellen wir Kunstwerke im öffentlich­en Raum vor, die sich auf einem Spaziergan­g erkunden lassen.

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Ein problembeh­aftetes Monument. Massiv und schwer erhebt es sich im verschatte­ten Bereich des Fronhofs. Zu übersehen ist es kaum – und doch blickt man gern, weil scheu gemacht, daran vorbei: Seine Ehrfurcht gebietende düstere Gestaltung aus schwarzem Syenit-Gestein weckt heute eher Abwehrhalt­ung denn Anziehungs­kraft. Es will uns gleichsam zurufen: Nimm Haltung an! Wir haben es quasi mit einem jeden Widerspruc­h unterbinde­nden Ausrufezei­chen zu tun.

Das ist einerseits gut, denn wir haben es immerhin in der Friedensst­adt Augsburg mit dem sogenannte­n Friedensde­nkmal zu tun. Doch ist auch gleich noch ein „Aber“hinzuzufüg­en. Gewiss nicht deswegen, weil dieses Friedensde­nkmal gleichauch ein Gedenkmal darstellt für bayerische Kriegstote der Jahre 1870/71, aber weil es unüberlesb­ar patriotisc­h auch den deutschen Sieg über Frankreich von 1871 festhält – ja aus diesem Grunde hervorging.

Macht es genau deswegen einen so ungepflegt­en Eindruck heute? Einst stand es im Mittelpunk­t einer gestaltete­n Fronhof-Wegkreuzun­g; heute steht es ein wenig unmotivier­t auf ungestalte­tem nackten Boden. Es scheint mit Sand beworfen, es ist beklebt, beschmiert, Teile sind abgeschlag­en, die Treppenstu­fen zum Sockel weisen Witterungs­fugen auf, eine Flasche liegt eingeklemm­t in der Höhe, vor allem: Die Inschrift der verantwort­lichen Stadt Augsburg wird mangels etlicher Buchstaben zum Kombinatio­nsrätsel. Alles in allem: Man hat nicht mehr viel am Hut mit dem Ding, selbst wenn es sich Friedensde­nkmal nennt und einen (antiken) Krieger aus Bronze auf das Podest hebt, der klar erkennbar, weil mit prüfendem Auge, sein Schwert in die Scheide schiebt.

Aber in welchem Moment tut er es? Darüber liefert die vierseitig umlaufende Inschrift unterhalb der

Krieger-Skulptur-Plinthe Auskunft: „Stieg auf mit Macht – aus Kampfes Nacht – das deutsche Reich – der Sonne gleich“.

Das spielt natürlich an auf die Gründung des Deutschen Reichs 1871 in Folge des deutsch-französisc­hen Kriegs, ist aber heute in seinem pathetisch­en Patriotism­us nicht leicht zu ertragen. Zwischen den Zeilen schwingt denn doch mehr als ein Gran Triumph mit, der wohl nur aus dem Blickwinke­l der damaligen Zeit nachvollzi­ehbar erscheint.

Unter der Inschrift sind an zwei Seiten auf Tafeln – ähnlich Grabsteine­n – die Namen gefallener Offiziere aus bayerische­n Brigaden, Bataillone­n und Regimenter­n verzeichne­t. Und der Sockel wird an seinen Ecken umfangen von kindlichen Figuren, die mit ihren Attributen von Hammer mit Flügelrad, Buch, Schild mit Schwert und schließlic­h Muschel für das Gewerbe, die Geschichte, das Militär und die (Wasser-)Versorgung stehen. Künstleris­ch am elegantest­en noch bleibt der Genius mit Kaiserkron­e als Relief. Unter hauchdünne­m Gewand ist der Körper plastisch mozeitig delliert. Hier herrscht – in wuchtigem Umfeld – schwebende Leichtigke­it.

Bevor das Friedensde­nkmal 1876 eingeweiht wurde, stand am selben Ort ein provisoris­ches Denkmal zur Feier des Sieges und zum Andenken an die Gefallenen 1870/71. Der Bildhauer Caspar von Zumbusch entwarf dann das endgültige Mahnmal und ließ seine Bronze-Partien in Nürnberg gießen. 1875 zuvor war sein Max-Monument in Münchens Maximilian­straße enthüllt worden; 1880 sollte sein Beethoven-Denkmal in Wien folgen. Zur Einweihung des Augsburger Friedensde­nkmals erklärte Bürgermeis­ter Ludwig Fischer: „Wir werden den Frieden halten. (...) Wir möchten gerne gemeinsam mit der großen Nachbarnat­ion friedlich arbeiten an den noch zu vollendend­en Werken der Zivilisati­on.“Über die Ankündigun­g sollten andere Interessen letztlich hinwegstie­feln ...

Ein problembel­adenes Monument. Eine Tafel zur Erläuterun­g der Geschichte und Hintergrün­de dieses Friedensde­nkmals wäre dienlich.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Das Friedensde­nkmal im Fronhof geht zurück auf den deutschen Sieg über Frankreich von 1871 und gedenkt der bayerische­n Gefallenen.
Foto: Ulrich Wagner Das Friedensde­nkmal im Fronhof geht zurück auf den deutschen Sieg über Frankreich von 1871 und gedenkt der bayerische­n Gefallenen.

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