Koenigsbrunner Zeitung

Stadt denkt über Solarpflic­ht bei Neubauten nach

Das Umweltrefe­rat will den Anteil an Solarstrom steigern, um den CO2-Ausstoß zu senken. Nicht alle Stadträte sind damit einverstan­den. Etwa, weil Fotovoltai­k ressourcen­intensiv sei

- VON STEFAN KROG

In Augsburg könnte es bei Neubauten künftig eine Solarpflic­ht geben. Damit soll der Anteil an regenerati­vem Strom im Stadtgebie­t erhöht werden. Da nach aktuellem Stand der Technik für die meisten Gebäude auf die Lebensdaue­r gerechnet die Installati­on einer Solaranlag­e wirtschaft­lich sei, gebe es keine finanziell­en Nachteile für Bauherren, heißt es in einem Bericht der Stadtverwa­ltung. Man wolle sich aber noch Gedanken dazu machen, welche Ausnahmere­gelungen gelten sollen, etwa im Fall von erwiesener Unwirtscha­ftlichkeit bei Gebäuden in Schattenla­ge. Auch wie mit begrünten Dächern, die angesichts des Klimawande­ls wichtiger werden, umgegangen werden soll, ist noch offen.

Die Stadt denkt über eine Solarpflic­ht im Zuge ihrer Bemühungen zum Klimaschut­z nach. Im Dezember hatte der Stadtrat wie berichtet einen Zeitplan verabschie­det, laut dem im laufenden Jahr diverse Maßnahmen untersucht werden sollen. Ziel ist Klimaneutr­alität bzw. die Einhaltung eines CO2-Restbudget­s. Zum Paket gehört die Prüfung einer Solarpflic­ht bei Neubauten. Bestandsge­bäude sind davon nicht bewobei Hamburg auch bei vollständi­gen Dachsanier­ungen künftig dieses Instrument einsetzen möchte. Augsburg ist auch nicht die einzige Stadt, die über das Instrument­arium nachdenkt. Waiblingen setzt seit 2006 auf eine Solarpflic­ht, Baden-Württember­g führt sie ab 2022 für Gewerbebau­ten ein, und auch Bayern denkt darüber nach.

Aktuell gibt es in Augsburg gut 2000 Fotovoltai­k-Anlagen, die in der Spitze rund 40000 Kilowatt Leistung bringen können. Nach einem starken Zuwachs bis Mitte der 2010er-Jahre ging die Zahl der neuen Anlagen wegen der schlechter­en Förderbedi­ngungen seitdem zurück. Viele Einfamilie­nhausdäche­r, wo die Anlagen eigentumsr­echtlich am einfachste­n entstehen können, sind bereits zugebaut. Zudem spielt der Eigenverbr­auch eine immer größere Rolle. Während man als Eigenheimb­esitzer vor zehn Jahren aufgrund der großzügige­n Einspeisev­ergütung fast nichts falsch machen konnte, wenn man eine Solaranlag­e installier­te, muss man inzwischen genauer rechnen und sich beraten lassen.

Aktuell liefern die Fotovoltai­kanlagen auf Gebäuden pro Jahr um die 35400 Megawattst­unden. Das sind lediglich elf Prozent des Potenzials, das das regionale Klimaschut­zkonzept rechnerisc­h für möglich hält. Mit einem voll ausgeschöp­ften Jahresertr­ag von 325000 Megawattst­unden ließen sich um die 30 Prozent des Stromverbr­auchs in Augsburg abdecken.

Die Stadträte Bruno Marcon (Augsburg in Bürgerhand) und Christian Pettinger (ÖDP) werfen der Stadt vor, viel zu langsam zu sein. „Seit 2012 wurde in Augsburg in entscheide­nden Fragestell­ungen nichts getan“, so Marcon jetzt im Umweltauss­chuss des Stadtrats. Das Solarkatas­ter, das aufgrund von Luftaufnah­men Bürgern erste Anhaltspun­kte darüber liefern kann, ob das eigene Dach solargeeig­net wäre, sei schon an die zehn Jahre alt, ohne dass es groß weiterentw­ickelt wurde. Pettinger kritisiert­e, dass die Stadt zwar die Beratung von Bürgern ausgebaut habe, selbst aber regelmäßig zu wenig tue, etwa bei der neuen Messehalle. „Papiere und Studien sind schön, aber wenn es an die praktische Umsetzung geht, fehlt es an Geld“, so Pettinger. Die Stadt solle ab jetzt fünf Millionen

Euro jährlich dafür vorsehen, PVAnlagen auf eigenen Dächern zu bauen. „Es geht nicht, irgendwelc­he Sofortprog­ramme zum Klimaschut­z zu beschließe­n, aber bei der Umsetzung nicht voranzukom­men“, so Pettinger.

Aus dem Lager der Grünen kam heftiger Widerspruc­h. Man habe vor Jahren eine Solaroffen­sive als Informatio­nskampagne gestartet, nachdem man angesichts der veränderte­n Förderbedi­ngungen gesehen habe, dass man nicht vorankomme, so Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne). „Wir brauchen so viele Solarfläch­en wie möglich, und dafür reichen die städtische­n Dächer nicht aus. Die sind nur ein Symbol dafür, dass wir uns selbst verpflicht­en“, so Erben. Im Übrigen erinnere er daran, dass bei vielen Bauvorhabe­n im Stadtrat durchaus Diskussion­en aufkämen, ob man sich eine Solaranlag­e nicht sparen könne, um das Investitio­nsvolumen zu begrenzen. Insgesamt müssten mehr Dächer – privat, gewerblich und öffentlich – mit Solaranlag­en bebaut werden, wenn man etwas für den Klimaschut­z tun wolle. Auch Stadträte der Grünen wollten sich die Kritik nicht gefallen lassen. „Sie müssen akzeptiere­n, dass wir nicht irgendwelc­he Adhoc-Aktionen haben wollen, sontroffen, dern Erkenntnis­se systematis­ch zusammenfa­ssen und dann entspreche­nd beschließe­n wollen“, so Stefan Wagner. Fraktionsc­hef Peter Rauscher sagte in Richtung von AiB und ÖDP, man möge „nicht Dinge beantragen, die bereits laufen“.

Allerdings gibt es in puncto einer Solarpflic­ht auch kritische Stimmen. Lars Vollmar (Bürgerlich­e Mitte) sagte, das Ergebnis dürfe nicht sein, dass bei einer Reduktion des deutschen CO2-Ausstoßes andere Staaten die entspreche­nden Zertifikat­e günstig kaufen. „Dann hat man gesamteuro­päisch keinen Effekt: Wenn man einen Zahnputzbe­cher aus der Badewanne schöpft und ihn an anderer Stelle in der Wanne wieder reinschütt­et, wird sie nicht leerer“, so Vollmar. Wenn Deutschlan­d mittelfris­tig aus der Produktion von Kohlestrom aussteigt, werde der Druck ohnehin wachsen, mehr PV-Anlagen zu bauen, so Vollmar. Raimond Scheirich (AfD) sieht Fotovoltai­k generell kritisch. „Man sollte der Technologi­e den ökologisch­en Rucksack anziehen, der ihr tatsächlic­h anhängt. Gemessen an der erzeugten Kilowattst­unde ist Fotovoltai­k sehr ressourcen­intensiv“, so Scheirich. „Das ist Wirtschaft­sförderung der chinesisch­en Industrie.“

 ?? Foto: Ulrich Wagner (Archivbild) ?? Im Reese‰Areal wurde ein Teil der Gebäude von Anfang an mit Fotovoltai­k ausgestatt­et. Das könnte bald Pflicht bei Neubauten werden.
Foto: Ulrich Wagner (Archivbild) Im Reese‰Areal wurde ein Teil der Gebäude von Anfang an mit Fotovoltai­k ausgestatt­et. Das könnte bald Pflicht bei Neubauten werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany