Stadt denkt über Solarpflicht bei Neubauten nach
Das Umweltreferat will den Anteil an Solarstrom steigern, um den CO2-Ausstoß zu senken. Nicht alle Stadträte sind damit einverstanden. Etwa, weil Fotovoltaik ressourcenintensiv sei
In Augsburg könnte es bei Neubauten künftig eine Solarpflicht geben. Damit soll der Anteil an regenerativem Strom im Stadtgebiet erhöht werden. Da nach aktuellem Stand der Technik für die meisten Gebäude auf die Lebensdauer gerechnet die Installation einer Solaranlage wirtschaftlich sei, gebe es keine finanziellen Nachteile für Bauherren, heißt es in einem Bericht der Stadtverwaltung. Man wolle sich aber noch Gedanken dazu machen, welche Ausnahmeregelungen gelten sollen, etwa im Fall von erwiesener Unwirtschaftlichkeit bei Gebäuden in Schattenlage. Auch wie mit begrünten Dächern, die angesichts des Klimawandels wichtiger werden, umgegangen werden soll, ist noch offen.
Die Stadt denkt über eine Solarpflicht im Zuge ihrer Bemühungen zum Klimaschutz nach. Im Dezember hatte der Stadtrat wie berichtet einen Zeitplan verabschiedet, laut dem im laufenden Jahr diverse Maßnahmen untersucht werden sollen. Ziel ist Klimaneutralität bzw. die Einhaltung eines CO2-Restbudgets. Zum Paket gehört die Prüfung einer Solarpflicht bei Neubauten. Bestandsgebäude sind davon nicht bewobei Hamburg auch bei vollständigen Dachsanierungen künftig dieses Instrument einsetzen möchte. Augsburg ist auch nicht die einzige Stadt, die über das Instrumentarium nachdenkt. Waiblingen setzt seit 2006 auf eine Solarpflicht, Baden-Württemberg führt sie ab 2022 für Gewerbebauten ein, und auch Bayern denkt darüber nach.
Aktuell gibt es in Augsburg gut 2000 Fotovoltaik-Anlagen, die in der Spitze rund 40000 Kilowatt Leistung bringen können. Nach einem starken Zuwachs bis Mitte der 2010er-Jahre ging die Zahl der neuen Anlagen wegen der schlechteren Förderbedingungen seitdem zurück. Viele Einfamilienhausdächer, wo die Anlagen eigentumsrechtlich am einfachsten entstehen können, sind bereits zugebaut. Zudem spielt der Eigenverbrauch eine immer größere Rolle. Während man als Eigenheimbesitzer vor zehn Jahren aufgrund der großzügigen Einspeisevergütung fast nichts falsch machen konnte, wenn man eine Solaranlage installierte, muss man inzwischen genauer rechnen und sich beraten lassen.
Aktuell liefern die Fotovoltaikanlagen auf Gebäuden pro Jahr um die 35400 Megawattstunden. Das sind lediglich elf Prozent des Potenzials, das das regionale Klimaschutzkonzept rechnerisch für möglich hält. Mit einem voll ausgeschöpften Jahresertrag von 325000 Megawattstunden ließen sich um die 30 Prozent des Stromverbrauchs in Augsburg abdecken.
Die Stadträte Bruno Marcon (Augsburg in Bürgerhand) und Christian Pettinger (ÖDP) werfen der Stadt vor, viel zu langsam zu sein. „Seit 2012 wurde in Augsburg in entscheidenden Fragestellungen nichts getan“, so Marcon jetzt im Umweltausschuss des Stadtrats. Das Solarkataster, das aufgrund von Luftaufnahmen Bürgern erste Anhaltspunkte darüber liefern kann, ob das eigene Dach solargeeignet wäre, sei schon an die zehn Jahre alt, ohne dass es groß weiterentwickelt wurde. Pettinger kritisierte, dass die Stadt zwar die Beratung von Bürgern ausgebaut habe, selbst aber regelmäßig zu wenig tue, etwa bei der neuen Messehalle. „Papiere und Studien sind schön, aber wenn es an die praktische Umsetzung geht, fehlt es an Geld“, so Pettinger. Die Stadt solle ab jetzt fünf Millionen
Euro jährlich dafür vorsehen, PVAnlagen auf eigenen Dächern zu bauen. „Es geht nicht, irgendwelche Sofortprogramme zum Klimaschutz zu beschließen, aber bei der Umsetzung nicht voranzukommen“, so Pettinger.
Aus dem Lager der Grünen kam heftiger Widerspruch. Man habe vor Jahren eine Solaroffensive als Informationskampagne gestartet, nachdem man angesichts der veränderten Förderbedingungen gesehen habe, dass man nicht vorankomme, so Umweltreferent Reiner Erben (Grüne). „Wir brauchen so viele Solarflächen wie möglich, und dafür reichen die städtischen Dächer nicht aus. Die sind nur ein Symbol dafür, dass wir uns selbst verpflichten“, so Erben. Im Übrigen erinnere er daran, dass bei vielen Bauvorhaben im Stadtrat durchaus Diskussionen aufkämen, ob man sich eine Solaranlage nicht sparen könne, um das Investitionsvolumen zu begrenzen. Insgesamt müssten mehr Dächer – privat, gewerblich und öffentlich – mit Solaranlagen bebaut werden, wenn man etwas für den Klimaschutz tun wolle. Auch Stadträte der Grünen wollten sich die Kritik nicht gefallen lassen. „Sie müssen akzeptieren, dass wir nicht irgendwelche Adhoc-Aktionen haben wollen, sontroffen, dern Erkenntnisse systematisch zusammenfassen und dann entsprechend beschließen wollen“, so Stefan Wagner. Fraktionschef Peter Rauscher sagte in Richtung von AiB und ÖDP, man möge „nicht Dinge beantragen, die bereits laufen“.
Allerdings gibt es in puncto einer Solarpflicht auch kritische Stimmen. Lars Vollmar (Bürgerliche Mitte) sagte, das Ergebnis dürfe nicht sein, dass bei einer Reduktion des deutschen CO2-Ausstoßes andere Staaten die entsprechenden Zertifikate günstig kaufen. „Dann hat man gesamteuropäisch keinen Effekt: Wenn man einen Zahnputzbecher aus der Badewanne schöpft und ihn an anderer Stelle in der Wanne wieder reinschüttet, wird sie nicht leerer“, so Vollmar. Wenn Deutschland mittelfristig aus der Produktion von Kohlestrom aussteigt, werde der Druck ohnehin wachsen, mehr PV-Anlagen zu bauen, so Vollmar. Raimond Scheirich (AfD) sieht Fotovoltaik generell kritisch. „Man sollte der Technologie den ökologischen Rucksack anziehen, der ihr tatsächlich anhängt. Gemessen an der erzeugten Kilowattstunde ist Fotovoltaik sehr ressourcenintensiv“, so Scheirich. „Das ist Wirtschaftsförderung der chinesischen Industrie.“