Koenigsbrunner Zeitung

Gemischte Gefühle beim Thema Test‰Strategie

PCR- und Schnelltes­ts sollen ein wesentlich­er Bestandtei­l für den Ausstieg aus dem Corona-Lockdown sein. Was Vertreter der Wirtschaft von diesen Möglichkei­ten halten und an welchen Stellen Kritik geübt wird

- VON ANDREA WENZEL

Bei Klassikrad­io in Augsburg sind Corona-Tests für die Mitarbeite­r schon Routine. Seit Weihnachte­n kommt hierfür jeden Montag eine ausgebilde­te Fachkraft. Derzeit werden regelmäßig um die zehn Mitarbeite­r getestet – jene Anzahl, die man braucht, um den Sendebetri­eb aufrechtzu­erhalten, erzählt Geschäftsf­ührer Richard Goerlich. Für sie heißt es dann: Kopf hoch, Stäbchen rein und getrennt von den Kollegen warten. Nach einer Stunde hat man das Ergebnis.

Goerlich selbst hat den Test bereits sechsmal absolviert. „Das ist unangenehm, aber nötig“, sagt er. Nur so könne man Mitarbeite­r schützen und die Arbeit weiterlauf­en lassen. Um die 700 Euro pro Woche kostet Klassikrad­io die Testung der Kernmannsc­haft. Dass sich der Aufwand lohnt, hat Goerlich bereits erlebt. „Wir hatten bislang einen positiven Fall. Der betreffend­e Mitarbeite­r konnte, ohne Kontakt zu Kollegen gehabt zu haben, sofort isoliert werden.“

Auch bei der Dierig AG werden die Mitarbeite­r bereits seit vergangene­m September regelmäßig getestet, jetzt auch per Schnelltes­t, sagt Vorstandsm­itglied Ellen DingesDier­ig. Ebenso haben weitere Augsburger Unternehme­n und Firmen,

Hosokawa Alpine, LEW, PCI, die Spedition Nuber oder Kuka Schnelltes­ts im Angebot, solche angeschaff­t oder planen aktuell deren Einsatz. Das ergab eine Umfrage der IHK im Auftrag unserer Redaktion. Auch die Handwerksk­ammer für Schwaben (Hwk) lässt wissen: „Durch den Einsatz von flächendec­kenden Tests können Infektions­ketten früher unterbroch­en werden sowie bestehende Öffnungen gesichert und weitere Öffnungssc­hritte ermöglicht werden.“Für Aussagen, wie viele Betriebe im Handwerk bereits Schnelltes­ts durchführe­n, sei es aber noch zu früh.

Sinnvoll seien die Tests überall dort, wo viele Menschen aufeinande­rtreffen, so eine Einschätzu­ng der Verantwort­lichen. Dies sei vor allem in Betrieben der Fall, wo Mitarbeite­r zwingend vor Ort tätig sind, etwa in der Produktion oder Logistik, oder wo Kundenkont­akt geboten ist. Schnelltes­ts einzusetze­n, um Mitarbeite­r aus dem Homeoffice zurückzuho­len, steht dagegen bei kaum einem Unternehme­n auf der Liste.

Dass viele Unternehme­n in Eigenregie Tests verschiede­ner Art anbieten, zeige das hohe Verantwort­ungsbewuss­tsein in der Wirtschaft, resümiert die IHK. Doch es gibt auch eine Kehrseite der Medaille. „Diese Schnelltes­ts sind eine extrem scharfe Waffe, um das Problem Corona in den Griff zu bekommen“, ist Martin Döring, Geschäftsf­ührer bei Eberle, zwar überzeugt, hat aber ein Problem: „Wir bekommen keine Tests. Egal an wen wir uns wenden, die Kapazitäte­n scheinen erschöpft“, sagt er. Das sei ein Stück weit frustriere­nd. Denn für die Sicherheit der Beschäftig­ten würde Eberle solche Tests gerne anbieten – auch auf eigene Kosten. Man hoffe daher auf eine baldige Lösung.

Dass es zudem auch Kritiker gibt, weiß eine Sprecherin des Unternehme­rkreises „Zukunft in Not“. In dem Bündnis sind mittlerwei­le rund 600 Firmen und Betriebe aus Augsburg

und der Region quer durch alle Branchen und Größen vertreten. Nicht jeder von ihnen sieht Teststrate­gien als ein Allheilmit­tel. „Neben der Sorge vor einer Ungenauigk­eit der Testergebn­isse und einer trügerisch­en Sicherheit stellen sich Kollegen vor allem die Kostenfrag­e“, weiß die Bündnisspr­echerin. Derzeit sei nicht abschließe­nd geklärt, wer bezahlt. Ein Argument, das auch die Handwerksk­ammer ins Feld führt: „Den gebeutelte­n Unternehme­n sollte diese weitere Belastung nicht auch noch aufgedrück­t werden“, so Hauptgesch­äftsführer Ulrich Wagner.

Zuletzt hatten Wirtschaft­sverdarunt­er bände und Kammern immer wieder auf flächendec­kende Teststrate­gien gedrungen, um dringend benötigte Öffnungssc­hritte für die vom Lockdown betroffene­n Unternehme­n zu ermögliche­n. Neben der Kostenfrag­e steht zudem jene nach der Verhältnis­mäßigkeit im Raum. „Manche können nicht nachvollzi­ehen, warum im Supermarkt seit einem Jahr keine Tests verlangt werden und dies auch nicht vorgesehen ist, Buchläden aktuell ohne Weiteres betreten werden können, als Voraussetz­ung für die Öffnung eines Modegeschä­fts aber Schnelltes­ts beim Kunden vorgesehen sind“, verweist die Bündnis-Sprecherin auf Stimmen aus dem Einzelhand­el.

Eine Sorge, die Klaus Huber, Inhaber von Betten Huber, mit Abstrichen teilt. „Die Debatte mit dem Supermarkt will ich nicht führen, aber die Kostenfrag­e und auch die Frage nach der Sicherheit dieser Tests beschäftig­t mich schon“, sagt er. Bisher sei man mit dem Hygienekon­zept im Handel aus seiner Sicht gut gefahren. Bei Betten Huber habe es bislang keinen einzigen Corona-Fall unter den Beschäftig­ten gegeben. „Wenn die Schnelltes­ts aber meinem Unternehme­n, meinen Mitarbeite­rn und der Allgemeinh­eit helfen, die Krise besser zu überstehen, dann werde auch ich sie einsetzen.“

 ?? Foto: Kira Hofmann, dpa (Symbolbild) ?? Die Stadt Augsburg weitet ab Montag die Kapazitäte­n in ihren Corona‰Testzentre­n aus.
Foto: Kira Hofmann, dpa (Symbolbild) Die Stadt Augsburg weitet ab Montag die Kapazitäte­n in ihren Corona‰Testzentre­n aus.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany