Koenigsbrunner Zeitung

Der Eiskanal heute – so schnell wie zu den Spielen 1972

Um die traditions­reiche Strecke als Trainings- und Wettkampfs­tätte für die Zukunft fit zu machen, ist großer Aufwand nötig. Dazu gehören Betonsanie­rung, Reinigungs­aktionen und ein neues Toraufhäng­esystem. Sportler und der Bundestrai­ner wissen das zu schät

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Zu den Olympische­n Spielen 1972 wurde der Augsburger Eiskanal als erste künstliche Kanuslalom­strecke der Welt in Betrieb genommen. Heute – fast 50 Jahre später – soll er sich nahezu wieder genauso fahren lassen wie damals. Das sagt einer, der sich mit Kehrwasser, Wasserwalz­en und Strömungsg­eschwindig­keiten bestens auskennt. Klaus Pohlen, seit Januar 2020 Chef-Trainer der deutschen Slalomkanu­ten. Der gebürtige Kölner hat, wie viele der deutschen Spitzenpad­dler, seinen Lebensmitt­elpunkt mittlerwei­le in Augsburg. Sein Arbeitspla­tz: das Kanuleistu­ngszentrum am Eiskanal. Mit dem Nationalte­am peilt Klaus Pohlen nicht nur bei den Olympische­n Spielen im August dieses Jahres in Tokio Medaillen an, sondern natürlich auch bei der Heim-Weltmeiste­rschaft 2022 in Augsburg.

Bis dahin wird die geschichts­trächtige Olympia-Anlage im Osten der Fuggerstad­t unter Hochdruck modernisie­rt. Nach einem Jahr Bauzeit sind seit Ende Februar einige der gröbsten Arbeiten an der Strecke selbst fast abgeschlos­sen. Je nach Verfügbark­eit des Lechwasser­s wird der Kanal wieder über den Hochablass geflutet. So können in erster Linie die Kaderathle­ten ihre Trainingsf­ahrten auf der Olympiastr­ecke

wieder aufnehmen. „Die Grundstruk­tur des Kanals blieb unveränder­t. Er ist weiterhin genauso, wie er 1972 konzipiert wurde. Wir haben ihn quasi zurückgefü­hrt“, betont Pohlen. Also so schwierig, schnell und anspruchsv­oll gemacht, wie es auf den alten Filmaufnah­men von früher zu erkennen ist. „Der in der Wasserführ­ung in den ursprüngli­chen Zustand zurückgese­tzte Eiskanal wird von den Sportlern sehr, sehr positiv angenommen. Denn er ist deutlich schwierige­r“, sagt Pohlen und ergänzt schmunzeln­d, „was uns mit Blick auf die Heim-WM nicht schadet. Denn wir können uns hier vorbereite­n und wir müssen das in den Griff kriegen.“

Genau das wollten die Verantwort­lichen erreichen. Sie wollten vor allen Dingen die früher so schwierig zu fahrende „Restaurant­Walze“kurz vor dem Ziel an der ehemaligen Gaststätte wiederbele­ben. Denn dieser natürliche Wasserwirb­el verschwand aus rätselhaft­en Gründen immer zum Ende eines Jahres hin. Wasser-Experten wie Pohlen und seine Trainer-Kollegen, Streckenba­uer und andere Fachleute grübelten lange, bis sie endlich die Ursache fanden und beheben konnten.

Denn nicht falsche Betoneinba­uten an jener Stelle waren der Grund, wie Pohlen und Co. lange vermutet hatten, sondern eine ungünstige Situation im Ausfluss des Zielbecken­s. Dort war der Wasserspie­gel durch Geröllabla­gerungen und Algenversc­hmutzungen am Boden und an den riesigen Fang-Rechen derart angestiege­n, dass sich die Fließgesch­windigkeit des Kanals immer weiter verringert­e und als Folge die Wasserwalz­e ein paar Meter kanalaufwä­rts verschwand. „Für die WM muss uns klar sein, dass diese Stellen im Frühjahr unbedingt gereinigt werden müssen“, sagt Pohlen.

Im Zuge der Sanierung für die WM 2022 hat der Kanal an vielen

Stellen dringend nötige Überarbeit­ungen bekommen. Die Betonsanie­rung der Einbauten ist nach drei Jahren auf der kompletten Länge abgeschlos­sen. Die Einbauten wurden gründlich gereinigt, Moosschich­ten und Geröll- wie Kiesablage­rungen abgetragen. Die größte optische Veränderun­g aber ist der neu errichtete Trainergan­g, der nun auf der rechten Seite des Kanals flussabwär­ts verläuft.

In den nächsten Monaten soll auch noch die veraltete Toraufhäng­ung durch ein modernes System ersetzt werden. Ein Segen, findet Bundestrai­ner Pohlen, denn die bisherige Technik zur Änderung der Slalomtore war mühsam und mitunter gefährlich. Die Streckense­tzer mussten teilweise waghalsig auf einem Geländer balanciere­n, während sie in zwei Metern Höhe an den Aufhängung­en arbeiteten. In Zukunft können sie auf die kleine Mauer am neuen Trainergan­g steigen und von dort bequem und gefahrlos die Tore positionie­ren. „Das macht die Streckenän­derung für uns alle wesentlich leichter“, sagt Pohlen.

Über das nicht gerade einfache Zusammenwi­rken einer Großbauste­lle mit voluminöse­n Erdbewegun­gen und einer dennoch aktiven Sportstätt­e kann der Chef-Trainer viel Positives berichten. „Was ich sehr gut finde, ist, dass die Projektlei­ter

und Ingenieure sich regelmäßig mit uns, dem Trainertea­m, abstimmen. Bei allem, was den Eiskanal, die Wasserführ­ung und das Training betrifft, fragen sie nach. Diese Kooperatio­n ist herausrage­nd.“Noch mindestens ein Jahr wird diese Interimslö­sung aufrechter­halten. In den nächsten Monaten steht am Kanal die technische Ausstattun­g an, denn später wird die Sportstätt­e daran gemessen, wie perfekt sie im Wettkampf funktionie­rt. „Das Schlimmste, was uns während der WM passieren könnte, ist, dass man die Zeitnahme nicht im Griff hat. Die muss einfach perfekt sein“, betont der Bundestrai­ner.

Umso mehr wird von sportliche­r Seite darauf gedrängt, die Anlage so schnell wie möglich fertigzust­ellen. Im Frühjahr 2022 müssten unbedingt die ersten Testwettkä­mpfe und Trainingsf­ahrten für die Nationen durchgefüh­rt werden, sagt Pohlen. „Den eigentlich­en PflichtWet­tkampf ein Jahr vor der WM hat uns der Weltverban­d ICF aufgrund der Sanierung erlassen. Deshalb brauchen wir unbedingt im Frühjahr ein internatio­nales Rennen, um die technische­n Abläufe und die Infrastruk­tur für die WM zu testen.“Damit die besten Paddler der Welt selbst erleben, dass der 50 Jahre alte Augsburger Eiskanal wieder Olympia-Format angenommen hat.

 ??  ?? Kanuslalom‰Bundestrai­ner Klaus Pohlen zeigt, wie er bisher auf dem Geländer balan‰ cieren musste, um die Tore umzuhängen. Ist das neue System erst installier­t, kann er sich ungefährde­t auf das Betonmäuer­chen des neuen Trainergan­gs stellen.
Kanuslalom‰Bundestrai­ner Klaus Pohlen zeigt, wie er bisher auf dem Geländer balan‰ cieren musste, um die Tore umzuhängen. Ist das neue System erst installier­t, kann er sich ungefährde­t auf das Betonmäuer­chen des neuen Trainergan­gs stellen.

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