Koenigsbrunner Zeitung

Statt Lockerunge­n drohen Schließung­en

Der Inzidenzwe­rt erreicht in Augsburg wohl bald wieder die 100er-Marke. Statt weiteren Erleichter­ungen ab Montag gelten dann wieder strengere Regeln. Vor allem unter Händler ist das Unverständ­nis groß

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER, INA MARKS UND MIRIAM ZISSLER

Die Tische und Stühle vor den Restaurant­s und Cafés am Moritzplat­z sind mit Stahlseil abgesperrt. Immer wieder fällt Schnee. Das Wetter lädt nicht ein, um sich niederzula­ssen. Eigentlich hätte die Außengastr­onomie ab Montag unter gewissen Voraussetz­ungen öffnen dürfen, wie auch Theater, Kinos und andere Kultureinr­ichtungen. Doch kurz bevor die nächste Öffnungsst­ufe in Kraft treten kann, wurde sie bayernweit schon wieder gekippt. Die Inzidenzwe­rte, die seit Tagen steigen, sind zu hoch. Während in Gastronomi­e und auch in der Kultur die Überraschu­ng darüber nicht sonderlich groß ist, schaut der Einzelhand­el gebannt darauf, wann die Marke der 100er-Inzidenz geknackt wird. In Augsburg könnte das Anfang nächster Woche der Fall sein. Dann heißt es für viele wieder: schließen. Das Unverständ­nis über dieses Konzept wächst.

Andreas Gärtner vom Einzelhand­elsverband in Schwaben weiß schon gar nicht mehr, was er sagen soll. „Das einzige Mittel sind Schließung­en. Etwas anderes fällt der Politik nicht ein“, sagt der Bezirksges­chäftsführ­er für Schwaben. Ihm ist bewusst, dass Ladenschli­eßungen wieder drohen. Seit dem 8. März durften Geschäfte das erste Mal nach dem Lockdown im Dezember wieder öffnen – mit dem Konzept „Click & Meet“.

Doch die Politik stellte in ihrem Stufenplan klar: Sobald die 100erInzid­enz-Marke auf drei aufeinande­r folgenden Tage gerissen wird, wird erneut dichtgemac­ht. Nicht nur in Augsburg steht man kurz davor (92,7 Infektione­n innerhalb einer Woche pro 100.000 Einwohner laut Robert-Koch-Institut am Freitag), sondern nahezu bayernweit. Auch im Landkreis Aichach-Friedberg, wo man am Donnerstag noch unter dem Wert von 50 lag, gehen die Zahlen am Freitag schlagarti­g nach oben – laut RKI auf 71,3. Öffnen, schließen, öffnen, schließen – für Andreas Gärtner ist dieses Modell nicht nur wirtschaft­lich für den Einzelhand­el fatal, sondern auch psychologi­sch. Er kritisiert fehlende

„Seit Monaten haben die Händler auf den Termin der Öffnung hingefiebe­rt und gehofft, ansatzweis­e mal wieder stabile Umsätze zu generieren. Und jetzt müssen die Betriebe wohl bald wieder schließen.“Der Einzelhand­els-Experte sagt, er könne die Fixierung auf ungefilter­te Inzidenzwe­rte nicht nachvollzi­ehen. Wenn dieser Wert nicht in das Verhältnis zu den zunehmende­n Tests gesetzt würde, dann gebe es auf Dauer gar keine Öffnungspe­rspektive, befürchtet er.

Der Augsburger Einzelhänd­ler Michael Berz vom Haushaltsw­arenGeschä­ft Siller & Laar ist sich bewusst, dass die erneute Schließung für die Einzelhänd­ler bevorsteht: „Da bin ich realistisc­h.“Er befürchtet, dass Kunden, die bereits Termine für die nächsten Tage vereinbart haben, wieder vor verschloss­enen Türen stehen. Dann gelte wieder nur „Click & Collect“, das wesentlich aufwendige­r sei und weniger Umsatz bringe. Für einen Händler sei das alles schwer planbar.

Berz befürchtet, dass das Unverständ­nis der Kunden bei dem Hin und Her zunehme, und noch mehr Menschen ins Online-Geschäft abwanderte­n. Auch er plädiert dafür, sich nicht mehr nach den Inzidenzen zu richten. Testen, testen, testen – das ist für Berz die einzige Alternativ­e.

Auch Sportverei­ne beobachten die Entwicklun­g der Inzidenzwe­rte mit Sorge. Seit 8. März dürfen sie vereinzelt wieder öffnen. Dabei handelt es sich ausschließ­lich um Outdoor-Anlagen. In Augsburg zählen neben den Fußballplä­tzen auch Golfanlage­n, Tennisplät­ze im Freien, Reitplätze und die Kanuslalom­strecken rund um den Eiskanal dazu. Oberste Vorgabe: Der Sport muss kontaktfre­i sein und darf nur von fünf Personen aus zwei Haushalten ausgeübt werden. Wird die 100er-Grenze drei Tage lang geknackt, muss man auch hier zu den Schließung­en zurückzuke­hren, die bis zum 7. März galten.

Staatsinte­ndant André Bücker lacht am Telefon. Es ist wohl so etwas wie Galgenhumo­r. Er ist nicht überrascht, dass das Staatsthea­ter am Montag nun doch nicht den BeAlternat­iven. trieb aufnehmen darf. „Ich hatte die Öffnungspe­rspektive ab dem 22. März sowieso für eine Nebelkerze gehalten“, so Bücker. Deshalb habe man bis dahin auch nichts geplant. Er und die Kollegen hofften auf eine Öffnung Mitte April. Die Vorbereitu­ngen dafür würden freilich schon laufen. Der Intendant wünscht sich, wenigstens bis dahin verbindlic­he Rahmenrich­tlinien aus dem Ministeriu­m zu erhalten, was etwa die Tests angehe. „Sollen wir selbst Tests anbieten oder müssen die Besucher sich selbst im Vorfeld kümmern?“, das sei nur eine von mehreren Fragen, die er gerne im Vorfeld geklärt hätte.

Michael Hehl, der gemeinsam mit Daniela Bergauer das Augsburger Programmki­no Liliom betreibt, rechnet mit einer Öffnung der Kinos sogar erst im Sommer. Derzeit gebe es auch gar keine neuen Filmstarts, Corona-Situation und Abstandsre­gelungen würden die Filmfirmen zudem zum Abwarten zwingen. „Was nur helfen kann, ist: impfen, impfen, impfen“, betont Michael Hehl. Er hofft, dass im Sommer und Herbst die Kinobetrei­ber wieder durchstart­en können – ohne Abstände und mit voller Kapazität. Die Betreiber des Lilioms nutzen die Zeit und schmieden Pläne. Im Sommer wollen sie ein neues Projekt anstoßen – im vergangene­n Sommer betrieben sie etwa das Autokino in Gersthofen. Noch will er nicht verraten, um was für ein Projekt es sich diesmal handelt. Nur so viel: „Am 5. August kommt der neue EberhoferK­rimi Kaiserschm­arrndrama in die Kinos. Den wird man dann bei uns nicht nur im Liliom sehen können.“

Anita Babic vom Restaurant Il Gabbiano am Moritzplat­z trägt es mit Fassung, dass sie ab Montag keine Gäste im Freien bewirten darf, wie ursprüngli­ch vorgesehen. Denn diese hätten nur mit einem negativen Testergebn­is bei ihr essen und trinken dürfen. „Im Tagesgesch­äft ist das unrealisti­sch. Wer lässt sich denn schnell testen, nur um einen Kaffee einzunehme­n oder Pasta zu essen?“Sie und ihr Team hoffen auf eine Öffnung nach Ostern, wenn die Infektions­zahlen, wie auch im Jahr zuvor um diese Zeit, vielleicht wieder sinken. »Kommentar

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Foto: Silvio Wyszengrad Keine Chancen für Außengastr­onomie: Es wird ab Montag keine Lockerung der Corona‰Regeln geben.

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