Ein Tierfilmer mit besonderen Methoden
Klaus Stampfer überwacht, wie Vögel in der Region brüten und ihre Jungen aufziehen. Mit Kameras in Nistkästen macht er seine Entdeckungen
Spektakuläre Naturfilme sieht man in der Regel im Fernsehen. Profis filmen mit großem Aufwand Elefanten in Afrika, Eisbären in der Arktis oder Wale in den Weltmeeren. „Mit solchen Leuten kann und will ich mich nicht vergleichen“, sagt Klaus Stampfer. Dennoch ist der frühere Entwicklungsingenieur auf seine Art ein erfolgreicher Tierfilmer. Mit ausgeklügelter Technik guckt er in die Nistkästen heimischer Singvögel. Dabei macht er immer wieder außergewöhnliche Beobachtungen. Nun – zum Frühlingsanfang und Beginn der Vogelbrut – will er sie mit einem größeren Publikum teilen.
Bei den Stampfers daheim im Garten ist an diesem ersten Frühlingswochenende schon überall ein Zwitschern zu hören, und das, obwohl es winterlich kalt ist und Schneeschauer vorbeiziehen. Der erste Star ist in diesen Tagen unterwegs, um Material für einen Nistkasten an der Hauswand herbeizutransportieren. Etwas später in der Saison wird das Männchen ein spektakuläres Liebeswerben um sein Weibchen beginnen. Wie es genau abläuft, zeichnen kleine elektronische Kameras auf, die drinnen und draußen vor den Starenkästen angebracht sind. Stampfer sagt mit einem Augenzwinkern: Für bequeme Brutplätze werden die Vögel in seinem Garten mit der Preisgabe persönlicher Daten „bezahlen“– ähnlich wie Menschen, die das Internet nutzen.
Stampfer ist nicht nur ein Fan heimischer Gartenvögel, sondern auch Diplom-Informatiker. Früher war er bei NCR in Augsburg. Inzwischen ist er 68 Jahre und in Rente. Er wohnt mit seiner Frau in Bonstetten im Kreis Augsburg, ist aber in der Stadt Augsburg relativ bekannt, weil er sich in vielen Bereichen engagiert. Unter anderem ist er Mitglied der Augsburger Gruppe im Landesbund für Vogelschutz. Wegen seiner elektronisch gestützten Beobachtungen ist er ein gefragter Mann für Vorträge. Stampfer unterhält aber auch eine eigene Webseite (www.klausstampfer.de). Dort stellt er ab April regelmäßig Filme und Bilder ein, die jeder abrufen kann. Was bei Meise, Star und Sperling so alles im Brutkasten vor sich geht, sorgt immer wieder für Überraschungen.
„Normalerweise bauen Meisen » ihre Nester aus Moos und Haaren“, sagt Stampfer. Doch einmal filmte die Nistkastenkamera, wie Kohlmeisen ihre Bruthöhle mit pinkfarbenen Fasern unbekannter Herkunft auspolsterten. In einem anderen Film kann man detailliert mitverfolgen, wie Vogeleltern ein totes Junges aus dem Nest transportieren. Manchmal seien sogar Fachleute überrascht, welche Szenen die Kamera aufzeichnet, sagt er. Ihm gelang eine seltene Aufnahme, wie eine Meise ein Junges mit einer großen Feder füttert. Normalerweise wird der Nachwuchs mit Insekten ernährt.
Spektakulär ist eine weitere Filmszene. Sie zeigt einen Star beim Liebeswerben. Zunächst baut er ein Nest aus Halmen. Dann schmückt er seine Bruthöhle mit grünen Salbeiblättern, rosa Blütenblättern vom nahen Zierkirschenbaum und gelben Schlüsselblumen aus. Als das Männchen sein Werk vollendet hat, schnappt es sich eine der bunten Blüten mit dem Schnabel und winkt damit am Einflugloch in Richtung Damenwelt. Die Taktik mit Blume hat Erfolg. Kurze Zeit später flattert ein Weibchen heran. Stampfers Kommentar: „Wer eine schöne Immobilie hat, ist attraktiver“.
Der 68-Jährige filmt Gartenvögel allerdings nicht zu Unterhaltungszwecken. Er sucht Antworten auf Fragen, die trotz aller Forschungen immer noch mit dem Leben dieser Allerweltstiere verbunden sind. Dabei achtet er auch strikt darauf, die Vögel mit seinen Aktivitäten nicht im Brutgeschäft zu stören. Wie er zu diesem Hobby kam? „Eines Tages lag ich im Frühjahr bei schönem Wetter im Gartenstuhl und sah eine Kohlmeise in den Nistkasten fliegen, da kam bei mir der Informatiker raus“, erzählt er. Das war im Jahr 2012. Stampfer stoppte den Zeitpunkt von Einflug und Ausflug. Dann rechnete er kurz hoch, wie oft der kleine Vogel an diesem Tag unterwegs sein musste. Er kam auf bis zu 40 Flüge, in der Literatur war jedoch von etwa 100 Flügen die Rede. Deshalb entschloss er sich, der Sache mit wissenschaftlicher Methodik auf den Grund zu gehen.
Seither beobachtet er das Geschehen in Brutkästen nicht allein visuell mit Kameras. Er hat auch elektronische Lichtschranken an den Höhlen installiert, um zuverlässige Zahlen zu bekommen, die er detailliert auswertet. Damit kann er nun beweisen, dass beispielsweise eine Kohlmeise beim Nestbau rund 50-mal in den Kasten fliegt. Beim Eierlegen fliegt sie nur noch bis zu 30-mal aus. Wenn sie danach den Nachwuchs sattbekommen muss, ist sie bis zu 700-mal täglich unterwegs. „Das ist schon eine sehr beachtliche Leistung“, sagt er. Dass die Elternvögel in der Brutzeit an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit sind, kann er mit anderen Daten untermauern. Seine Zahlen weisen darauf hin, dass die Altvögel bei Regenwetter nur so wenig fliegen, dass Teile der Brut öfter mal verhungern.
Stampfers Erkenntnisse werden auch in der Fachwelt beachtet. In Bonstetten überwacht er systematisch zehn Brutkästen. Einige von ihnen stehen in einem Biotop der Vogelschützer, das von Doris Beischler aus Augsburg initiiert wurde. Nur bei einer Vogelart kommt Stampfer mit seinen Beobachtungen nicht so recht auf einen grünen Zweig. Die Feldsperlinge schlagen ihm regelmäßig ein Schnippchen. Sie stopfen ihre Nisthöhlen so voll, dass die Elektronik nicht mehr funktioniert.
OWeitere Informationen OnlineVorträge der Augsburger Kreis gruppe des LBV findet man auf deren In ternetseite: www.augsburg.lbv.de.