„Froh, dass Zeiten sich geändert haben“
Emilia Schüle spielt in „Ku’damm 63“wieder die Eva – eine junge Frau, die mit den gesellschaftlichen Zwängen zu kämpfen hat. Auch die Schauspielerin nimmt nicht alles hin
Die Erfolgsgeschichte der „Ku’damm“-Reihe hält an: Am Sonntagabend sahen mehr als fünf Millionen Zuschauer den Auftakt der aktuellen Staffel über Caterina Schöllack und ihre drei Töchter Monika, Helga und Eva. Vier Frauen, die sich und ihre Tanzschule am Berliner Kurfürstendamm durch die Nachkriegszeit bringen müssen. Nach den Jahren 1956 und 1959 ist die Filmreihe inzwischen im Jahr 1963 angekommen – und die Frauen müssen sich einmal mehr mit den gesellschaftlichen Zwängen und ihren persönlichen Liebesdramen auseinandersetzen. Emilia Schüle spielt Tochter Eva, die in ihrer Ehe sehr unglücklich ist – und jetzt ihren Mann erpresst und sich ein neues Leben aufbauen will. Doch wie wird die damalige Gesellschaft auf eine solche Frau reagieren?
Frau Schüle, was gibt es aus der Zeit, in der „Ku’damm 63“spielt, das Sie heute noch gerne hätten?
Emilia Schüle: Puh. Ich bin sehr froh, dass die Zeiten sich geändert haben, muss ich sagen. Ich bin sehr glücklich, eine Frau der heutigen Zeit zu sein. Ich bin mir immer wieder bewusst, inwieweit die Gleichberechtigung nach wie vor nicht vollständig ist. Ich sehe immer noch
Ungleichheiten in Bildungsmöglichkeiten oder was die Repräsentation von Frauen und Männern im Film angeht. Auch bei der gleichen Bezahlung, beim Thema Gender Pay Gap, ist noch viel zu tun. Ein Thema, das mir letztens durch einen Kurzfilm bewusst wurde: Wir haben nach wie vor eine starke Tabuisierung der Menstruation. Das ist einfach nicht mehr zeitgemäß, weil es etwas ganz Selbstverständliches ist. Hygieneartikel sollten für Frauen weltweit kostenlos sein. Man sollte nicht mehr flüsternd über dieses Thema sprechen müssen.
Stimmt es Sie wehmütig, dass die „Ku’damm“-Zeit vollkommen ohne Internet und Handys war?
Schüle: Das geht mir schon bei Filmen aus dem Jahr 2005 so, bevor die Smartphones aufkamen. Diese Unfähigkeit im Moment zu sein, stört mich. Das andere ist so viel ansprechender, auch im Film. Ich genieße es sehr, Filme zu gucken, die gerätefrei sind.
Sie engagieren sich in dem im Dezember von Ihnen mitgegründeten Verein „Initiative Digitale Empathie e.V.“Schüle: Das Thema liegt mir am Herzen. Ich habe vor einigen Jahren in „Lenalove“ein Mädchen gespielt, das aufgrund von Cybermobbing fast ums Leben gekommen ist. Es basierte auf einem echten Fall. Der digitale Wandel verändert unsere Art zu leben fundamental. Die Digitalisierung bringt neben vielen Vorteilen auch viele psychische Gefahren. Ich erlebe das Netz als einen Ort, an dem die Menschlichkeit verwahrlost, die Corona-Pandemie bringt Probleme wie Cybermobbing, Fake News, Hate Speech noch auf ein neues Level. Ich habe diesen Verein gegründet, weil ich glaube, die Digitalisierung braucht Werte. Es braucht eine bundesweite Kampagne, die aufklärt und ein Bewusstsein für mehr digitale Empathie schafft. Da müssen alle mitziehen: die Bundesregierung, die Big Player der Tech-Industrie, Eltern, Jugendliche.
Kann man als Schauspielerin heute noch ohne Social Media arbeiten, können Sie sich noch digitale Pausen erlauben?
Schüle: Es gibt ein Meer von Künstlern und Schauspielern, die keine sozialen Netzwerke bedienen und trotzdem sehr erfolgreich sind. Der Zauber der Moviestars ist da, weil man eben nicht weiß, wie zum Beispiel eine Meryl Streep ihr Frühstrukturelle stück isst. Natürlich ist es omnipräsent. Trotzdem muss man immer gucken, wie viel man preisgeben möchte. Ich mache viel digitalen Detox, weil mir meine Zeit einfach zu viel wert ist. Ich merke, dass mir andere Dinge wichtiger sind.
Wird es eine Fortsetzung der „Ku’damm“-Geschichte geben? Schüle: Das weiß ich noch nicht. Das hängt wahrscheinlich auch davon ab, wie es ankommt. Die Zeit, in die es als Nächstes gehen würde, ist auf jeden Fall superspannend. Wir sind jetzt im Jahr 63, dann wären wir Ende der 60er und auch noch in Berlin. Als Jugendliche hatte ich eine ganz große Faszination für die Studentenrevolte. Deswegen wäre das natürlich verlockend.
TVTipp Alle drei Folgen von „Ku’damm 63“sind in der ZDFMedia thek abrufbar. Im ZDFHauptprogramm wird Teil drei am Mittwoch um 20.15 Uhr ausgestrahlt. Emilia Schüle wurde 1992 in Russland geboren und kam als Kind mit ihrer Familie nach Deutschland. Ihr Durchbruch war 2012 die „Tat ort“Folge „Wegwerfmädchen“. Danach war sie unter anderem in Serien wie „Charité“und „Berlin Station“zu sehen. Zudem ist sie Synchronsprecherin.