Fitnessstudio schließt, zieht aber weiter Beiträge ein
Den Mitgliedern wird monatelang Geld von ihren Konten abgebucht. Durch Zufall stellen sie fest, dass ihr Studio in Lechhausen aufgegeben hat und sie nun Mitglied eines anderen Betreibers sind. Das verärgert Kunden
Magdalena Wolf staunte nicht schlecht, als sie vor einigen Tagen an ihrem Fitnessstudio in Lechhausen vorbeifuhr und feststellte, dass der Briefkasten überquillt und die Hallen ausgeräumt sind. Eigentlich wollte die 78-Jährige nach einem Ansprechpartner suchen, der ihr sagen kann, warum sie auf ihre Kündigung noch keine Reaktion erhalten hat und auch Anfragen per Mail und Telefon nicht beantwortet wurden. Stattdessen erfuhr sie, dass es das Fitnessstudio, in dem nur Frauen trainieren und für das sie nach wie vor Beiträge überwiesen hat, offenbar nicht mehr gibt.
Auch die Tochter von Magdalena Wolf, Sabine Kraus, hat die Mitgliedschaft im Herbst gekündigt und ist verärgert. „Ich habe durch den Lockdown hindurch den Beitrag weiter gezahlt als auch eine Getränke- und Trainerpauschale“, erzählt sie. Zunächst habe sie sich keinen Reim darauf machen können, wie es sein kann, dass das Studio nicht mehr existiert, ohne dass die Kunden davon etwas mitbekamen. Dann erinnerte sie sich an ein Schreiben, das das Fitnessstudio zu Weihnachten verschickt hatte und unserer Redaktion vorliegt. Darin wird sowohl über die herausfordernde Zeit gesprochen als auch die Kooperation mit einem anderen Sportanbieter angekündigt. Diese mache es möglich, mit der bestehenden Mitgliedschaft nach dem Lockdown auch dort zu trainieren und bereits jetzt dessen OnlineKurse zu nutzen. Von einer Schließung des bisherigen Studios ist in dem Schreiben nicht explizit die Rede.
„Ich habe mir nichts dabei gedacht und das Schreiben als freundliche Geste bewertet“, so Kraus. Nun machte sie sich die Mühe, auch das Kleingedruckte auf der Rückseite zu lesen. Ganz am Ende heißt es dort: „14 Tage ab Erhalt des Schreibens haben Sie die Möglichkeit, einen Widerspruch gegen die neuen AGB und Vertragsübernahme einzulegen“. Jetzt war die Lage für Kraus klar: Ihr bisheriges Studio hat offenbar coronabedingt aufgegeben, der Kooperationspartner die Mitgliedschaften übernommen – aus ihrer Sicht heimlich, still und leise.
Auch andere Kundinnen wie Doris Hausdorf sind in Aufruhr. „Dieses Schreiben war irreführend. Kein Mensch leitet daraus ab, dass es um einen Übergang des Vertrags zu einem neuen Anbieter geht und sieht sich deshalb die neuen AGB auf der Rückseite an“, sagt sie. Ein weiteres Mitglied ergänzt: „Ich bin auf diese Weise ungefragt Mitglied in einem mir unbekannten Studio geworden“.
Sabine Kraus hat mittlerweile vom neuen Betreiber eine Bestätigung ihrer Kündigung erhalten, nachdem sie dort nachgehakt hatte. „Im Nachgang musste ich feststellen, dass der neue Betreiber 20 Euro mehr pro Monat abgebucht hatte.“Die Frauen, die im Lockdown um die 500 Euro an Beiträgen bezahlt haben, sind nicht nur wegen des
Geldes verärgert, sondern vor allem von der Art enttäuscht. „So etwas macht man nicht. Ich hätte erwartet, dass man die Schließung offen kommuniziert und uns nicht durch Hintertürchen an einen neuen Anbieter weiterreicht“, so Hausdorf.
Für die Mehrheit der Kundinnen, offenbar rund 1000, wird diese Erkenntnis wohl erst noch kommen. Die 79-jährige Doris Tölg hat vor wenigen Tagen im Supermarkt von einer Mitstreiterin erfahren, dass ihr Fitnessstudio nicht mehr existiert. „Ich konnte es erst nicht glauben, werde mich nun aber so schnell wie möglich an die Kündigung machen.“Denn in das neue Studio will
Tölg nicht. „Ich weiß doch gar nicht, ob es mir da gefällt.“Ein Argument, das auch Sabine Kraus anbringt: „Es gibt viele, die sich bewusst für ein reines Frauen-Studio entschieden haben. Vor allem unsere türkischen Damen.“Für andere, glaubt Magdalena Wolf, ist zudem der Weg zum neuen Studio zu weit und Senioren nähmen auch nur selten an den Online-Kursen teil.
Und was sagen die bisherigen Betreiber? Der Geschäftsführer des geschlossenen Studios war für die Redaktion nicht zu erreichen. Die ehemalige Studioleiterin, die nun beim neuen Anbieter arbeitet, sagt auf Nachfrage klar: „Die Art und Weise, wie die Übernahme gelaufen ist, war falsch. Es war ein Fehler, für den wir uns nun beim Kunden entschuldigen müssen.“Sie habe den ehemaligen Geschäftsführer mehrmals gebeten, den Übergang der Verträge offen zu kommunizieren. Sie könne den Unmut der Kundinnen verstehen. Gemeinsam mit der Geschäftsführung des neuen Anbieters wolle man nun offen mit den Kunden sprechen und sei für Gespräche über die Weiterführung von Mitgliedschaften und die Anerkennung von Corona-Gutschriften offen.