Koenigsbrunner Zeitung

Ur‰Bobingerin kennt spannender­e Geschichte­n

Wikipedia weiß zu fast allem etwas, auch zum Landkreis Augsburg. Aber wie gut weiß das Online-Lexikon wirklich über unsere Orte Bescheid? Heute: Was das Internet über Bobingen sagt – und was Anni Gastl zu erzählen hat

- VON VICTORIA SCHMITZ

Bobingen Was Wikipedia über Bobingen weiß, sind natürlich Zahlen und Fakten. 17.307 Einwohner, 50,28 Quadratkil­ometer groß, 521 Meter über Normalnull. Alemannisc­he Siedler nannten die Stadt um 506 „Pobo“. Später wurde es zu „Pobinga“, was wiederum „bei den Leuten des Pobo“bedeutet. Und die Leute des Pobo leben zwölf Kilometer südlich von Augsburg, an den Flüssen Wertach und Singold, unweit vom Naturpark Westliche Wälder. Aber welche Geschichte­n stecken hinter all diesen Zahlen und Fakten, die Wikipedia weiß? Das weiß nur eine waschechte Bobingerin.

Anni Gastl hat einiges über ihre Heimat zu erzählen – so viel, dass sie ein ganzes Buch verfasst hat: „So goht’s Bobinga zua“ist voll von Gedichten und Versen über Bobingen. Der Titel stammt von der bekannten Bobinger-Büble-Sage, die auch Wikipedia kennt.

Sie handelt von einem Bobinger Buben, der von verschiede­nen Gerichten belangt wurde. Von einem Augsburger Anwalt erhielt er den Rat, auf jede Frage, die ihm vor Gericht gestellt wurde, mit „Bobingen“zu antworten und dabei den rechten Zeigefinge­r unter die Nase zu halten und nach links zu zeigen. Der Bub wurde schließlic­h freigespro­chen, weil die Gerichte mangels Aussagen nichts gegen ihn in der Hand hatten. Nach der Verhandlun­g wollte sein Anwalt Lohn erhalten, aber der Bube entgegnete nur „Bobingen“, machte seine typische Handbewegu­ng und war fort. Daher kommt der Spruch „So geht’s Bobinga zua“.

Wie geht es also in Bobingen zu? Beim Durchlesen des WikipediaE­intrags fallen Anni Gastl einige Sachen ein. Zum Beispiel, dass Neuhaus, Teil vom heutigen Königsbrun­n, früher zu Bobingen gehörte. „Früher gingen die Flure von Bobingen bis zum Lech“, sagt Gastl.

Ab 1836 kamen erste Siedler aus dem Ries, denen Bobinger Bauern im Laufe der Jahre die östlichen Teile ihre Felder verkauften. Gastl erklärt, dass es ein gutes Geschäft für die Bobinger Bauern war. Denn bei Bobingen sei der Boden durch gute Humus-Erde viel fruchtbare­r gewesen und weiter zum Lech hin eher kiesig. Sie erinnert sich, dass in ihrer Kindheit bei ihr daheim Königsbrun­ner nach Äpfeln und Birnen bettelten, da die in Bobingen viel besser wuchsen. Zwischen Bobingen und Königsbrun­n habe es früher „immer schon bissle Rivalität“gegeben, was aber heute vorbei sei. Gastl weiß auch, warum das französisc­he Aniche Partnersta­dt von Bobingen ist, was Wikipedia nicht erläutert. „Francois Longelin, der spätere Bürgermeis­ter von Aniche, war französisc­her Kriegsgefa­ngener auf dem Anwesen der Familie Füchsle in der Lindauer Straße“, erklärt sie. Nach einem Besuch in den 1960er-Jahren entstand 1969 ein Partnersch­aftsvertra­g. Seitdem gibt es regelmäßig­e Schüleraus­tausche zwischen Aniche in Nordfrankr­eich und Bobingen.

Auch gibt es ein paar Personen, die unter den berühmten Persönlich­keiten, die Wikipedia auflistet, fehlen. Da gibt es zum Beispiel die ambulante Krankensch­wester M. Alena Lehner, die von 1924 bis 1968 auf dem Fahrrad durch Bobingen zog. „Die Alena rufen“, wenn man Hilfe brauchte, hörte man damals häufig in Bobingen, erinnert sich Gastl. 1971 verstarb die Krankensch­wester. Der Ehrenbürge­r Josef Jaufmann (1879-1959), der Oberstudie­ndirektor war, fehle ebenfalls. Er habe maßgeblich das Schulwesen in Bobingen vorangetri­eben.

Was man sonst noch wissen sollte über Bobingen? Das Geräuchert­e sei hier erfunden worden, sagt Anni Gastl. Sie erklärt, dass die Bobinger im Schwedenkr­ieg in den Kirchhof flohen. Eine Wiesschust­erin hängte noch vor Verlassen ihres Anwesens „auf der Wies“im Nordwesten Bobingens Fleisch in den Kamin, um es vor den Schweden zu sichern. Sie befürchtet­e, dass sie es sonst klauen würden.

Als die Schweden eintrafen, machten sie auf ihrem erwarteten Beutezug allerdings den Kamin an, um sich zu wärmen. Dabei wurde das Fleisch aber nicht verbrannt – sondern geräuchert. Laut Anni Gastl kann man Bobingen deshalb als „Geburtsort des Rauchfleis­chs“bezeichnen.

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Foto: Anja Fischer (Archivbild) Nicht nur auf einem Bänkle in der Sonne fallen Anni Gastl neue Geschichte­n und Gedichte ein. Viele davon sind in ihrem Buch nachzulese­n.

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