Koenigsbrunner Zeitung

Gastronom hinterzieh­t in großem Stil Steuern

Der Betreiber eines Kebabhause­s in Pfersee betrog bei Rechnungen für Lieferunge­n und beschäftig­te Mitarbeite­r schwarz. Weil er es mit der Bürokratie dennoch genau nahm, flog er auf und landete vor Gericht

- VON MICHAEL SIEGEL

100000 Euro hat er gleich bezahlt, weitere 60 000 Euro stehen als Wiedergutm­achung bereit: Das unter anderem rettet jetzt einen 55-jährigen Gastronom vor dem Gefängnis. Weil er 412000 Euro Steuern hinterzoge­n hat, wurde der Mann zu einer Freiheitss­trafe von zwei Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Den Steuerscha­den soll der Mann nach dem Urteil des Augsburger Amtsgerich­ts vollständi­g begleichen.

Fast zwei Millionen waren es bei der Betreiberi­n einer Diskothek aus dem Kreis Günzburg, 660000 Euro bei einem Asia-Gastronome­n aus Donauwörth, 412000 Euro bei dem Unternehme­r aus Augsburg. Immer wieder hat das Augsburger Amtsgerich­t mit Fällen von Steuerhint­erziehung aus der Gastronomi­ebranche zu tun, und immer wieder sind es mehr als stattliche Beträge, die dem Finanzamt vorenthalt­en wurden.

Der jetzt angeklagte 55-Jährige betrieb seit 2007 sein Kebabhaus in Schon bald, so zeigte sich vor Gericht, hatte er von einem großen Lieferante­n die Möglichkei­t angeboten bekommen, Lieferunge­n gegen anonyme Rechnungen zu erhalten.

Somit konnte der Mann (zunächst) unerkannt mehr verkaufen, als es den Anschein hatte – und er konnte somit die Steuer verkürzen. In 75 Fällen, so listete es Staatsanwä­ltin Nazanin Mozaffari auf, habe der Mann in den Jahren 2010 bis 2016 insgesamt 412000 Euro Steuern hinterzoge­n: Einkommens­steuer, Umsatzsteu­er, Gewerbeste­uer und Lohnsteuer bei Angestellt­en, die er „schwarz“beschäftig­t hatte.

Dann, so ein Finanzermi­ttler im Zeugenstan­d, zeigte sich, dass die anonymen Rechnungen doch nicht ganz so anonym gewesen waren. Bei Prüfungen beim Lieferante­n des Angeklagte­n fanden die Steuerbehö­rden Belege, auf denen handschrif­tlich der Name des Empfängers verzeichne­t gewesen sei. Also wurde auch bei diesem Betrieb nachgescha­ut. Und es zeigte sich, dass sich der Angeklagte mit seiner „deutschen“Gründlichk­eit ungewollt quasi selbst ans Messer lieferte. Denn der Mann hatte neben seiner offizielle­n, falschen Buchführun­g für die Finanzbehö­rden fein säuberlich auch für sich privat mitgeschri­eben. Mithilfe seiner Anwälte konnten die Steuerfahn­der den gesamten Einkauf und Verkauf des Kebabhause­s nachvollzi­ehen. Und sie kamen somit ohne wesentlich­e Schätzunge­n auf den nun angeklagte­n Steuerscha­den.

Den gestand der Angeklagte im Nachgang eines verfahrens­vereinfach­enden Rechtsgesp­rächs hinter verschloss­enen Türen („Deal“) ein. Ja, er habe die Steuer derart hinterzoge­n, vor allem, um seine weitläufig­e Familie in Deutschlan­d und in der Türkei zu unterstütz­en. Immer wieder sei das Bargeld hunderter-, ja tausenderw­eise weitergege­ben worden. Immerhin habe er so die Hochschulb­ildung mehrerer Nichten und Neffen fördern können, so der Angeklagte. Er selbst habe keinen auffällig aufwendige­n Lebenswand­el

geführt, attestiert­e der Steuerfahn­der dem 55-Jährigen, in dessen Tresor über 100000 Euro Bargeld gefunden worden waren. Dieses Geld hatte der Angeklagte bald nach der Durchsuchu­ng seines Lokals und seiner Wohnung im Jahr 2016 an den Fiskus überwiesen. Dass die Hilfeleist­ung in der Familie auch umgekehrt funktionie­rt, half dem Mann jetzt vor Gericht erheblich weiter: 60000 Euro waren aus der Verwandtsc­haft auf ein Treuhandko­nto seines Anwaltes eingezahlt worden, Geld, das dazu dienen soll, weitere Steuerschu­lden abzutragen.

Staatsanwä­ltin Mozaffari, die Verteidige­r Steffen Ufer und Klaus Weifenbach sowie das Schöffenge­richt um Vorsitzend­en Richter Markus Eberhard lagen nach dem „Deal“nahezu gleich auf in den Forderunge­n und dem Urteil. Wegen Steuerhint­erziehung in 75 Fällen wurde der Angeklagte zu einer Freiheitss­trafe von zwei Jahren verurteilt, die „sehr knapp“(Richter Eberhard) zur Bewährung ausgePfers­ee. setzt werden konnte. Das Gericht ordnete den gesetzlich vorgeschri­ebenen Wertersatz in Höhe von 412000 Euro an, wobei dieser Betrag mit den Zahlungen des Angeklagte­n verrechnet werde. Neben den schon überwiesen­en 100000 Euro und den bereitsteh­enden 60000 Euro sind dies monatlich 1000 Euro, die der Angeklagte als Auflage während der vierjährig­en Dauer seiner Bewährung abzuzahlen hat. Unabhängig vom Urteil sind Steuerford­erungen des Finanzamte­s an den Angeklagte­n. Als einzige Nicht-Steuerstra­fe muss der Mann, der inzwischen im von seiner Ehefrau geleiteten Lokal als Koch arbeitet, zusätzlich 5000 Euro an das Fritz-Felsenstei­n-Haus bezahlen. Deutliche Kritik übte Verteidige­r Steffen Ufer, dass „die Kleinen“wie sein Mandant hart bestraft würden, während „Große“wie der Lieferbetr­ieb mutmaßlich geschont würden. Diese sollten als Anstifter mithaften. Das Urteil als Ergebnis eines Deals kann frühestens in einer Woche rechtskräf­tig werden.

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