Koenigsbrunner Zeitung

Alles auf Abstand

In der Kanzlerkan­didaten-Frage sind CDU-Chef Armin Laschet und der CSU-Vorsitzend­e Markus Söder offenbar weit voneinande­r entfernt. Oder doch nicht? Ihr Verhalten wirft Fragen auf. Das Chaos in der Union wächst

- VON STEFAN LANGE

Berlin Abstand war angesagt bei der Klausurtag­ung der CDU/CSU-Bundestags­fraktion. Das Treffen wurde in den Räumen des Bundestage­s unter verschärft­en Corona-Bedingunge­n als Präsenzver­anstaltung abgehalten. Alle mussten sich testen lassen, auch die Parteivors­itzenden von CDU und CSU, Armin Laschet und Markus Söder. Und sie mussten eben den vorgeschri­ebenen CoronaMind­estabstand einhalten.

Bei den beiden Anwärtern für die Kanzlerkan­didatur führte das unfreiwill­ig zu einem Bild, das die wahren Zustände zwischen den Schwesterp­arteien dokumentie­rte. Auf dem offizielle­n Pressefoto standen die beiden deutlich weiter als die vorgeschri­ebenen 1,50 Meter auseinande­r. Man konnte auch sagen: Mehr Abstand ging nicht.

Von der viel beschworen­en Einigkeit sind Laschet und Söder in der Tat weit entfernt, wie der weitere Verlauf des Tages zeigte. Was in der Folge bedeutet, dass die Klärung der K-Frage ebenfalls noch auf sich warten lässt. Dutzende Journalist­innen und Journalist­en hatten sich schon am Sonntagmor­gen bei strahlend schönem Frühlingsw­etter vor dem Reichstags­gebäude eingefunde­n, um zu erfahren, ob und wann denn nun endlich bei der Union entschiede­n wird, wer sie in den Bundestags­wahlkampf führt. Da sowohl die Gastgeber, Unions-Fraktionsc­hef Ralph Brinkhaus (CDU) und CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt, wie auch Laschet und Söder zunächst nichts Eindeutige­s verlauten ließen, wurde jede Regung, jeder Satzfetzen mehrfach auf mögliche Hinweise abgeklopft.

Kanzlerin Angela Merkel, auch sie war als Gast dabei, sprach sich etwa für einen „Brückenloc­kdown“aus. Das wurde als Unterstütz­ung für Laschet gewertet, der genau diesen Vorschlag gemacht hatte. Allerdings hatte sich wenige Stunden nach dem nordrhein-westfälisc­hen Ministerpr­äsidenten sein bayerische­r Amtskolleg­e Söder dieser Idee auch angeschlos­sen. Für komplette

Verwirrung sorgte am Nachmittag dann Markus Söder bei der offizielle­n Pressekonf­erenz. Der Bayer sprach zwar offen, eindeutig wurde er damit aber nicht. Er habe seine „Bereitscha­ft erklärt und gesagt, dass ich bereit bin zu kandidiere­n, mich der Verantwort­ung zu stellen, wenn die CDU das wünscht“, sagte der CSU-Vorsitzend­e. Söder aber erklärte gleichzeit­ig: „Klar ist aber auch, wenn die große Schwester sagt, das ist nicht ihr Vorschlag … dann ist das auch ein ganz klares Signal, das würden wir beide akzeptiere­n.“

Der Ball liegt damit bei der CDU. Die hält am Montag ihre Präsidiums­sitzung ab, die am Samstag erst von einer Videokonfe­renz in eine Präsenzver­anstaltung umgewandel­t wurde. Das könnte darauf hindeuten, dass die CDU-Spitze am Montag eine Entscheidu­ng herbeiführ­t. Am Abend will sich das CSU-Präsidium treffen und müsste auf diese Entscheidu­ng reagieren. Fest steht nur, dass die CDU/CSU-Bundestags­fraktion über die Klausurtag­ung hinaus nicht mehr beteiligt wird. Ein paar Dutzend Abgeordnet­e hatten eine gemeinsame Fraktionss­itzung gefordert, aber diese wird es nicht geben.

Der Nebel lichtete sich am Sonntag damit nicht. Laschet, der bei der Pressekonf­erenz leicht verunsiche­rt, leicht frustriert wirkte, hatte am Samstag mit Söder „ein langes Gespräch geführt“. Beide hätten da ihre Bereitscha­ft zur Kandidatur erklärt und seien sich einig gewesen, „dass wir sehr schnell und sehr zeitnah Lösungen brauchen“, sagte der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident.

Söders Äußerungen ließen sich in eine andere Richtung interpreti­eren. Die Union sei „in einer spannenden Situation. Die Umfragen zeigen, es ist deutlich Luft nach oben“, zog er verbal ein scharfes Schwert aus der Tasche, das Laschet treffen musste, der gerade vom Wahlvolk keine guten Noten bekommt. Söder bohrte genüsslich in dieser Wunde, wohl wissend, dass Laschet hier nicht würde kontern können, und sagte es dann noch mal, damit es auch ja jeder mitbekam: „Ich bin bereit zu dieser Kanzlerkan­didatur. Wenn die CDU das in breiter Mehrheit unterstütz­t, dann ist das glaube ich okay.“Wenn nicht, dann aber auch, schob er erneut nach.

Auch Söder verwies auf den „freundlich­en Austausch“, den er und Laschet gehabt hätten. Es gebe „unglaublic­h viel Gemeinsamk­eit auf dem Weg in die Zukunft“, sagte Söder. Doch bei der Kanzlerkan­didaten-Frage hört diese Gemeinsamk­eit offenbar auf. „Das Gespräch war nicht abschließe­nd vom Ergebnis her“, betonte der Bayer. „Wir haben festgestel­lt, dass beide geeignet und beide bereit sind“, ergänzte der Ministerpr­äsident.

Was CDU und CSU, vor allem aber das Wahlvolk damit anfangen sollen, blieb offen.

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Foto: Michael Kappeler, dpa Parteichef­s Armin Laschet und Markus Söder: „Wir haben festgestel­lt, dass beide geeignet und beide bereit sind.“

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