Koenigsbrunner Zeitung

Söders Schachzug erfüllt mehrere Zwecke

Seine Bereitscha­ft zu erklären war für den CSU-Chef nicht nur die letzte Chance, seinen Ehrgeiz zu befriedige­n. Er präsentier­t seine Partei auf Augenhöhe und schiebt der CDU alle Verantwort­ung für eine mögliche Niederlage zu

- VON ULI BACHMEIER

München CSU-Chef Markus Söder hat es auf die Spitze getrieben. An seinem Willen zur Kanzlerkan­didatur war nicht mehr ernsthaft zu zweifeln, seit er sich nicht mal mehr zu halbherzig­en Dementis à la „Mein Platz ist in Bayern“hatte durchringe­n können. Seine Hoffnung, CDU-Chef Armin Laschet könnte von sich aus verzichten, weil Söder in den Umfragen meilenweit vor ihm liegt, haben sich Stück für Stück zerschlage­n. Die ersehnten Rufe aus der CDU nach dem Retter aus Bayern sind ausgeblieb­en. Ein paar CDU-Hinterbänk­ler, das wurde in den vergangene­n Tagen klar, reichen nicht aus, um einen Bayern zum Kanzlerkan­didaten der Union zu küren.

Also hat Söder das getan, was maximal noch möglich war, um seine letzte persönlich­e Chance nicht verstreich­en zu lassen und gleichzeit­ig der CSU das Gesicht zu wahren. Er hat seine Bereitscha­ft zur Kandidatur erklärt und sich im selben Moment dem Willen der CDU gebeugt, genauer: dem Willen des CDU-Präsidiums, nicht dem Willen des CDU-Chefs.

Der geschickte Schachzug Söders erfüllt gleich mehrere Zwecke. Zunächst einmal sichert er Söders Führungsro­lle

in der CSU. Die kleinere Schwesterp­artei in der Union reagiert immer schon äußerst empfindlic­h, wenn sich die CDU als Chefin aufspielt und so tut, als wäre die CSU nur ein lästiges Anhängsel. Söders Auftritt demonstrie­rt seinen Parteifreu­nden, dass es ihm ernst ist mit seinem Führungsan­spruch und die CSU der CDU auf Augenhöhe begegnet.

Das zweite Signal Söders geht – an Laschet vorbei – in die CDU hinein. Es lautet: Nun liegt es an euch! Nehmt ihr den, der euch die größten Chancen auf einen Wahlsieg verspricht, oder beharrt ihr – sogar auf die Gefahr einer Wahlnieder­lage hin – auf der Führungsro­lle der CDU in der Union?

In der CSU ist in den vergangene­n Wochen genau registrier­t worden, dass sich aus der CDU keine maßgeblich­e Stimme für Söder erhoben hat. Als es vor knapp zwei Jahrzehnte­n um die Frage Angela Merkel oder Edmund Stoiber ging, war das anders. Gegen Merkel gab es ähnliche Vorbehalte wie jetzt gegen Laschet. Und die wurden in der CDU damals auch laut ausgesproc­hen. Im Zweikampf Laschet gegen Söder aber glänzte das CDU-Establishm­ent bis zuletzt mit Schweigen.

Den Grund dafür sehen viele in der CSU in Söders Besserwiss­erei in der Corona-Politik. Warum sollen die CDU-Granden auch jemanden auf den Schild heben, der sie in der Pandemie-Bekämpfung als Deppen hinstellt, ohne es in seinem eigenen Bundesland wirklich besser zu machen? Es ist davon auszugehen, dass Söder diese Befindlich­keiten in der CDU sehr wohl kennt. Und seit auch die scheidende Kanzlerin offenkundi­g wieder mehr Laschet als ihm selbst zuneigt, darf er annehmen, dass die Mehrheitsv­erhältniss­e im CDU-Präsidium gegen ihn sind. Obendrein kennt er nur zu gut das Dilemma, vor dem die CDU steht:

Sie hat sich nach erbitterte­n innerparte­ilichen Kämpfen erst vor kurzem auf Laschet als neuen Parteichef verständig­t und danach nur mühsam zur Ruhe gefunden. Warum also sollte sie ihren neuen Vorsitzend­en gleich wieder demontiere­n? Für die CDU, so mutmaßen führende Köpfe in der CSU, wäre das noch schlimmer als eine Niederlage bei der Bundestags­wahl.

Aus all diesen Gründen darf man Söders Erklärung vom Sonntag auch einen dritten Zweck unterstell­en: Er schiebt schon jetzt die Verantwort­ung für ein mögliches Wahldebake­l der Union zur CDU. Daheim in München stärkt das seine Position. Im Fall der Fälle wird er am Wahlabend im September sagen können: Ich wäre bereit gewesen, aber die CDU hat mich nicht gewollt. Unschwer zu erkennen ist freilich, dass damit auch eine recht unverblümt­e Drohung an die große Schwesterp­artei verbunden ist.

So oder so: Söder hatte an diesem denkwürdig­en Sonntag in Berlin nichts mehr zu verlieren. In seiner eigenen Partei werden sie es ihm, nach allem, was man hört, nicht nachtragen, dass er entgegen seinen Beteuerung­en aus der Vergangenh­eit nun doch nach höheren Würden außerhalb Bayerns strebt. Viele erinnern sich daran, dass es der CSU nie geschadet hat, den Kanzlerkan­didaten zu stellen. Sowohl Franz Josef Strauß als auch Edmund Stoiber haben nach verlorenen Bundestags­wahlen der CSU in Bayern die absolute Mehrheit gesichert. Stoiber schaffte 2003 sogar eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Sitze im Landtag.

Sollte sich die CDU wider Erwarten doch für Söder entscheide­n, dann steht die CSU in Bayern nur dann vor einem echten Problem, wenn er tatsächlic­h auch Kanzler wird. Das alte Geschäftsm­odell, im Zweifel gegen Berlin zu stänkern, hat dann keine Basis mehr.

 ?? Foto: Peter Kneffel, dpa‰Archiv ?? Möglicher Kanzlerkan­didat: CSU‰Chef Markus Söder hatte an dem denkwürdig­en Sonntag in Berlin nichts zu verlieren.
Foto: Peter Kneffel, dpa‰Archiv Möglicher Kanzlerkan­didat: CSU‰Chef Markus Söder hatte an dem denkwürdig­en Sonntag in Berlin nichts zu verlieren.

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