Bauern suchen auch dieses Jahr Erntehelfer
Um die Ernte zu sichern, verlassen sich Landwirte in der Corona-Krise nicht mehr nur auf Saisonarbeiter aus dem Ausland. Einheimische Helfer, darunter Studenten, finden sie über ein Online-Portal. Wie gut das funktioniert
Neuburg an der Donau Als im März 2020 der erste Corona-Lockdown in Kraft trat, versetzte er Landwirte in eine Schockstarre: Die Grenzen waren geschlossen, Saisonarbeiter aus dem Ausland durften nicht einreisen und Bauern standen vor der bangen Frage: Was wird aus unserer Ernte? Auf deutschen Feldern ackern jedes Jahr gut 300000 Arbeitskräfte, die meisten stammen aus Rumänien. Etliche von ihnen blieben angesichts der Infektionsgefahr im vergangenen Jahr lieber in der Heimat – auch, als Einreiseverbote schrittweise gelockert wurden. Auf vielen Betrieben kamen Studenten und freiwillige Helfer aus dem Inland zum Einsatz. Doch wie ist die Lage im zweiten Corona-Frühjahr? Und wie funktioniert Infektionsschutz bei der Feldarbeit?
In der Birkenschwaige bei Ingolstadt blickt man gelassen auf den Saisonstart. Landwirt Stefan Froschmeir baut auf seinen Äckern im Süden von Neuburg Zuckerrüben und Karotten an – und benötigt etwa ein Dutzend Helfer zum Unkrauthacken. „Ich plane mit einer Hybrid-Lösung, also: Saisonkräfte aus dem Ausland und Helfer aus der Region.“Vier Saisonarbeiter haben ihm schon zugesagt. „Allerdings verfolge ich täglich die Corona-Lage, denn wer weiß, wie sie sich entwickelt.“Genau deshalb will Froschmeir auch die Helfer aus der Region nicht missen.
Insgesamt sei es für ihn als Landwirt nun definitiv einfacher als vor einem Jahr, so Froschmeir: „Für die Arbeit und Unterbringung von Saisonkräften gibt es klare Regeln und von Behördenseite verläuft vieles geregelter.“Dabei gilt für Saisonkräfte, dass sie maximal zu zweit in einem Zimmer untergebracht werden dürfen, bei der Arbeit und auf dem Weg dorthin sollten die Hausstände getrennt bleiben und maximal vier Helfer in einer Arbeitsgruppe eingeteilt werden. Im Spargelanbau sind die Regeln angesichts der vielen Saisonarbeiter aus dem Ausland eine Herausforderung. Für die Birkenschwaige sind die Vorgaben dagegen kein Problem: „Unsere wenigen Helfer bringen wir in den Zimmern der Einliegerwohnung unter und für die Fahrt zur Arbeit nutzen sie meist ihr Privatauto.“
Vergangenes Jahr war die Lage in der Landwirtschaft weitaus kritischer, bundesweit drohte der Ausfall von 60 000 bis 70 000 Saisonkräften aus dem Ausland. „Gleichzeitig hatten wir die Situation, dass zehn Millionen Deutsche auf einen Schlag von Kurzarbeit betroffen waren“, erinnert sich Erwin Ballis, Geschäftsführer des Bundesverbands der Maschinenringe. Die Vereinigung, in der sich Landwirte gegenseitig unterstützen, hat Jahrzehnte lange Erfahrung in der Vermittlung von Fachkräften an Betriebe, doch nicht in diesem Ausmaß. Schnell war die Idee geboren für eine Plattform, die zwei Fragen beantwortet: Wo sind die Landwirte, die noch Helfer brauchen? Und wo sind freiwillige Helfer, die in der Krise mehr Zeit haben als sonst? Bei ihrem Start übertraf die Jobbörse „Das Land hilft“alle Erwartungen, sagt Ballis. „Jede Stunde kamen 400 neue Gesuche auf die Seite, es waren viel mehr Helfer zur Verfügung, als unsere Landwirte brauchen konnten.“
Mit ihrer Plattform „Das Land hilft“haben die Maschinenringe nicht nur unter Landwirten, sondern vor allem inmitten der Gesellschaft einen Nerv getroffen. Ob Hopfen andrehen, Unkraut hacken, Spargel stechen oder Erdbeeren pflücken: Die Sehnsucht, aus der Wohnung hinauszukommen und etwas anzupacken, war im FrühjahrsLockdown 2020 weit verbreitet, sagt Ballis rückblickend. „Mehr als 170000 Helfer haben sich angemeldet, 30000 haben wir in Lohn und Brot gebracht.“
Freilich nicht jeder Landwirt ließ sich auf das Experiment ein, Studenten und Freiwillige statt Stammkräfte aufs Feld zu schicken. „Auch wir hatten anfangs Bedenken, ob alles gut geht“, räumt der Geschäftsführer der Maschinenringe ein. Doch am Ende hätte sich nicht ein Landwirt gemeldet, der sauer auf seine Helfer gewesen wäre, sagt Ballis. Grundsätzlich sei er der Meinung, dass deutsche genauso arbeiten könnten wie ausländische Kräfte. Es sei nur aus der Mode gekommen, einen Ferienjob auf dem Feld zu machen. Bei aller Euphorie in Corona-Zeiten habe es auch Abbrecher gegeben, denen die Arbeit gar nicht lag. „Die haben sich dann meist nach zwei, drei Tagen wieder verabschiedet.“
Gerade solche Fälle steigern für Landwirte Aufwand und Kosten.
Das bekam auch Stefan Froschmeir zu spüren. „Wir hatten 20 Prozent mehr Personalkosten, aber nicht weil Saisonarbeiter aus dem Ausland schneller arbeiten.“Eher liege es an der sehr hohen Zahl der Helfer, für die Anmeldung, Einarbeitung und Abrechnung zu Buche schlagen. „Wer uns in diesem Jahr unterstützt, sollte mindestens fünf Tage im Einsatz sein, sonst rentiert sich der Bearbeitungsaufwand für uns und den Steuerberater einfach nicht.“Dass so viele Helfer zu ihm aufs Feld gekommen sind, bewertet der Landwirt aber insgesamt positiv: „Über die Jobbörse haben wir viele neue zuverlässige Helfer gefunden. Weil unser Anbau witterungsabhängig ist, können wir jetzt flexibler agieren.“
Diskussionen habe es anfangs um den Lohn der Helfer gegeben, erzählt Maschinenringe-Geschäftsführer Ballis. „Für uns war klar, dass es möglichst mehr als Mindestlohn sein sollte.“So mancher Helfer habe sich über die Jobbörse gemeldet und wollte 25 Euro pro Stunde verdienen. „Denen hat der Landwirt erst einmal vorgerechnet, was das Kilo Erdbeeren bei diesem Lohn kosten müsste“, sagt Ballis und lacht. Genau diesen Nebeneffekt wollten Ballis und sein Team erreichen: Dass unter den Helfern und in der Bevölkerung wieder mehr Verständnis für die Landwirtschaft entsteht. „Und wir wollten zeigen, dass wir uns in Deutschland als Gesellschaft auch selbst helfen können.“
Auch wenn der ganz große Hype auf die Jobbörse der Maschinenringe vorbei ist: Hilfe auf den Feldern können Landwirte auch dieses Jahr gebrauchen. Mehr als 124 Betriebe haben ihre Gesuche eingetragen, besonders viele aus dem Hopfenanbau in der Hallertau. Aber auch in unserer Region können Helfer tätig werden, etwa beim Zuckerrübenhacken im nordschwäbischen Möttingen oder beim Erdbeeranbau in Prittriching
südlich von Augsburg und in Oberrieden im Unterallgäu.
Spargel wird in Bayern bereits seit einigen Tagen gestochen. Nachdem im vergangenen Jahr viele Helfer aus dem Ausland zeitweise nicht einreisen konnten, besteht dieses Jahr eine Corona-Testpflicht bei der Einreise. Einreisen dürfen ausländische Arbeiter nur mit einem negativen PCR-Test. Anschließend müssen sie fünf Tage in Quarantäne. Fällt ein zweiter PCR-Test erneut negativ aus, kann die Arbeit beginnen. In normalen Jahren helfen laut Bauernverband in Bayern im Schnitt rund 30000 Saisonkräfte – bei Spargel, Beeren, Feldsalat oder Hopfen.
Der SPD in Bayern reicht die Testpflicht nicht aus. Zum Schutz vor Corona-Infektionen fordert Generalsekretär Uli Grötsch engmaschige Kontrollen auf den Erntehöfen – notfalls auch durch die Bundeswehr. „Die Bedingungen auf den Höfen haben schon im vergangenen Jahr zu gehäuften Corona-Ausbrüchen in der Region geführt und teils unwürdige Zustände bei der Unterbringung osteuropäischer Erntehelfer offenbart. Das darf sich durch mangelnde Kontrollen keinesfalls wiederholen.“
Dem Bayerischen Bauernverband und dem Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer zufolge sind die Betriebe sehr bemüht, die strengen Auflagen umzusetzen. Die Landwirte müssen in weitere Unterkünfte, Masken, Handschuhe und andere Hygiene-Maßnahmen investieren.
Auch dieses Jahr werden heimische Helfer gesucht Arbeit mit Erdbeeren oder Zuckerrüben