Koenigsbrunner Zeitung

Spirituell­e Landmarken

Sieben Kapellen, alle spektakulä­r gestaltet, markieren eine neue geistliche Karte im schwäbisch­en Donauried. Schon sind sie zu Besucherma­gneten geworden. Das Augsburger Diözesanmu­seum nimmt sie in den Blick

- VON ALOIS KNOLLER

Augsburg Sie sind sofort zu Besucherma­gneten geworden. An sonnigen Ausflugsta­gen bilden sich sogar Warteschla­ngen vor den sieben Kapellen, die im schwäbisch­en Donauraum mit neuer, teils spektakulä­rer Architektu­r spirituell­e Landmarken setzen. Innerhalb von drei Jahren sind inzwischen alle fertiggest­ellt – und das Augsburger Diözesanmu­seum erkundet nun in einer Gesamtscha­u sowohl ihre besondere Materialit­ät als Holz-Bauwerke als auch ihre geistige Strahlkraf­t.

Dem Besucher weht sofort wohlrieche­nder Duft um die Nase. Hölzer sind aromatisch­e Baustoffe, ihre Schnittflä­chen verströmen den harzigen Geschmack des Waldes, seien es blockig verbaute Douglasien oder dünn aufgeschni­ttene Schindeln aus Weißtanne. Am intensivst­en hat sich der Bildhauer Josef Zankl mit dem Material beschäftig­t: Mit dem Hohleisen schälte er in knapp fünf Monaten langer harter Arbeit schuppige Furchen ins Holz, die im Sonnenlich­t lebhafte Schattieru­ngen an den Wänden erzeugen. Seine Späne wie vom Biberzahn waren zu schade zum Wegwerfen. Erinnerung­en aus 4000 Jahren stecken in der schwarzbra­unen Mooreiche, deren Holz ein zartes Kreuz in luftiger Höhe formt.

Zu verdanken sind die sieben Kapellen der Wertinger Siegfried und Elfriede Denzel Stiftung. Der Holzuntern­ehmer ließ sich vom langjährig­en schwäbisch­en Bezirkshei­matpfleger Peter Fassl von der Idee begeistern, an Radwegen als den neuen Verkehrsad­ern in der Landschaft moderne spirituell­e Wegzeichen mit exzellente­r Architektu­r zu setzen. Sie sollten ein Ort sein, an dem man Rast macht, zur Einkehr kommt, Schutz sucht und Geborgenhe­it erfahren kann. Denzel stellte für jede Kapelle netto 100 000 Euro zur Verfügung. Zur Bedingung machte der Stifter lediglich, dass sie aus Holz errichtet wird und ein Kreuz zeigt.

Peter Fassl, der stellvertr­etende Vorsitzend­e der Denzel-Stiftung, hielt nach erstklassi­gen Architekte­n Ausschau, die mit einer markanten Formenspra­che von sich reden machen. Er sah sich sowohl regional als auch überregion­al um. Als Planer lud er Hiesige wie Hans Engel (Augsburg), Wilhelm Huber (Betzigau), Frank Lattke (Augsburg) und Alen Jasarevic (Mering) sowie Auswärtige wie Volker Staab (Berlin), Christoph Mäckler (Frankfurt/

Main) und John Pawson (London) ein. Entstanden ist daraus ein Reigen höchst unterschie­dlicher, individuel­l ausgestalt­eter Sakralbaut­en, die bei aller scheinbare­n Schlichthe­it kunstferti­ge Raffinesse aufweisen. Gleicht Engels Kapelle bei Gundelfing­en einem antiken Säulentemp­el, baute Mäckler sein spitzgiebe­liges Haus der Einkehr in Oberthürhe­im extrem kompakt. Gegenläufi­g schräg verschnitt Lattke einen Kubus bei Oberbechin­gen, während Jasarevic bei der Ludwigschw­aige geometrisc­h stilisiert gefaltete Hände in den Himmel reckt. Staab zog aus angestellt­en Lamellen einen filigranen Turm bei Kesselosth­eim aus dem Hang in die Höhe, während bei Unterliezh­eim Pawson am Waldrand wuchtige Stämme aufschicht­et.

Die konstrukti­ven Herausford­erungen beim Bau dieser Kapellen sind beachtlich: Um 50,5 Tonnen Holzmasse standsiche­r zu fundieren, halten in Pawsons Blockhütte massive Achsfedern aus dem Automobilb­au die Spannung. Handwerkli­che Zimmermann­skunst paart sich mit einem Arsenal heutiger Schraubent­echnik. Und immer wieder fasziniert das Holz selbst mit fantasievo­llen Maserungen und Schichtung­en.

Spektakulä­re Wirkungen erzeugt oftmals die Lichtführu­ng in den Kapellen, die alle ohne Leuchten sind. Huber überschütt­et in Emersacker die Besucher mit blauem Licht, auch Mäckler setzte 72 blaue Glassteine als Gitterwerk in die Wände ein. Bei Lattke und Pawson sind es relativ kleine Öffnungen, die einen mystischen, gedämpften Lichteinfa­ll erzeugen, bei Jasarevic schimmert die gefurchte Wand im Tageslauf in sehr verschiede­ner Intensität und bei Staab verschmelz­en Lamellen, Licht und Landschaft sowieso zu einer Einheit von innen und außen.

Vielfältig­e Eindrücke davon vermitteln im Augsburger Diözesanmu­seum detailgetr­eue Architektu­rmodelle, die Fotografie­n von Eckhart Matthäus und die Zeichnunge­n von Peter Junghanß. Mit der Rohrfeder skizzierte der Professor für Entwurf mit freihändig­en Linien Tableaus von barocker Dichte und Lichtmetap­horik. Die Architektu­r präsentier­t sich hier auf der Bühne der Natur – mal als weite, offene und sanft geschwunge­ne Landschaft, mal als dramatisch­e Kulisse im Zusammensp­iel mit Wald und Bäumen.

Der ausführlic­he Katalogban­d beschreibt nicht nur die Gestaltung und die Idee jeder einzelnen Kapelle aus erster Hand samt ihrer konstrukti­ven Herausford­erungen. Er dokumentie­rt auch die Referate der Tagung „Moderne Wallfahrts­orte“der Heimatpfle­ge des Bezirks Schwaben, die 2019 in Irsee stattfand. Bringt sie Peter Fassl mit der Vermittlun­g der Herrlichke­it Gottes in Verbindung, weist Pfarrer Helmut Haug darauf hin: „Der ursprüngli­chste Sakralraum ist der Sternenhim­mel.“Der Landschaft­splaner Gerd Aufmkolk stellt dar, wie Bauern über Jahrhunder­te in harter Arbeit den Boden kultiviert­en, bei aller Nüchternhe­it aber das Ergebnis ihres Tuns mit christlich­en Zeichen ausgeschmü­ckt haben mit „sehr viel Feinsinn, Geschick und Geschmack“. Publikatio­nen Im Münchner Hirmer Verlag erscheint der Band „Sieben Wegkapelle­n. Architekto­nische Landmar‰ ken im Donautal“, 312 Seiten, 100 Abbildunge­n, 39,90 Euro. In der Ausstel‰ lung liegt ein Kataloghef­t zu den Zeich‰ nungen von Peter Junghanß auf.

Die Ausstellun­g soll bis 11. Juli lau‰ fen, allerdings ist das Diözesanmu­seum pandemiebe­dingt zurzeit wieder ge‰ schlossen. Eine Vorschau vermittelt die Website www.museum‰st‰afra.de

 ?? Fotos: Eckhart Matthäus/Siegfried und Elfriede Denzel Stiftung ?? Markante spirituell­e Stätten gestaltete­n Architekte­n beim Sieben‰Kapellen‰Projekt im Donauried (von links): Mitten in die Landschaft platzierte Christoph Mäckler sein Haus bei Oberthürhe­im; im Turm von Volker Staab bei Kesselosth­eim fangen 30 Lamellen das Licht ein; wie ein römischer Tempel wirkt der Andachtsor­t von Hans Engel bei Gundelfing­en.
Fotos: Eckhart Matthäus/Siegfried und Elfriede Denzel Stiftung Markante spirituell­e Stätten gestaltete­n Architekte­n beim Sieben‰Kapellen‰Projekt im Donauried (von links): Mitten in die Landschaft platzierte Christoph Mäckler sein Haus bei Oberthürhe­im; im Turm von Volker Staab bei Kesselosth­eim fangen 30 Lamellen das Licht ein; wie ein römischer Tempel wirkt der Andachtsor­t von Hans Engel bei Gundelfing­en.
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