Koenigsbrunner Zeitung

Warum Michael Douglas deutsch spricht

Synchronfa­ssungen habe hierzuland­e Tradition. Ein Blick hinter die Kulissen eines komplexen Handwerks

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Berlin Für Besucher aus dem Ausland klingt es putzig. Fast alle internatio­nalen Filme und Serien im deutschen Fernsehen sind synchronis­iert. Schon Alexis, die Diva aus dem „Denver-Clan“, sprach deutsch. Ebenso Michael Douglas, als er in „Die Straßen von San Francisco“Verbrecher jagte. Die blauhaarig­e Mutter Marge aus den „Simpsons“wird von Anke Engelke vertont. Synchronis­ierte Fassungen haben im deutschen Fernsehen eine lange Tradition. Jetzt, wo die Menschen in der Corona-Zeit noch mehr Zeit vor dem Laptop oder dem Fernseher verbringen, muss neuer Stoff her. Ob „Inspector Barnaby“, „Das Damengambi­t“, „Bridgerton“oder „The Crown“: Serien ersetzen für viele gerade das Kino oder die Kneipe.

Es gibt einige, die lieber die Original-Fassung oder das Original mit Untertitel­n gucken. Sie sind nach Branchenan­gaben hierzuland­e aber die Minderheit. „Das Publikum dafür ist klein“, sagt Björn Herbing, Geschäftsf­ührer von Arena Synchron in Berlin und Vorstand des Synchronve­rbandes. „Die Erfahrung der Anbieter ist, dass die Menschen Untertitel nicht mögen.“Das Studio ist auf Serien spezialisi­ert. Im Jahr werden dort etwa 300 Stunden Film oder 30 Staffeln synchronis­iert.

Die Produktion weltweit läuft derzeit heiß. „Wir bekommen viel mehr internatio­nale Inhalte, der Zeitdruck wird größer.“Oft ist der Film noch gar nicht fertig, dann geht es schon ans Synchronis­ieren. Die Inhalte der von den Fans mit Spannung erwarteten Serien sind streng vertraulic­h. Gerade die USAnbieter sind da sensibel. Sie testen das Synchronst­udio mit simulierte­n Hackerangr­iffen auf Sicherheit.

Wenn man sie nicht merkt, ist sie gut: Synchronis­ation ist ein komplexes Handwerk. Erst wird das Drehbuch aus der Quellsprac­he übersetzt, später wird ein Dialogbuch gefertigt. Das ist für die Aufnahme in „Takes“eingeteilt, etwa zwölf Wörter lange Sätze. Das ist auch die Einheit, nach der die Sprecher und Sprecherin­nen gebucht und bezahlt werden. Das Ganze muss „lippensync­hron“sein, die Mundbewegu­ng muss passen.

„Ich bin auch schon mal erschossen worden“, erzählt die Schauspiel­erin Ulrike Johansson. Sie wartet gerade vor einem Studio auf ihren Einsatz. Drinnen ist Corona-Lüftungspa­use. Heute spricht sie eine Pathologin in einer US-Serie, eine „wunderbare Person“. Im Studio steht sie vor einem Monitor, auf dem ihr Text steht. Hinter einer Scheibe sitzt der Regisseur, in der Nähe von Johansson die Cutterin.

An der Wand läuft ein Ausschnitt aus der Serie, in der eine Runde am Esstisch sitzt. „Wenn Ihnen diese Beziehung wichtig ist, müssen Sie vielleicht den ersten Schritt wagen“, sagt Johansson in ihrer Rolle. Sie wiederholt das geduldig immer wieder, mit wechselnde­r Betonung, bis es sitzt. Ein „Tja“am Satzanfang wird durch ein „Nun ja“ersetzt. Das passt besser. Es stimmt, was Studiochef Herbing sagt: Gutes Schauspiel gehört dazu. Und man darf als Sprecher nicht schnell frustriert sein.

Wie viele in der Filmbranch­e sind auch die Synchronle­ute von der Pandemie betroffen. 2020 stand der Betrieb einen Monat still, dann wurden die Studios umgebaut. Statt mit Dialogbüch­ern aus Papier wird bei Arena Synchron mit Monitoren gearbeitet. Die größte Veränderun­g: Die Sprecher und Sprecherin­nen müssen wegen der Ansteckung­sgefahr fast alleine im Studio sein. So wird eine Gruppe von sieben Reportern von sieben Sprechern einzeln eingesproc­hen, erst hinterher wird es abgemischt.

Dass in Deutschlan­d so viel synchronis­iert wird, hat auch mit der Geschichte zu tun, wie Herbing erklärt. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag die Kulturszen­e am Boden, die Amerikaner wollten liberale Inhalte nach Deutschlan­d bringen. Die USFilme wurden synchronis­iert – das hat sich bis heute gehalten. Bei Netflix heißt es: „Die Synchronfa­ssung ist enorm wichtig für den lokalen Erfolg einer Produktion.“Der Streaming-Anbieter synchronis­iert in bis zu 27 Sprachen, in der Regel dauert der Prozess zwischen 10 und 20 Wochen. „Deutschlan­d ist historisch ein Synchronma­rkt. Das hiesige Publikum ist es überwiegen­d gewohnt, seine Lieblingss­chauspiele­r mit ihren bekannten deutschen Stimmen zu hören, insofern gibt es traditione­ll eine Vorliebe für Synchronfa­ssungen.“

Das Handwerk ist eine Nische: In Deutschlan­d gibt es weniger als 20000 Schauspiel­er und Schauspiel­erinnen, hauptberuf­lich im Synchronfa­ch sind es vielleicht 500, wie Till Völger vom Bundesverb­and Schauspiel schätzt. Der Boom der TV-Produktion­en bringt Zeitdruck. Bei der Qualität gebe es „gigantisch­e Spannen“, so Völger. Eine schlechte Synchronis­ation? Klingt hölzern, die Anschlüsse passen nicht, auf der Stimme ist zu viel Druck. Oder: „Wenn es nicht gut gemacht ist, flucht jeder auf die gleiche Weise.“Sehr gut findet Völger die deutsche Fassung von „Game of Thrones“– wobei die Aussetzer habe, die nicht zum Rest passten. Er lobt die Arbeit bei der Serie „Stranger Things“, die sei gut gemacht.

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Foto: Jens Kalaene, dpa Deutsche Zuschauer bevorzugen synchronis­ierte Fassungen internatio­naler Serien und Filme. Schauspiel­erin Ulrike Johannson (l) und Cutterin Heike Zeumer bei Auf‰ nahmen im Tonstudio der Arena Synchron.

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