Koenigsbrunner Zeitung

Vom Wollmarkt blieb nur der Name

Im einstigen Dominikane­rinnenklos­ter bei der Kirche St. Margareth am Fuß des Milchbergs fanden Wolle- und Hopfenmärk­te statt. Die Waage befindet sich jetzt im Fugger-und-Welser-Museum

- VON FRANZ HÄUSSLER

Die Bezeichnun­g „Wollmarkt“für die Reste eines Dominikane­rinnenklos­ters bei der Kirche St. Margareth am Fuß des Milchbergs sorgt oftmals für Stirnrunze­ln. Man kennt die imposanten Arkaden an der Ostseite des gepflaster­ten Hofes, ansonsten ist der Bautenkomp­lex als Teil des Seniorenhe­ims „Paritätisc­hes Hospital-Stift St. Margaret“geläufig. Dass im Hof und im Kapitelsaa­l des einstigen Klosters über 60 Jahre lang Schafwolle gelagert und vermarktet wurde, ist nur mehr in der Marktgesch­ichte nachlesbar. Der erste Wollmarkt fand hier anno 1855 statt, der letzte 1914. Schafwolle benötigten einst vor allem die Lodweber und die Hutmacher. Mit Beginn des Industriez­eitalters stieg die Nachfrage nach Schafwolle immens. 1825 wurde in Augsburg die erste mechanisch­e Schafwolls­pinnerei eingericht­et. Um von der steigenden Nachfrage zu profitiere­n, richtete die Stadt Augsburg 1835 einen Markt für Schafwolle ein. Die erste „Markt

war die St.-Salvator-Kirche an der Jesuitenga­sse (1871 abgebroche­n). Fortan lud die Stadt alljährlic­h im Juni zu einem mehrtägige­n Schafwollm­arkt ein.

Anno 1838 wurden 1284 Zentner angeboten, 1852 konnte eine Umsatzstei­gerung auf 2201 bayerische Zentner (à 56 kg) verzeichne­t werde. 195.371 Gulden wurden dafür bezahlt. 1855 folgte die Verlegung des Wollmarkts von der profaniert­en Jesuitenki­rche in einstige Klostergeb­äude der Dominikane­rinnen unterhalb des Milchbergs. Der Kapitelsaa­l hieß fortan „Wollmarkth­alle am Roten Tor“. Bald bekam sie einen Zusatz: „Hopfen- und Wollmarkth­alle“. Die Stadt veranstalt­ete dort nicht nur im Sommer einen Wollmarkt, sondern im Winterhalb­jahr allwöchent­liche Hopfenmärk­te.

Der Donnerstag war Hopfenmark­ttag. Angeliefer­t wurde Hopfen in Riesensäck­en aus weit entfernten Anbaugebie­ten – sogar aus Böhmen. Abnehmer gab es in und um Augsburg in Fülle: In der Stadt brauten um 1850 fast 100 Wirtschaft­en und Brauereien Bier. Auch die Brauereien in der Region deckten sich in Augsburg mit Hopfen ein. Im Sudjahr 1856/57 wurden 170.607 bayerische Pfund (nach dem Dezimalgew­icht 95,5 Tonnen) für insgesamt 138.160 Gulden bei den Augsburger Hopfenmärk­ten verkauft. Als im Jahr 1868 neue gelockerte Handelsund Gewerbeges­etze in Kraft traten, verlor der Augsburger Hopfenmark­t an Bedeutung. Großhändle­r mussten den Hopfen nicht mehr auf Märkten anbieten, sondern durften Brauereien direkt beliefern.

Der Wollmarkt dagegen florierte noch jahrzehnte­lang. Die Augsburhal­le“ ger Kammgarn-Spinnerei (AKS) verarbeite­te ausschließ­lich Schafwolle. Das Ende des Augsburger Marktes kam nicht aufgrund von Angebotsma­ngel oder geringer Nachfrage. 1914 fand der Wollmarkt vom 8. bis 10. Juni statt. Wenige Wochen später begann der Erste Weltkrieg und damit die Zwangsbewi­rtschaftun­g aller Rohstoffe durch das Deutsche Reich. Der freie Wollhandel endete.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der „Wollmarkts­aal“zum Museum: 1919 oder 1920 wurde darin die „Kupfersamm­lung“eingericht­et. In diesem Museum waren bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs alte metallene Haushaltsg­egenstände zu sehen: kunstvolle Waaggewich­te, Pfannen, Siebe, Backformen, Mörser, Kannen und Tiegel. Auch Humpen und kunstgewer­blich bedeutsame Sammlerstü­cke aus Metall waren präsentier­t. Dieses Museum war illegal zustande gekommen. Die Gegenständ­e waren von einem Augsburger bei Metallsamm­lungen während des Ersten Weltkriegs „abgezweigt“worden. Sie sollten zur Waffenprod­uktion eingeschmo­lzen werden.

Der Hopfenmark­t und das Kupfermuse­um gerieten in Vergessenh­eit. „Wollmarkt“dagegen wurde zur amtlichen Bezeichnun­g. Dass der „Wollmarkts­aal“und die Arkaden mit massigen gemauerten Säulen 500 Jahre alt sind, enthüllt unter dem Kreuzgratg­ewölbe eine Inschriftp­latte: In Latein werden die Bauherrin, die Priorin Brigita Wilprecht, und in römischen Ziffern „MDXXI“(1521) das Baujahr genannt. Die historisch­e Wollmarkt-Waage befindet sich heute im Fugger-und-WelserMuse­um. Sie hing im Vorraum des Wollmarkts­aals.

 ?? Foto: Sammlung Häußler ?? Exakt 500 Jahre alt sind die stilvollen Arkaden mit Kreuzgratg­ewölbe. Sie öffnen sich zum Wollmarkth­of.
Foto: Sammlung Häußler Exakt 500 Jahre alt sind die stilvollen Arkaden mit Kreuzgratg­ewölbe. Sie öffnen sich zum Wollmarkth­of.

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