Koenigsbrunner Zeitung

Ein Jahr nach Covid: So geht es der Polizistin heute

Vor einem Jahr fängt sich Steffi Pietsch aus Stadtberge­n bei einem berufliche­n Lehrgang für Polizisten das Coronaviru­s ein und erkrankt schwer. So wie andere Kollegen kämpft sie mit Langzeitfo­lgen

- Interview: Regine Kahl

Steffi Pietsch ist Polizistin bei der Bereitscha­ftspolizei Königsbrun­n und daher sehr sportlich. Doch vor einem Jahr bekam die Stadtberge­rin Corona. Sie war eine der ersten Patienten im Landkreis Augsburg, die öffentlich über die Krankheit sprach. Steffi Pietsch war erschrocke­n, wie schlecht es ihr während der Infektion ging. „Das ist viel schlimmer als eine Grippe“, sagte sie Ende März 2020. Das Interview stieß auf riesiges Interesse bei den Lesern. Die Polizeihau­ptmeisteri­n appelliert­e an alle, die Krankheit ernst zu nehmen. Wir sprachen mit der 33-Jährigen über ihren heutigen Gesundheit­szustand und wie sie die allgemeine Debatte zur Pandemiebe­kämpfung sieht.

Die wichtigste Frage vorneweg: Wie geht es Ihnen ein Jahr nach Ihrer Corona-Infektion?

Pietsch: Seit etwa sechs Wochen habe ich wieder Atemproble­me. Das merke ich beim Sport und beim Reden, wo ich mehr Pausen machen muss.

Was sagen die Ärzte dazu?

Pietsch: Der Hausarzt sagt, die Beschwerde­n nach einer Covid-19-Erkrankung können bis zu zwei Jahre dauern. Bei einem Lungenfach­arzt bekommt man zurzeit keinen Termin, die sind völlig überlastet. Ich war eineinhalb Stunden in der Warteschle­ife.

Waren die Beschwerde­n beim Atmen durchgängi­g nach der Erkrankung da? Pietsch: Die ersten zwei Monate habe ich mit moderatem Reha-Training begonnen. Da ich bei der Polizei ja Übungsleit­erin bin, kenne ich mich da aus und konnte mir mit Unterstütz­ung meines Hausarztes gut selbst helfen. Anfangs konnte ich keinen Kilometer lang joggen. Vor Corona bin ich locker 10 bis 12 Kilometer gelaufen.

Wann wurde das besser?

Pietsch: Im Sommer ging es mir eigentlich wieder ganz gut. Doch ein Röntgenbil­d hat im August gezeigt, dass mein Lungenvolu­men nur noch bei 80 Prozent liegt. Es waren auch fünf bis sechs Narben zu sehen. Im Herbst und Winter waren aber die Beschweren eigentlich wie weg. Bis es vor ein paar Wochen wieder mit den Problemen beim Atmen losging. Der Leistungsa­bfall zeigt sich auch beim Joggen: Mehr als fünf bis sechs Kilometer schaffe ich nicht.

Es ist ja gerade für eine Polizistin wichtig, ganz fit zu sein. Wie gehen Sie mit der Situation um?

Pietsch: Das ist nicht einfach, es belastet mich vor allem vom Kopf her.

Ich weiß halt nicht, ob es wieder hundertpro­zentig wird.

Sie haben ja vor einem Jahr auch Ihre Eltern angesteckt und sich große Sorgen um Ihren Vater gemacht, der ja Raucher ist. Wie geht es Ihren Eltern heute?

Pietsch: Mein Vater hat die Krankheit überrasche­nderweise von uns am besten weggesteck­t. Er hat allerdings bis heute Probleme, etwas zu riechen und zu schmecken, wie zum Beispiel Salz. Das finde ich schlimmer als meine Einschränk­ung. Meine Mutter hat auch Atemproble­me, obwohl auf ihrem Röntgenbil­d keine Narben auf der Lunge zu sehen waren.

Sie haben sich damals bei einer sportliche­n Fortbildun­g angesteckt. Von 21 Kollegen waren 17 infiziert. Wie geht es Ihren Kollegen heute im Schnitt? Pietsch: Ich würde sagen, zehn Prozent merken gar nichts, 50 Prozent wenig und 40 Prozent haben Langzeitpr­obleme, vor allem beim Schmecken und Ausdauersp­ort.

Hat es für Sie Auswirkung­en, dass Sie sich in der Arbeit angesteckt haben? Pietsch: Ich kämpfe dafür, dass es als Dienstunfa­ll anerkannt wird. Wenn es mir später einmal gesundheit­lich schlechter gehen sollte und ich früher aufhören muss, fürchte ich sonst Kürzungen bei der Pension. Bisher ist die Anerkennun­g als Dienstunfa­ll vom Landesamt für Finanzen abgelehnt worden. Doch die Klage läuft.

Sie waren eine der ersten Patienten, die im Frühjahr 2020 Ihre CoronaErkr­ankung öffentlich gemacht haben. Wie waren die Reaktionen darauf? Pietsch: Fast nur positiv, sowohl im Bekannten- als auch Freundeskr­eis. Nur sehr wenige haben es kritisch gesehen und als Panikmache gewertet. Die Unterstütz­ung auf der Dienststel­le und von den Kollegen war durchwegs gut. Ich bin oft auf der Straße auf das Interview angesproch­en worden. Ich hatte den Eindruck, einigen hatte es die Augen geöffnet und sie nahmen Corona ernster. Es ist eben etwas anderes, wenn man von jemandem etwas von der Erkrankung hört, den man kennt.

Gab es in Ihrem Freundes- und Bekanntenk­reis noch weitere Fälle? Pietsch: Leider weiß ich im Bekanntenk­reis inzwischen zwei Todesfälle und eine Frau, die auf der Intensivst­ation beatmet wurde. Ich kenne aber auch Infizierte, die haben gar nichts gemerkt. Da ist alles dabei.

Sie haben einen Zwillingsb­ruder. Man sagt ja immer, Zwillinge erleben das Gleiche. Hatte Ihr Bruder schon Corona?

Pietsch (lacht): Nein, Gott sei Dank, nicht. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir zweieiige Zwillinge sind.

Sie haben das Interview vor einem Jahr auch deshalb gegeben, um die Menschen vor Corona zu warnen. Bräuchte es diesen Appell heute immer noch?

Pietsch: Dem Großteil der Bevölkerun­g ist die Ausnahmesi­tuation einer Pandemie bewusst. Es muss auch Kritiker geben, die nicht alles hinnehmen, finde ich. Man sollte halt nicht pauschal gegen alles sein und über einen Kamm scheren. Wir sind offensicht­lich in der dritten Welle.

Werden Sie sich impfen lassen trotz durchgemac­hter Infektion?

Pietsch: Ich bin schon bei der Polizei geimpft worden. Einsatzkrä­fte und Kollegen mit Vorschädig­ung wie ich sind drangekomm­en. Ich habe es relativ gut vertragen. Einen Tag lang hatte ich leichtes Fieber und Gliedersch­merzen. Dann war es weg.

Was macht Ihnen Sorgen?

Pietsch: Viele Menschen kommen inzwischen an ihre Grenzen, vor allem Eltern und ältere Leute. Damit steigt die Gefahr, dass man sich nicht mehr so gut an die Maßnahmen hält.

Was macht Ihnen Hoffnung? Pietsch: Hoffnung macht mir, dass ein Umschwung stattgefun­den hat. Viele Kritiker haben inzwischen genauer hingeschau­t und nehmen es ernst.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Polizeihau­ptmeisteri­n Stephanie (kurz Steffi) Pietsch aus Stadtberge­n leidet ein Jahr nach ihrer Corona‰Erkrankung an Atemproble­men beim Sport und beim Sprechen. Sie ist aber froh, dass sie schmecken und riechen kann.
Foto: Marcus Merk Polizeihau­ptmeisteri­n Stephanie (kurz Steffi) Pietsch aus Stadtberge­n leidet ein Jahr nach ihrer Corona‰Erkrankung an Atemproble­men beim Sport und beim Sprechen. Sie ist aber froh, dass sie schmecken und riechen kann.

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