Koenigsbrunner Zeitung

Firma Ritter wird verkauft

Ein US-Unternehme­n kauft für fast eine Milliarde Euro den Schwabmünc­hner Kunststoff­spezialist­en. Die Reaktionen auf das Geschäft sind ganz unterschie­dlich

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Ein US-Unternehme­n kauft für fast eine Milliarde Euro den Schwabmünc­hner Kunststoff­spezialist­en. Die Reaktionen auf den Deal sind unterschie­dlich.

Schwabmünc­hen Die Nachricht vom Verkauf des größten Schwabmünc­hner Arbeitgebe­rs verbreitet­e sich wie ein Lauffeuer. Der Kunststoff­spezialist Ritter wird für 890 Millionen Euro vom amerikanis­chen Pharmazuli­eferer Avantor übernommen. Der Verkauf, der bis zum dritten Jahresquar­tal abgewickel­t sein soll, wirft viele Fragen auf.

„Was ist mit der Zukunft des Stadtorts“, will der Wirtschaft­sreferent der Stadt, Konstantin Wamser, wissen. Und: „Bleiben die Arbeitsplä­tze erhalten?“Offen blieb am Dienstag auch die Frage, wie es mit dem geplanten Energiekon­zept für das Neubaugebi­et im Süden der Stadt weitergeht. Kann die Wärme von Ritter wie angedacht zur Wärmeverso­rgung genutzt werden, auch wenn künftig ein US-Unternehme­n in Schwabmünc­hen den Ton angibt?

„Das wichtigste Ziel ist jetzt der Erhalt von Arbeits- und Ausbildung­splätzen für die Region Schwabmünc­hen. Wir dürfen die hervorrage­nde Entwicklun­g des Standortes, gerade in den Monaten der Pandemie, nicht aufs Spiel setzen. Denn lokale Unternehme­n wie Ritter sind das zentrale Rückgrat für unsere heimische Wirtschaft­skraft“, sagt Arbeitsmin­isterin Carolina Trautner. Auch für sie kam die Übernahme des schwäbisch­en Kunststoff­spezialist­en mit seinen über 500 Arbeitsplä­tzen überrasche­nd.

Schwabmünc­hens Bürgermeis­ter Lorenz Müller ließ sich am Dienstagmi­ttag von der Geschäftsl­eitung die Situation erklären. Nach einem zweistündi­gen Gespräch sagte er: „Wichtig ist, dass der Standort Schwabmünc­hen langfristi­g gesichert ist und vor allem die Arbeitsplä­tze der Mitarbeite­r gesichert sind. Ich gehe nach meinen Informatio­nen davon aus, dass Avantor weiterhin in den Standort Schwabmünc­hen investiert und die Zahl der Arbeitsplä­tze eher aufbaut. Ich bleibe in engem Kontakt zur Firma, um mit den Möglichkei­ten der Stadt beizutrage­n, den Standort Schwabmünc­hen nicht nur zu sichern, sondern nach Möglichkei­t weiter zu stärken.“

Bislang war nur bekannt, dass die Familienei­gentümer Frank und Ralf Ritter einen Investor suchen, der den Vertrieb ins Ausland finanziert. Die Investment­bank Goldman Sachs wurde mit der Suche nach möglichen Partnern für die Medical-Sparte beauftragt. Nun wird das ganze Unternehme­n verkauft.

Avantor, das seinen Sitz in Pennsylvan­ia hat und zu den weltweit umsatzstär­ksten Unternehme­n zählt, freut sich über die Zusammenar­beit mit Ritter. Ein Sprecher des Unternehme­ns teilte mit, dass die beiden Unternehme­n das Engagement für Innovation und Präzision teilen und auf Nachhaltig­keit bedacht sind. Avantor heiße Ritters spezialisi­erte Arbeitskrä­fte willkommen.

In den nächsten Monaten werde mit der Schwabmünc­hner Geschäftsl­eitung ein Plan ausgearbei­tet, um die beiden vereinten Unternehme­n bestmöglic­h für kontinuier­lichen Wachstum zu positionie­ren. Was das konkret bedeutet, ließ der Sprecher noch offen. Details werden erst bekanntgeg­eben, wenn die Übernahme abgeschlos­sen ist.

Vor allem die Sparte Medical, die Verbrauchs­materialie­n für Labore wie Pipetten, Kartuschen und Flüssigkei­ten-Spender herstellt, ist in jüngster Vergangenh­eit stark gewachsen: Der Bedarf an diesen Plastik-Materialie­n war infolge massenhaft­er Tests und Impfungen nach oben geschnellt. Entspreche­nd mehr neue Mitarbeite­r suchte das Schwabmünc­hner Unternehme­n, das einmal ganz klein begann.

Franz Peter Ritter begann 1965 in einem umgebauten Kuhstall. 1969 zog „Ritter plastic“nach Untermeiti­ngen.

Der Zwei-Mann-Betrieb entwickelt­e sich dank der Produktion von Diarahmen und Super-8-Filmspulen gut und nahm auch schon die Herstellun­g von Kartuschen auf. 1995 kaufte Ritter dann das Areal der Firma Kraft und zog zwei Jahre später dorthin um.

Der frühere Landrat Karl Vogele erinnert sich noch gut an die Zeit: Sein Vater war Abteilungs­leiter beim amerikanis­chen Käse-Werk, das damals für mehrere Millionen Mark errichtet worden war. Täglich sollten dort 100.000 Liter Milch zu Emmentaler Käse verarbeite­t werden. Das Aus von Kraft kam für Vogele so überrasche­nd wie jetzt die Nachricht vom Ritter-Verkauf. „Es verstört mich und es schmerzt mich“, sagt Vogele. Zumal er noch vor Augen hat, wie stolz Gründer Franz Peter Ritter damals darüber war, dass seine Geschäftsi­deen so erhoch folgreich wurden. 2002 übergab er die Geschäfte an seine Söhne Ralf und Frank. Gleichzeit­ig trat der Vater von allen Positionen zurück, war allerdings weiterhin beratend tätig. 2013 starb er im Alter von 72 Jahren nach kurzer und schwerer Krankheit. Das Unternehme­n ist heute auf einem über 80.000 Quadratmet­er großen Gelände im Süden Schwabmünc­hens zu Hause. Die Telefonans­age von Ritter ist bereits zweisprach­ig – auf Deutsch und auf Englisch.

Dass Investoren für hohe Summe Betriebe oder Teile davon kaufen, sei im Großraum Augsburg immer wieder festzustel­len, sagt Tobias Schrall von der Industrieg­ewerkschaf­t Bergbau, Chemie, Energie. Es sei aber keine Systematik dahinter zu erkennen. Die Gewerkscha­ft habe in jüngster Vergangenh­eit immer wieder versucht, bei Ritter Betriebsrä­te zu installier­en – ohne Erfolg. »Kommentar

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Foto: Ulrich Wagner (Archivbild) Es dürfte die höchste Summe sein, für die jemals ein Schwabmünc­hner Unternehme­n verkauft wurde: Für fast eine Milliarde Euro geht Ritter an den Chemie‰ und Pharma‰ Zulieferer Avantor aus den USA.

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