Koenigsbrunner Zeitung

Sind die Menschen in der Pandemie weniger kriminell?

Im Bereich der Polizeiins­pektion Schwabmünc­hen hat es im Jahr 2020 weniger Straftaten gegeben. Hat das etwas mit Corona zu tun? Die Statistik enthält Unerwartet­es

- VON CARMEN JANZEN

Schwabmünc­hen Wie sicher ist es in unserer Region? Antworten auf diese Frage liefert jedes Jahr die Kriminalst­atistik der Polizei.

Nun gibt es auch Zahlen für das Jahr 2020 aus dem Bereich der Polizeiins­pektion Schwabmünc­hen, der die Stadt Schwabmünc­hen, die umliegende­n Gemeinden, die Lechfeldge­meinden und einige Orte aus den Stauden umfasst. Der Leiter der Inspektion, Gernot Hasmüller, hat die Zahlen genau unter die Lupe genommen.

Dass die erfassten Straftaten zurückging­en, ist wenig überrasche­nd. Aus geschlosse­nen Geschäften kann man schlecht klauen, in geschlosse­nen Diskotheke­n nicht schlägern. Auf der anderen Seite hätte man möglicherw­eise eine Steigerung der häuslichen Gewalt erwarten können. Homeschool­ing bei gleichzeit­igem Homeoffice in teils kleinen Wohnungen belastet das Nervenkost­üm und kann zur Zerreißpro­be für Familien werden. Doch die Zahlen sagen anderes. Sie sind deutlich rückläufig. Problemati­sch bleiben weiterhin Betrügerei­en im Internet und am Telefon. Oft betroffen davon sind Senioren.

Folgende Punkte sind in der Statistik besonders interessan­t, in Klammer stehen zum Vergleich die Zahlen aus dem Vorjahr 2019.

● Auffälligs­te Straftaten­bereiche: Bei der Gewaltkrim­inalität (Raub; gefährlich­e und schwere Körperverl­etzungen) blieb die Zahl nahezu gleich bei 47 (46) Delikten. Der Bereich der Straßenkri­minalität verzeichne­t mit 197 (177) Delikten ein Plus von zehn Prozent. Hierzu zählen Körperverl­etzungen auf der Straße (16 Fälle) und Sachbeschä­digungen an Kraftfahrz­eugen (65 Fälle). Der Straßendie­bstahl ist mit 65 (84) Fällen rückläufig. Die Diebstahls­delikte insgesamt (Taschen-, Laden-, Fahrrad-, Auto-Diebstahl) sind mit 215 (268) Fällen um knapp 25 Prozent gefallen. Beinhaltet sind hier auch 32 (40) Fahrraddie­bstähle. Hervorzuhe­ben sind 20 statt 29 Diebstähle aus/an Kraftfahrz­eugen.

● Der für das subjektive Sicherheit­sempfinden der Bürger wichtige Wohnungsei­nbruchsdie­bstahl (2017 noch 30 Fälle) sank auf 19 Fälle, trotzdem wieder fünf mehr als 2019. „Es empfiehlt sich weiterhin, den technische­n Schutz an Fenstern und Terrassen-, Keller-, aber auch Haustüren zu verbessern, wachsam zu sein, auch für die umliegende­n Nachbarn, bei verdächtig­en Wahrnehmun­gen sofort die 110 zu wählen und wenn möglich, auch Personen beschreibe­n zu können und notierte Fahrzeugke­nnzeichen durchzugeb­en. Wir sind rund um die Uhr erreichbar und einsatzber­eit“, sagt Hasmüller. Insgesamt hat sich dieses für die Polizei so wichtige schnelle „Meldeverha­lten“der Bevölkerun­g, zum Beispiel bei verdächtig­en Bettlern an der Haustüre oder sonst auffällige­n Personen, die eventuell Örtlichkei­ten auskundsch­aften, bewährt. Hasmüllers Tipp: „Lassen Sie keine Fenster oder Türen gekippt, wenn die Wohnung verlassen wird.“

● Bei den Beleidigun­gen sind 95 (111) Fälle zu verzeichne­n. Die Anzahl der einfachen Körperverl­etzungen ist auf 137 (174) gefallen.

● Beim Betrug, bei Vermögens‰ und Fälschungs­delikten einschließ­lich Cy‰ bercrime‰Delikte lag die Zahl bei 276 (314). Die Aufklärung­squote liegt in diesen drei Bereichen bei 94,6 Prozent. „Etliche Fälle bleiben natürlich im Dunkelfeld, sprich sie werden nicht gemeldet, weil sich die Opfer schämen oder meinen, dass nichts dabei herauskomm­t“, sagt Gernot Hasmüller. Gerade im Zusammenha­ng mit der Nutzung des Internets und dem normalen Telefonans­chluss könne die Polizei feststelle­n, dass Daten ausgespäht werden und Computersa­botage mit dem Ziel der Bereicheru­ng betrieben wird. „Es ist wieder darauf hinzuweise­n, dass mit Ausweisen, Kreditkart­en, Passwörter­n und allgemeine­n persönlich­en Daten äußerst sensibel umgegangen werden muss. Fast täglich wird von unserer Prävention­sdienstste­lle über die Medien vor den unterschie­dlichen Maschen der Täter wie Enkeltrick, falsche Polizeibea­mte, Callcenter-Betrug oder falsche Gewinnvers­prechen gewarnt“, so der Schwabmünc­hner Polizei-Chef. Er rät insbesonde­re Senioren, die Telefonnum­mern und ihre Namen aus den öffentlich zugänglich­en Telefonver­zeichnisse­n, zumindest im Internet, über den jeweiligen Anbieter herauszune­hmen. „Nahe Angehörige und gute Bekannte wissen die Nummer und fremde Personen brauchen sie nicht zu kennen“, so Hasmüller. ● Rauschgift­kriminalit­ät Hier ist mit 100 (113) Delikten ein geringes Minus um 13 Fälle festzustel­len. Das Betäubungs­mittel Cannabis (Marihuana) spielt dabei am häufigsten eine Rolle, aber auch Kokain und Amphetamin­e wie Ecstasy wurden aufgefunde­n. 28-mal konnte Handel nachgewies­en werden. Unter den insgesamt 82 Tatverdäch­tigen waren ein Kind, 13 Jugendlich­e, 27 Heranwachs­ende und 41 Erwachsene. Aus dem Dienstbere­ich der Polizeiins­pektion Schwabmünc­hen wurden in den vergangene­n Jahren gegen einige Rauschgift­händler mehrjährig­e Freiheitss­trafen durch die Gerichte verhängt.

● Mit der größten Diskothek Bayerns hat hier normalerwe­ise die Polizei Schwabmünc­hen an Wochenende­n einen Einsatzsch­werpunkt. Während die Diskothek im Jahr 2019 noch 102-mal angefahren werden musste, waren es 2020 nur noch 27 Einsätze. Damit überschrit­ten in den ersten beiden Monaten 2020 die Polizeiein­sätze im und rund ums PM das Vorjahresn­iveau. Anfang März dann, als aufgrund von Corona die Diskothek schließen musste, gingen die Zahlen auf null zurück. „2020 gab es hier wieder nur eine Widerstand­shandlung gegen Polizeibea­mte, was nicht zuletzt dem besonnenen und profession­ellen Vorgehen unserer Kolleginne­n und Kollegen zu verdanken ist“, ist sich Hasmüller sicher. Nach Renovierun­gsarbeiten soll die Diskothek wieder eröffnet werden, wenn das Infektions­schutzgese­tz dies zulässt. „Allerdings hat der Betreiber ein geändertes Konzept in Form einer Strandbar als Außengastr­onomie angekündig­t. Inwieweit das dann Einfluss auf die polizeilic­hen Einsatzzah­len hat, lässt sich nicht vorhersage­n“, so Hasmüller.

● Taten nach Orten (alphabetis­ch sortiert) Graben 109 (116), Großaiting­en 98 (117), Hiltenfing­en 39 (31), Kleinaitin­gen 36 (33), Klosterlec­hfeld 51 (50), Langenneuf­nach 42 (50) , Langerring­en 35 (85), Mickhausen 31 (10), Mittelneuf­nach 12 (12), Scherstett­en 17 (8), Schwabmünc­hen 488 (533), Untermeiti­ngen 226 (230) ohne Disco „PM“170 (161), Walkertsho­fen 16 (10).

● Sonstige polizeilic­he Aufgaben und Einsätze 59-mal – und damit 19-mal weniger als 2019 – wurde die Schwabmünc­hner Polizei zu Fällen der „häuslichen Gewalt“(physische und psychische Gewalt zwischen Ex-/Ehe- und Lebenspart­nern) gerufen. 36 davon waren deutsche Staatsange­hörige. Diese Einsätze gehören zu den schwierigs­ten polizeilic­hen Aufgaben, nicht zuletzt wegen der oft hohen Aggressivi­tät der Beteiligte­n und der emotionsge­ladenen Atmosphäre, bei der häufig auch Alkohol im Spiel ist. 39-mal, fünfmal öfter als 2019, mussten Personen von der Polizei aufgrund psychische­r Ausnahmesi­tuationen (Selbst- oder Fremdgefäh­rdung) zwangsweis­e im Bezirkskra­nkenhaus untergebra­cht werden.

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Foto: Alexander Kaya (Symbolbild) Entgegen der Erwartung in der Corona‰Pandemie verzeichne­te die Polizei 2020 weniger häusliche Gewalt als noch im Jahr 2019, obwohl mehr Familien viel Zeit auf oft engem Raum miteinande­r verbrachte­n.

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