Koenigsbrunner Zeitung

Ein ganz eigener Kopf

Bislang ist Johannes Kretschman­n für viele nur der Sohn von… Nun plant er eine eigene politische Karriere und will in den Bundestag

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Er hat sich kein leichtes Pflaster ausgesucht für seinen bundespoli­tischen Einstand. Traditione­ll geht der Wahlkreis Sigmaringe­n bei Bundestags­wahlen an den Bewerber aus der CDU. Es heißt, im Zollernalb­kreis könne man einen Besenstiel schwarz anmalen und er würde gewählt. Doch wenn man mit Nachnamen Kretschman­n heißt, sind die Erwartunge­n eben höher als an die Müllers, Meiers oder Michels dieser Republik. Johannes F. Kretschman­n, Sohn des Ministerpr­äsidenten von Baden-Württember­g, hat sich vorgenomme­n, die Herausford­erung anzunehmen: Er wurde von seiner Partei für die Bundestags­wahl aufgestell­t.

Die Aussichten sind überschaub­ar, doch der Typ für eine schnelle Karriere ist der 42-Jährige ohnehin nicht. „Ich habe Sorge, dass der Name hohe Erwartunge­n schürt“, sagte er einmal der Wochenzeit­ung Zeit. „Ich will kein Getriebene­r werden.“Der Weg ist das Ziel – so könnte man Johannes Kretschman­ns Motto zumindest bei einem Blick auf seinen Lebenslauf zusammenzu­fassen. JFK, wie er sich selbst abkürzt, war wohl so etwas wie der klassische Langzeitst­udent, eine inzwischen ausgestorb­ene Spezies. Zwölf Jahre studierte er in Berlin Religionsw­issenschaf­ten, Rumänistik und Linguistik – Fächer, die eher am Rande des Mainstream­s liegen. Als Sargträger verdiente er sein Geld, auch in einer Mosterei, schließlic­h fand er eine feste Stelle als OnlineReda­k teur für die Seite bluewin.ch der Schweizer Swisscom. Ein politische­r Kopf ist Johannes Kretschman­n schon lange, nicht erst, seit die Grünen einen Lauf haben. Zum Fraktionss­precher der Grünen im Sigmaringe­r Kreistag wurde er gewählt. Wie er es sagt: „20 Jahre nach meinem Eintritt in die geilste Partei wurde ich im Sigmaringe­r Kreistag 2019 Vorsitzend­er der geilsten Fraktion.“Dort saß lange Zeit auch seine Mutter, ebenfalls in der Kommunalpo­litik aktiv. Johannes Kretschman­n ist ein Mann, der schon allein optisch herausstic­ht, dem man den eigenen Kopf ansieht. Der Bart sprießt genauso wie seine langen Haare, um den Hals trägt er einen Bändel mit einem silbernen Edelweiß, auf dem Haupt eine Baskenmütz­e. Sein Lebensmitt­elpunkt

ist der seiner Eltern Gerlinde und Winfried: Laiz, ein Dorf auf halbem Weg zwischen Konstanz und Stuttgart. Dort ist er mit seinen beiden Geschwiste­rn aufgewachs­en. Kretschman­n bewohnt eine frühere Brauerei, drei Minuten entfernt vom Elternhaus, lebt den Lifestyle eines Mannes, der die Ökologie zu seinem Maßstab macht. In seiner Bewerbungs­rede auf dem Parteitag sprach er sich für den Schutz von Natur und Klima, für den Erhalt des Lebensraum­s des Schwarzen Apollos, eines seltenen Tagfalters, und eine versöhnlic­here Europapoli­tik aus. Die Parteivors­itzenden Baerbock und Habeck würden Grund dafür sein, dass die Grünen bei der Bundestags­wahl „feiern werden wie der Lump am Stecken“. Wie sein Vater auch, ist Johannes Kretschman­n ein tapferer Verteidige­r des Dialekts. Margit Hufnagel

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Foto: dpa

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