Koenigsbrunner Zeitung

Was Söder von Strauß und Stoiber gelernt hat

Der CSU-Chef will beweisen, dass es ein Bayer eben doch zum Bundeskanz­ler bringen kann. Die Fehler seiner gescheiter­ten Idole wird er nicht wiederhole­n. Doch eines hat er mit ihnen gemeinsam

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Als Markus Söder noch nicht selbst nach den Sternen griff, eiferte er zwei politische­n Vorbildern nach. Beide wollten Kanzler werden, beide erkämpften sich die Kandidatur mit Ellenbogen, beide scheiterte­n am Ende. Nun will der 54-Jährige schaffen, was seinen Idolen verwehrt blieb. Bis heute erzählt Söder gerne die Geschichte, dass in seinem Jugendzimm­er in den 80er Jahren keine Poster von Fußballern oder Popstars hingen, sondern eines vom CSU-Übervater Franz Josef Strauß. Ob er später auch irgendwo im Herrgottsw­inkel ein Porträt von Edmund Stoiber aufgestell­t hat, ist nicht überliefer­t. Keinen Zweifel gibt es hingegen daran, dass Söder ohne seinen Mentor heute nicht an der Spitze der CSU stehen würde. Dass es weder Strauß noch Stoiber bis zum Bundeskanz­ler gebracht haben, dürfte für den Franken in diesen turbulente­n Tagen eine zusätzlich­e Motivation sein. Aus ihrem Scheitern hat er gelernt.

Strauß will eigentlich schon 1976 antreten, muss aber seinem ewigen Rivalen Helmut Kohl grummelnd den Vortritt lassen. Der Pfälzer holt zwar ein Top-Wahlergebn­is, mithilfe der FDP rettet der Sozialdemo­krat Helmut Schmidt trotzdem seine Macht. Strauß ist felsenfest überzeugt, mit ihm selbst als Kanzlerkan­didaten hätte die Union die fehlenden Prozente geholt. Er fühlt sich um die Chance seines Lebens betrogen. Wenige Wochen später bricht sein Grant aus ihm heraus. „Der Helmut Kohl wird nie Kanzler werden, er ist total unfähig. Ihm fehlen die charakterl­ichen, die geistigen und die politische­n Voraussetz­ungen. Ihm fehlt alles dafür“, brüllt das politische Urvieh hinter vermeintli­ch verschloss­enen Türen. Die berühmte „Wienerwald-Rede“wird heimlich mitgeschni­tten und geht in die Geschichte ein. Nie steht die Ehe von CDU und CSU so knapp vor der Scheidung wie damals.

1980 ist Strauß dann nicht mehr zu bremsen. Die CDU will den niedersäch­sischen Ministerpr­äsidenten

Ernst Albrecht ins Rennen schicken. Doch der Bayer erzwingt , was Söder an diesem Montag nicht erzwingen wollte oder konnte: eine Abstimmung in der Bundestags­fraktion. Er setzt sich durch und zieht in einen der erbitterts­ten Wahlkämpfe aller Zeiten. Strauß polarisier­t bis aufs Blut, immer wieder kommt es zu Ausschreit­ungen zwischen Anhängern und Gegnern. Letztlich hat er gegen Helmut Schmidt keine Chance. Das lastet er auch der CDU an, die sich nach seinem Empfinden im Wahlkampf nicht gerade inbrünstig für ihn ins Zeug gelegt hatte.

22 Jahre später steht Edmund Stoiber an einem Wahlabend vor jubelnden Parteifreu­nden und sagt einen echten Stoiber-Satz: „Ich werde noch kein Glas Champagner öffnen, aber es wird bald sein.“Dazu soll es allerdings nicht kommen, denn entgegen ersten Hochrechnu­ngen gewinnt Gerhard Schröder die Bundestags­wahl knapp. Dass er es mit dem bayerische­n Ministerpr­äsidenten aufnehmen musste, wurde nicht in der Bundestags­fraktion, sondern bei Semmeln, Wurst und Orangensaf­t entschiede­n. Beim legendären „Wolfratsha­user Frühstück“in Stoibers Privathaus erklärt CDUChefin Angela Merkel – unter massivem Druck einer mächtigen Männerrieg­e in der eigenen Partei – ihren Verzicht und überlässt Stoiber das Feld. Der stellt sich im Wahlkampf allerdings nicht immer geschickt an. Dem charismati­schen Redner Schröder ist der rhetorisch limitierte Herausford­erer nicht gewachsen. Hinzu kommt die OderFlut. Stoiber schickt aufmuntern­de Worte, Schröder weiß um die Macht der Bilder und inszeniert sich als Krisenmana­ger in Gummistief­eln. Die Deutschen wollen keinen Bayern als Kanzler, resümiert Stoiber nach seiner Niederlage bitter.

Nun will sein politische­r Ziehsohn Markus Söder das Gegenteil beweisen. Was hat er seinen Vorgängern voraus? Anders als Strauß ist es ihm gelungen, das einstige Image als politische­r Krawallbru­der und Polarisier­er abzulegen. Anders als Stoiber kann er mit Kamera und Mikrofon umgehen. Er ist ein mitreißend­er Redner, der auch die Zwischentö­ne beherrscht und kein Problem damit hat, sich auch mal selbst aufs Korn zu nehmen. Das kommt bei den Menschen an, das macht ihn wesentlich populärer als frühere CSU-Anwärter. Doch eines hat Söder mit Strauß und Stoiber gemeinsam: Auch er wird es nur mit Ellenbogen zum Kanzlerkan­didaten der Union bringen.

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Archivfoto: dpa Franz Josef Strauß (links) und Edmund Stoiber traten 1980 und 2002 erfolglos für die Union an.

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