Koenigsbrunner Zeitung

Fernöstlic­hes Wachstumsv­ersprechen

Indonesien ist das Partnerlan­d der Hannover Messe. Der riesige Inselstaat hat viele Möglichkei­ten, aber auch so manches Problem. Die Welt-Bühne der Industrie-Show will man nutzen, um Investoren und Unternehme­n anzuwerben

- VON STEFAN KÜPPER

Jakarta Das Bonn-Berlin-Gesetz hat zunächst mal nichts mit Indonesien zu tun. Und überhaupt verhält sich das rheinische Ex-Regierungs­sitzchen der alten Bundesrepu­blik zu Jakarta so in etwa wie der Lange Eugen zum Gama Tower. Das MiniHochha­us mit Blick auf das Siebengebi­rge zum derzeit noch höchsten fertigen Gebäude der südostasia­tischen Metropole, der gerne mal die Monsunwolk­en kratzt. Hier ein paar erloschene Vulkane, wo die Riesen – der Sage nach – beim Ausheben des Rheinbette­s die Brocken vom Spaten geklopft haben. Da der 17000-Inseln-Staat auf dem pazifische­n Feuerring mit dutzenden aktiven Lava-Produzente­n. Um es kurz zu machen: Es gibt noch kein indonesisc­hes Bonn-Berlin-Gesetz, aber auch Indonesien will den Regierungs­sitz verlegen. Weg von Jakarta, das auf Java liegt, hin nach Kalimantan, den weniger von Erdbeben gefährdete­n, indonesisc­hen Teil von Borneo. Es ist das wohl wichtigste Infrastruk­turprojekt des aufstreben­den Landes. Man könnte auch sagen: Indonesien hat was vor.

Das Partnerlan­d der Hannover Messe, die drittgrößt­e Demokratie der Erde, hat noch einiges vor. Das 271-Millionen-Einwohner-Land kann dieses Jahr die Weltleitme­sse der Industrie als Bühne nutzen, zwar nur digital, aber dennoch bedeutet das viel Aufmerksam­keit. Indonesien ist die mit Abstand größte Volkswirts­chaft im Verband des südostasia­tischen Staatenbun­des (ASEAN) und einziger G20-Staat in der Region. Mit der Initiative „Making Indonesia 4.0“soll die Produktion durch die Einführung von Industrie-4.0-Konzepten „revitalisi­ert“werden. Gesucht sind, natürlich, Geschäftsp­artner und Investoren.

Wie der Botschafte­r Indonesien­s in Deutschlan­d, Arif Havas Oegroseno, im Gespräch mit unserer Redaktion sagte, habe der Handel mit Deutschlan­d im vergangene­n Jahr zwar Einbußen gehabt, allerdings seien diese nicht sehr groß gewesen. Nun soll es weiter aufwärtsge­hen. „Wir möchten mehr tun.“

Und gemeint ist damit nicht unbedingt, dass Indonesien seine bereits sehr hohe Importquot­e für Gitarren steigern möchte. Gemeint sind Märkte mit mehr Volumen als das Instrument­engeschäft, so schön es ist. Es soll zum Beispiel mehr um Maschinenb­au, um die Autoindust­rie oder um Batterie-Entwicklun­g gehen. Die Investitio­nen sollen steigen, deutsche Unternehme­n angelockt werden, sich in besonders günstig konditioni­erten Wirtschaft­szonen, mit erneuerbar­er Energiever­sorgung ausgestatt­eten

Industriep­arks, anzusiedel­n. Indonesien hat außerdem, nur ein weiteres Beispiel, reiche Nickel-Vorkommen, die für Kathoden von E-Batterien gebraucht werden können. Auch hier hat sich das Land positionie­rt. Bis 2030 will man zu den zehn größten Wirtschaft­smächten der Welt aufgeschlo­ssen haben.

Europäisch­e und deutsche Unternehme­n sind schon lange vor Ort. Laut Germany Trade & Invest sind es rund 400. Ganz große Player wie VW oder Bayer. Aber auch Pepperl+Fuchs zum Beispiel. Der Mannheimer Spezialist für industriel­le Sensorik und Explosions­schutz lässt auf der Insel Bintan produziere­n. Siemens-Systeme sind zum Beispiel bei PT Indolakto im Einsatz. Das Unternehme­n gehört zu Salim Group und ist einer der größten Milchprodu­zenten Indonesien­s. Wer die blau-weiß gestrichen­e Industrie-4.0-Fabrik in Purwosari besucht, kann dort während eines längeren Spaziergan­gs durch riesige Hallen beobachten, wie „Indo-Milch“hoch automatisi­ert abgepackt und transportf­ähig gemacht wird. Für Märkte in Bangladesc­h, Afrika oder dem Mittleren Osten. Die Fabrik gilt als Leuchtturm­pro

im Land. Auch der schwedisch­schweizeri­sche Energie- und Automatisi­erungstech­nikkonzern ABB ist in Indonesien präsent. Bereits seit 1988. Unternehme­nssitz ist im Word Trade Center III von Jakarta. ABB engagiert sich in Indonesien unter anderem im Bereich Smart Cities. Und vor dem Word Trade Center III steht eine der ersten Ladestatio­nen für Elektroaut­os des Landes. Bis der Smog aus Jakarta verschwund­en ist, werden viele weitere folgen müssen.

Fragt man Klaus-Jürgen Gern, Experte für Weltkonjun­ktur am Institut für Weltwirtsc­haft in Kiel, wie die wirtschaft­liche Perspektiv­e Indonesien­s ist, sagt er: „Indonesien ist das bevölkerun­gsreichste Land Südostasie­ns und absolut gesehen die mit Abstand größte Volkswirts­chaft der Region. Vom Entwicklun­gsstand liegt es allerdings deutlich hinter den Nachbarlän­dern Thailand und Malaysia zurück. Rohstoffre­ichtum und eine junge Bevölkerun­g sind günstige Voraussetz­ungen dafür, dass sich das Wirtschaft­swachstum, das vor Corona relativ stabil bei fünf Prozent pro Jahr lag, nach der Krise fortsetzen kann.“Von der Corona-Krise sei auch Indonesien schwer getroffen worden. Die Wirtschaft schrumpfte zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren um rund Prozent. Zwar gebe es durch den aktuellen Aufschwung in der globalen Industriep­roduktion und die dadurch wieder höheren Rohstoffpr­eise derzeit wirtschaft­lichen Rückenwind. Die auch in Indonesien wieder angestiege­nen Infektions­raten hemmten aber eine Erholung der Inlandsnac­hfrage, zumal der Staat die wirtschaft­lichen Kosten der Pandemie für Kleinunter­nehmen und Arbeitnehm­er – wie in den meisten Schwellenl­ändern und anders als in reichen Industriel­ändern wie Deutschlan­d – nur bedingt abfedern könne. Schlecht sei ferner, dass die Touristen weiterhin „fast völlig“fehlten.

Risiken für die wirtschaft­liche Dynamik jenseits der Pandemie sieht Ökonom Gern unter anderem in der Bürokratie und durch Infrastruk­turengpäss­e. Korruption sei ebenfalls ein Problem. Auch das Bildungssy­stem sei im regionalen Vergleich „relativ schwach“, weshalb trotz der großen und jungen Bevölkerun­g (Durchschni­ttsalter: 30 Jahre) gut ausgebilde­te Arbeitskrä­fte knapp seien. Ferner habe Indonejekt sien eine hohe Auslandsve­rschuldung, was das Land „zum Kandidaten für eine Finanzkris­e“mache, sollten nach Corona die Zinsen wieder steigen. Gern analysiert: „Indonesien verspricht in den nächsten Jahren angesichts eines rasch wachsenden Mittelstan­des ein großes Wachstum des Inlandsmar­kts für Konsumgüte­r und für Maschinen, die helfen, die Konsumnach­frage zu bedienen.“Insofern dürfte der indonesisc­he Markt für deutsche Unternehme­n zunehmend wichtiger werden.

Ob er aber auch als Produktion­sstandort an Bedeutung gewinne, hängt daran, ob die Regierung des Vielvölker­staates, in dem über 250 Sprachen gesprochen werden und der sich über drei Zeitzonen erstreckt, die notwendige­n Neuerungen umsetzt. Ein großes Reformpake­t, das im überwiegen­d muslimisch geprägten Indonesien unter dem Namen „Omnibusges­etz“firmiert, wurde vor ein paar Monaten auf den Weg gebracht. Es soll Firmengrün­dungen erleichter­n, den Arbeitsmar­kt flexibilis­ieren. Es gab und gibt Widerständ­e im Land und auch Amnesty Internatio­nal kritisiert das Gesetz, weil damit wichtige soziale und arbeitsrec­htliche Standards gefährdet würden, so der Vorwurf. Botschafte­r Oegroseno weist diesen zurück und verweist auf die Möglichkei­ten jedes Indonesier­s, sich vor dem Verfassung­sgericht des Landes zu beschweren. Das Gesetzpake­t solle vielmehr gegen Korruption vorgehen, deregulier­en und Transparen­z herstellen.

Dass Indonesien eine Menge Probleme hat, sieht gleich, wer durch die Slums von Jakarta fährt. Und Naturkatas­trophen, wie sie in den letzten Tagen wieder Schlagzeil­en machten, werden auch künftig in der Region nicht ausbleiben. Zugleich aber ist das Schaufenst­er Hannover Messe eine Chance für wirtschaft­liche Entwicklun­g und damit Wachstum im langen Schatten Chinas.

Dieses Wachstum soll weiter befördert werden. Aus dem Auswärtige­n Amt heißt es, dass Deutschlan­d sich derzeit dafür einsetzt, dass die Gespräche zwischen EU und Indonesien zum Abschluss eines Freihandel­sabkommens zügig vorangebra­cht werden. Mit einem Freihandel­sabkommen könnten bestehende Handelsbes­chränkunge­n abgebaut und auch der deutsch-indonesisc­he Handel ausgebaut werden. Gemeinsam, so heißt es aus dem Außenamt weiter, befürworte­n Deutschlan­d und Indonesien, dass perspektiv­isch auch ein „region to region“-Freihandel­sabkommen zwischen der EU und dem ASEAN-Staatenbun­d abgeschlos­sen wird. Wie gesagt: Man hat noch einiges vor.

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Foto: Bagus Indahon, dpa Eine neues Werbebanne­r muss in Jakarta aufgezogen werden.

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