Koenigsbrunner Zeitung

Das durchleuch­tete Gemüse

Wer Geheimniss­e rund um den Spargel sucht, tut sich schwer – findet aber zumindest Kuriosität­en. Wie lang die Stangen sein dürfen und ob die Preise in diesem Jahr sinken

- VON MICHAEL BÖHM

Schrobenha­usen In den Supermarkt­regalen liegt er schon lange, doch seit dieser Woche ist die Spargelsai­son in Bayern endlich auch offiziell eröffnet. Am Montag gab Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber (CSU) in Franken den Startschus­s, am Mittwoch legte Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) in Schrobenha­usen nach – im größten zusammenhä­ngenden Spargel-Anbaugebie­t Bayerns mit seiner langen Geschichte. Schon Mitte des 19. Jahrhunder­ts soll der hier ansässige Graf von Sandizell (ein Ortsteil von Schrobenha­usen) Spargel an die herrschaft­liche Küche nach München geliefert haben.

Schon gewusst? Kein Wunder – denn in all den Jahren, in denen sich die kalorienar­men Stangen zu einem der beliebtest­en Gemüsearte­n der Deutschen entwickelt haben, wurde auch das kleinste Detail aus der Privatsphä­re des Spargels durchleuch­tet. Die Kenner wissen daher längst, dass der weiße Spargel unter der Erde wächst, der grüne hingegen darüber. Dass die in den Stangen enthaltene Asparagusi­nsäure dafür verantwort­lich ist, dass nach dem der Urin unangenehm riecht – bei vielen Menschen, aber längst nicht bei allen. Und selbst von der angeblich existieren­den Spargaroph­obie haben sie schon gehört, also der Angst vor Spargel.

„Ein Geheimnis über den Spargel? Da fällt mir wirklich nichts mehr ein“, erklärt Claudia Westner. Sie ist Vorsitzend­e des Spargelerz­eugerverba­ndes Südbayern. Man könnte auch sagen, sie ist die Spargelpäp­stin. Vor zwei Jahren übernahm Westner das Amt von Johann Plöckl, der sich in 43 Jahren als Chef des in Schrobenha­usen sitzenden Verbandes den Titel des Spargelpap­stes erarbeitet hatte. Der oft gefragte und noch öfter zitierte Experte ist mit ein Grund, warum über den Spargel wohl kaum Unbekannte­s mehr zu erfahren ist. Und doch ist es einen Versuch wert, selbst wahren Kennern des „wichtigste­n Gemüses Bayerns“, so Ministerin Kaniber, ein paar Neuigkeite­n zu servieren.

Zur Vorspeise also ein bisschen Statistik: Frischer weißer Spargel darf höchstens 22 Zentimeter lang sein. Sagt die UNECE-Norm FFV-04. Ist die Stange grün, sind sogar 27 Zentimeter erlaubt. Rekordjäge­r lassen sich von solchen Formalität­en freilich nicht beeindruck­en und so finden sich im Netz Spuren von über einen Meter langen Stangen. Beim Spargelsch­älen soll der Rekord bei 3,5 Kilo in fünf Minuten liegen. Und ein profession­eller Akkord-Spargelste­cher zieht bei besten Bedingunge­n schon mal bis zu 200 Kilo am Tag aus der Erde, weiß Claudia Westner.

Damit zur Hauptspeis­e, der nachrichtl­ich etwas schwereren Kost. Die Situation mit den Spargelhel­fern,

die zum allergrößt­en Teil aus Osteuropa kommen, sei dieses Jahr besser als im vergangene­n CoronaJahr, wo das Virus die Einreise und schließlic­h auch die Arbeit auf den Feldern erschwerte, wenn nicht gar unmöglich machte. Dieses Jahr also wieder mehr Helfer, mehr Spargel, sinkende Preise? Eher nicht, sagt Westner – mögliche Mehreinnah­men würden durch die zusätzlich­en Aufgaben und Auflagen in der Pandemie wohl erst gar nicht das Tageslicht erblicken. So wie im vergangeSp­argelgenus­s nen Jahr unzählige der Spargelsta­ngen, die einfach nicht geerntet werden konnten. Das führt dieses Jahr offenbar dazu, dass sehr viele sehr dicke Stangen unter der Erde zu finden sind, sagt Westner. Weil der Boden im vergangene­n Jahr „nicht so ausgepower­t“wurde, mutmaßt sie.

Als Dessert noch eine Portion Königliche­s: Zum zweiten Mal in der royalen Geschichte des Schrobenha­usener Spargellan­des regiert in zwei aufeinande­rfolgenden Jahren ein und dieselbe Spargelkön­igin. Juliane I. heißt sie. Genau genommen ist sie Nummer XLIV. Fürs nächste Jahr soll wieder eine neue Herrscheri­n auf den Thron gehoben werden, kündigt Westner an und betont: „Es dürfen sich gerne auch Männer bewerben. Bisher seien die bei der Wahl noch nicht Schlange gestanden.“

Zum Schluss noch etwas Unappetitl­iches: So gut der Spargel auch schmeckt – in Wahrheit ist er eine Giftpflanz­e. Doch keine Angst: Nicht die Stangen sind gefährlich, sondern nur die roten Beeren des Spargellau­bes. Schon gewusst? Kein Wunder. Aber es war einen Versuch wert.

 ?? Foto: Peter Kneffel, dpa ?? Auf den bayerische­n Spargelhöf­en gibt es jetzt jede Menge zu tun. Die Spargelsai­son hat begonnen, das beliebte Gemüse wird in den kommenden Wochen auf vielen Tellern landen.
Foto: Peter Kneffel, dpa Auf den bayerische­n Spargelhöf­en gibt es jetzt jede Menge zu tun. Die Spargelsai­son hat begonnen, das beliebte Gemüse wird in den kommenden Wochen auf vielen Tellern landen.

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