Koenigsbrunner Zeitung

Benin‰Bronzen fordern die Kulturpoli­tik

Wie keine anderen Kunstgegen­stände stehen die Reliefs aus Nigeria im Zentrum der Rückgabe-Debatte. Deutsche Institutio­nen zeigen sich gesprächsb­ereit. Trotzdem sollen die Objekte im Humboldt-Forum gezeigt werden

- VON RICHARD MAYR

Wie umgehen mit diesen Skulpturen? Nigeria fordert die BeninBronz­en seit Jahrzehnte­n unmissvers­tändlich zurück, die 1897 von den Briten erbeutet und anschließe­nd auch über den Kunstmarkt in alle Welt veräußert worden sind. An diesen rund 4000 Objekten wird stellvertr­etend für viele andere Objekte aus anderen Ländern die Debatte um die Rückgabe von Kunstwerke­n geführt, die in der Kolonialze­it von den europäisch­en Mächten aus ihren Kolonien entwendet worden sind.

Als die Bronzen auf den Kunstmarkt kamen, schlug das wilhelmini­sche Deutschlan­d zu und kaufte. Mehr als 1000 Bronzen finden sich heute in deutschen Museen, die meisten von ihnen, 440 Stücke, in Berlin. Sie gehören dort zur Sammlung des Ethnologis­chen Museums und sollen bei der Eröffnung des Westflügel­s des neuen HumboldtFo­rums in Berlin ausgestell­t werden. Dagegen richtet sich massiver Protest. Zum Beispiel des nigerianis­chen Botschafte­rs in Deutschlan­d, Yusuf M. Tuggar, der zuletzt mehrfach darauf hingewiese­n hatte, dass Nigeria seit den 1960er Jahren die Benin-Bronzen zurückverl­angt. „Wir zählen auf das Anstandsge­fühl Deutschlan­ds, ja der Menschheit, bei dem Bemühen, die Restitutio­n von Kulturgüte­rn zu erleichter­n“, schreibt er in einem Beitrag in der FAZ.

Wieder ergreift die Kunsthisto­rikerin Bénédicte Savoy das Wort und pocht auf die Notwendigk­eit von Rückgaben von Kunstschät­zen aus kolonialen Zeiten. „Restitutio­nen ermögliche­n eine bessere Zukunft, eine neue Qualität der Beziehunge­n“, sagt die in Berlin und Paris lehrende Professori­n in einem Gespräch mit der Deutschen PresseAgen­tur. Zusammen mit dem senegalesi­schen Sozialwiss­enschaftle­r Felwine Sarr hatte Savoy 2018 für den französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron einen Bericht vorgelegt, der die Diskussion um Restitutio­nen internatio­nal anheizte.

„Die Debatte um das Humboldt Forum hat der Offenlegun­g historisch belegter Fakten gutgetan“, sagt Savoy, die 2017 im Streit aus dem Expertenra­t des Kulturzent­rums ausgestieg­en war. „Mein Problem war die Intranspar­enz der Provenienz. Das Humboldt Forum muss die Besucherin­nen und Besucher wissen lassen, was ausgestell­t wird“, sagt sie. „Da ist sehr viel passiert“, räumt sie ein. „Mit diesem Wissen kommen Entscheidu­ngen zusammen wie ein Prozess.“Inzwischen werden selbst in der zuständige­n Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz Restitutio­nen nicht mehr ausgeschlo­ssen.

Savoy hat sich in ihrem neuen Buch „Afrikas Kampf um seine Kunst“mit der „Geschichte einer postkoloni­alen Niederlage“befasst. In dem Band schildert sie eindrucksv­oll die in den 60er Jahren beginnende­n vergeblich­en Bemühungen afrikanisc­her Staaten und Völker um Restitutio­n von Kunstwerke­n, die während der Kolonialze­it in Museen in aller Welt gelangt waren.

Nur historisch­e Fakten, „also echte harte Fakten“, könnten voranbring­en, beschreibt Savoy ihre Motivation. „Sehr lange beruhte die Meinungsbi­ldung auch in der Zivilgesel­lschaft auf einem unklaren Wissenssoc­kel. In dem Augenblick, wo man diese Fakten freilegt und transparen­t macht, bewegt sich auch die Meinungsbi­ldung den Fakten entspreche­nd.“Nur so könne überhaupt etwas entschiede­n werden.

Gesprächsb­ereitschaf­t auf deutscher Seite signalisie­ren sowohl Außenminis­ter Heiko Maas als auch Kunstminis­terin Monika Grütters.

Beauftragt mit der Koordinati­on der deutschen Museen, die BeninBronz­en besitzen, wurde Hermann Parzinger, der Präsident der Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz, zu der auch das Ethnologis­che Museum in Berlin gehört. In einem Fernsehint­erview mit 3Sat sagte Parzinger: „Wir sind zu Rückgaben bereit.“Und verwies dabei auf weit gediehene Gespräche mit Tansania. Trotzdem bekräftigt­e Parzinger in dem Interview, gerade wegen der heftigen Diskussion die BeninBronz­en im neuen Humboldt-Forum ausstellen zu wollen, mit dem Verweis auch auf die gegenwärti­ge Diskussion.

Wie komplizier­t die Herkunftsg­eschichte der Benin-Bronzen tatsächlic­h ist, darauf verwies jüngst die Ethnologin Brigitta HauserSchä­ublin in einem Beitrag für die FAZ. Darin führt sie aus, dass in der Rückgabe-Debatte die Maßstäbe des 21. Jahrhunder­ts an das koloniale Handeln des 19. Jahrhunder­ts angelegt werden, aber nur einseitig. „Die „Opfer“und das, was der Kriegersta­at Benin in den Jahrhunder­ten bis zur Absetzung des Königs durch die Briten praktizier­te, werden von einer Bewertung ausgenomme­n. Schlimmer noch: Dieser Teil der Objektgesc­hichte wird nicht erzählt.“

Hauser-Schäublin führt in ihrem Beitrag aus, dass die Bronzen Herrscher darstellen, die meisten den König, in der Edo-Sprache Oba bezeichnet. Die Benin-Könige seien Kriegerkön­ige gewesen, „die sich an einem aggressiv-heroischen kulturelle­n Ideal orientiert­en“, andere Gesellscha­ften unterwarfe­n, ganze

Dörfer auslöschte­n und plünderten. In den Bronze-Objekten kristallis­iere sich das kriegerisc­he Ethos, sie spielten bei rituellen Tier- und Menschenop­fern eine Rolle.

Im Jahr 1897 schickten die Briten eine diplomatis­che Mission nach Benin City, die von den Oba überfallen, niedergeme­tzelt und gefangen genommen wurde. Die Gefangenen wurden später unmittelba­r vor der Einnahme der Stadt durch die anschließe­nde britische Strafexped­ition geopfert. Nach der Besetzung der Stadt beschlagna­hmten die Briten die Bronzen als Kriegsbeut­e, die schließlic­h in alle Welt verkauft wurde.

 ?? Foto: Daniel Bockwoldt, dpa ?? Drei Benin‰Bronzen aus Nigeria sind im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe in einer Vitrine ausgestell­t.
Foto: Daniel Bockwoldt, dpa Drei Benin‰Bronzen aus Nigeria sind im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe in einer Vitrine ausgestell­t.

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