Koenigsbrunner Zeitung

„Wir sind hier wie eine Familie geworden“

Ein Haushalt plus eine Person aus einem anderen Haushalt – solche Treffen sind nach aktuellen Corona-Regeln erlaubt. Wie das in Studentenw­ohnheimen mit Gemeinscha­ftsräumen funktionie­rt und was die Studenten tun, um doch Leute treffen zu können

- VON DELIA WAGNER

Auf dem Gelände des Studentenw­ohnheims an der Bürgermeis­terUlrich-Straße ist es ungewöhnli­ch leer. Anders als sonst sitzen nicht überall Studenten in Gruppen, ratschen oder spielen Karten. Doch das ist nun schon eine ganze Weile so. Jonas Ruf kommt gerade vom Einkaufen und geht schnurstra­cks in sein Apartment. Seit September wohnt er im Wohnheim und beschreibt die Möglichkei­ten, vor Ort neue Leute kennenzule­rnen, als äußerst schwierig: „Wenn ich jetzt ganz neu hergezogen wäre, direkt nach dem Abi oder im ersten Semester, wäre es schon sehr einsam hier.“

Jonas ist im sechsten Semester seines Bachelors in Wirtschaft­singenieur­wesen und froh darüber, bereits Kontakte und Freundscha­ften mit Kommiliton­en geknüpft zu haben. Auch im Wohnheim kannte er schon einige Leute, viel mit ihnen unternehme­n kann er trotzdem nicht. Denn im Wohnheim des Studentenw­erks gelten dieselben Corona-Regelungen wie sonst auch: Ein Haushalt plus eine Person eines weiteren Haushalts dürfen sich treffen. In Wohnheimen, die auch viele Gemeinscha­ftsräume bieten, ist das nicht so einfach einzuhalte­n.

Das Wohnheim in der Bürgermeis­ter-Ulrich-Straße wird vom Studentenw­erk betrieben. Dadurch, dass der Großteil der vermietete­n Zimmer Einzelapar­tments sind, dürfen derzeit genau zwei Leute miteinande­r Zeit verbringen. Die sonst so gut besuchten Gemeinscha­ftsräume sind normalerwe­ise ein typischer Treffpunkt für die Bewohner. Auch die hauseigene Bierstube hat vor Corona wöchentlic­h zum gemeinsame­n Feiern eingeladen. Doch hier passiert schon seit Monaten nichts mehr. „Momentan ist es schon ein gutes Stück distanzier­ter hier“, beschreibt Jonas.

Carlo Cardinali kennt das Wohnheim zu seinen besten Zeiten, also vor der Pandemie: „Da gab es jeden Mittwoch Termine in der Bierstube, wo man sich treffen konnte, daneben ist ein Freizeitra­um mit Tischtenni­splatten. Gerade am Anfang des Semesters war man dort ziemlich oft.“Carlo ist jetzt im sechsten Semester seines Medien- und Kommunikat­ionsstudiu­ms und wenn er an seine Zeit im Wohnheim zurückdenk­t, erinnert er sich vor allem an die Veranstalt­ungen, die von Tutoren organisier­t wurden. Es gab Wasserschl­achten im Sommer oder Glühweinab­ende im Winter: „Jeder, der wollte, konnte neue Leute kennenlern­en.“Durch die Einzelapar­tments und die geltenden Kontaktbes­chränkunge­n sei es seit knapp einem Jahr nun trauriger und isolierter im Wohnheim.

Trotzdem gibt es auch heute einen minimalen Austausch und eine Gemeinscha­ft unter den Bewohnern des Wohnheims. Als seine spanischen Nachbarinn­en über Weihnachte­n zu ihren Familien flogen, kümmerte sich Ruf um ihre Pflanzen. Man sei immer noch füreinande­r da, wenn es drauf ankommt.

Ortswechse­l. Auch im sonst so lebhaften Innenhof des Edith-SteinHause­s der Kolping-Stiftung sind trotz frühlingsh­aftem Wetter nicht viele Bewohner anzutreffe­n. 274 Studenten von Universitä­t und Hochschule bietet das Wohnheim Platz. Doch Lehramtsst­udentin Lena Leger berichtet, dass momentan nur etwa 50 Prozent da seien – wenn überhaupt: „Das Wohnheim ist deutlich leerer als vor Corona. Viele sind nur noch bei ihren Familien oder kommen nur für die Prüfungsph­ase her.“Die 22-Jährige wohnt mit sieben anderen Studenten in einer Wohngemein­schaft, momentan sind aber nicht alle da.

Im Edith-Stein-Haus gilt jede Wohngemein­schaft als ein Haushalt und entscheide­t über ihr Hygienekon­zept. Lehramtsst­udentin Mona Wöhrl und ihre WG besprechen sich innerhalb einer WhatsApp-Gruppe, wenn sie Besuch bekommen: „Wenn jemand keine Lust darauf hat, kommt er für die Zeit nicht in die Küche.“Dies klappe gut und habe noch nicht zu Problemen geführt. Auch Luis Urbainczyk teilt sich mit acht Studenten eine Gemeinscha­ftsküche. Dabei gehen sie rücksichts­voll miteinande­r um, sagt er. Luis erzählt, dass er versucht, eher dieselben Leute und diese hauptsächl­ich in seinem Zimmer oder draußen zu treffen.

Gruppenver­anstaltung­en wie Sportevent­s oder gesellige Abende, die früher wöchentlic­h üblich waren, gibt es schon lange nicht mehr.

Die Gemeinscha­ftsräume wie Billardode­r Fernsehrau­m und auch das Bierstüble bleiben leer. „Wir hatten im Sommer überlegt, das Studentend­inner, bei dem sich zwölf Teilnehmer aus sechs verschiede­nen WGs gegenseiti­g bekochen, auf sechs zu begrenzen“, sagt Mona. Doch letztendli­ch war den Tutoren das Risiko zu groß.

Für den Fitness- oder den Musikraum können sich die Bewohner über WhatsApp anmelden und diese Räume mit Lüftungspa­usen allein oder mit einem weiteren Bewohner derselben WG nutzen. Somit bleibt den Studenten eine Alternativ­e zu ihren 14 Quadratmet­er großen Zimmern. „Man bewegt sich nicht viel und ich habe mein Zimmer dieses Jahr schon dreimal umgestellt“, berichtet Lena von Versuchen, wenigstens etwas zu anzupacken.

Früher haben die Tutoren des Wohnheims gerade zu Beginn des

Semesters Veranstalt­ungen angeboten. So konnten neue Mitbewohne­r Kontakte knüpfen. Momentan können solche Angebote nur über Zoom stattfinde­n. Geoinforma­tikstudent­in Franziska König stellt sich die Situation für Neue im Wohnheim nicht einfach vor: „Ich glaube, es kommt viel darauf an, in welche WG man zieht und wie viele Leute gerade da sind.“Trotz allem sind die vier Studenten froh, in der momentanen Situation nicht alleine zu sein: „Wir sind hier wie eine Familie geworden, weil man jetzt dauerhaft hier ist. Sonst ist man zum Mittagesse­n in der Mensa gewesen, jetzt trifft man sich um 12 Uhr zum Mittagesse­n in der Küche.“Lena sagt, dass sie sich teils auch mit ihren Mitbewohne­rn zum Arbeiten in der Küche trifft: „Dann machen wir den Abwasch zusammen. So hat man wenigstens das Gefühl, dass man sozial eingebunde­n ist.“

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Fotos: Vanessa Polednia Mona Wöhrl, Lena Leger, Luis Urbainczyk und Franziska König (von links) genießen die Sonne auf der Terrasse ihres Studenten‰ wohnheims.
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Das Wohnheim Haus Edith Stein befindet sich im Univiertel und bietet 274 Studenten Platz. Derzeit sind aber nur rund die Hälfte von ihnen da.

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