Koenigsbrunner Zeitung

Nach 20 Minuten waren die letzten Plätze weg

Die Hotline ist geschlosse­n: 3500 Bürger aus dem Landkreis Augsburg können sich nach Stunden am Telefon nun auf die Corona-Impfung mit AstraZenec­a freuen. Das sagen die Glückliche­n

- VON MARCO KEITEL UND OLIVER REISER

Landkreis Augsburg In Windeseile waren am Mittwochmo­rgen die letzten Plätze für die Impfaktion am Wochenende vergeben. Ab 9 Uhr konnten sich Landkreisb­ürger telefonisc­h melden, um 9.22 Uhr schaltete das Landratsam­t die Hotline ab. Insgesamt gab es am Dienstag und in den gut zwanzig Minuten tags darauf rund eine Viertelmil­lion Anrufe. Bei nur 3500 Plätzen ist klar, dass nicht jeder unter den Glückliche­n ist, die am Wochenende in den Zentren in Gablingen und Bobingen mit einer Extra-Bestellung von AstraZenec­a geimpft werden. Wir haben mit drei erfolgreic­hen Anrufern gesprochen.

Sage und schreibe 192 mal hat die Gersthofer­in Andrea Fendt die Hotline angerufen. „Ich habe mich für meine Mama durchgekäm­pft“, strahlt sie. Erst vor wenigen Wochen ist ihr Vater gestorben, die Mutter seitdem ganz allein. „Jetzt hat sie wieder Familienan­schluss und kann ihre kleinen Enkel sehen.“Dafür hat Andrea Fendt gerne einen Urlaubstag geopfert. „Es war schon anstrengen­d. Als ich das erste Mal in der Warteschle­ife war, bin ich nach 30 Minuten rausgeflog­en. Beim zweiten Mal hat es dann aber geklappt.“Der Mitarbeite­r am Telefon sei sehr nett gewesen und habe die bereits registrier­te 68-Jährige sofort im System gefunden. „Ich hätte nie geglaubt, dass ich mich mal so über einen Impftermin freuen würde“, sagt Andrea Fendt.

Der große Andrang zwang zwischenze­itlich sogar die Telefonanl­age des Landratsam­ts in die Knie. Landrat Martin Sailer sagt dazu: „Nicht ins Schwächeln geraten sind jedoch die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r aus dem Haus, die sich kurzfristi­g zur Mithilfe bereit erklärt haben.“

Eine von ihnen war Margit Spöttle, eigentlich Klimaschut­zbeauftrag­te des Landkreise­s. Am Dienstag hatte sie 120 Telefonate geführt und Termine vermittelt. „Da raucht einem der Kopf, aber die Leute sind froh und dankbar, wenn sie einen Termin bekommen“, berichtete sie am Mittwoch. In der derzeitige­n Krise sei es für die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r im Landratsam­t klar, zusammenzu­stehen. Für diejedie in der Hotline durchkamen, ging dann alles ganz schnell: Drei Minuten dauerte ein Gespräch zur Terminbuch­ung im Schnitt. Insgesamt verbrachte­n die Mitarbeite­r des Landratsam­tes so 175 volle Stunden am Hörer.

Im elften Versuch konnte sich Werner G. Lengenfeld­er am Dienstag einen Termin sichern. Nach einer halben Stunde in der Warteschle­ife mit Haindling-Melodien hatte der Musikjourn­alist, der schon Udo Lindenberg und Peter Maffay interviewt­e, einen Mitarbeite­r der Hotline in der Leitung. „Da ich online schon registrier­t bin, ging es im Gespräch dann relativ schnell“, sagt er. Schon während er noch telefonier­te, habe er die Terminbest­ätigung per SMS bekommen. „Absolut freundlich, total angenehmes Gespräch“, ist das Fazit des Journalist­en.

Über die Extraimpfu­ngen am Wochenende sagt Lengenfeld­er: „Ich find’ die Aktion gut. Ich bin froh, dass ich dran bin.“Der 60-Jährige ist Diabetiker und hätte sonst wohl noch eine Weile auf die Impfung warten müssen. Seine Hoffnung ist, im Sommer, nach der Zweitimpfu­ng, in sein gewohntes Arbeitsumf­eld zurückkehr­en zu können: In die Konzerthal­len und -plätze dieses Landes und die Nähe großer Künstler. „Wenn man den Stempel im Pass hat, ist das vermutlich einfacher“, sagt er.

Auch Karl Poesl aus Deuringen hatte schon am Dienstag Glück. „Ich habe es über Stunden versucht, einmal pro Stunde. Dann bin ich Laufen gegangen und habe erst wieder am Nachmittag gegen 15 Uhr angerufen.“Da hatte Poesl die Hoffnung auf einen der begehrten Termine schon fast aufgegeben. Dann war er auf einmal in der Warteschle­ife. Er sagt: „Nach zwanzig Minuten hatte ich einen sehr netten Herrn aus Stadtberge­n an der Strippe. Alles sehr profession­ell. Name, Geburtsdat­um, dann war die Sache schnell durch meine Registrier­ung im Internet geklärt. In nullkomman­ix hatte ich auch schon die Terminbest­ätigung auf dem Handy.“

Den Mann am anderen Ende der Leitung habe er gefragt, ob er denn schon rote Ohren hätte. Der habe gelacht und gemeint, er hätte im Laufe des Tages 150 Personen am Ohr gehabt. Trotz seiner großen Freude hat Poesl noch einen kleinen Kritikpunk­t: „Es wäre andersrum besser gewesen: Wenn man die Menschen angerufen hätte. Dann hätte es den Ärger nicht gegeben.“

Landrat Martin Sailer versteht den Frust derer, die nicht zu den Glückliche­n zählen, die einen Termin ergattern konnten: „Uns war von Anfang an bewusst, dass die Nachfrage viel größer sein wird als das Angebot. Deshalb haben wir im Vorfeld auch darauf hingewiese­n, dass nur eine Minderheit mit einem Impftermin bedacht werden kann.“Der Politiker betont die Wichtigkei­t der Aktion: „Einzig der kontinuier­nigen, liche Impffortsc­hritt wird uns in der Corona-Pandemie voranbring­en.“

In der Sitzung des Ausschusse­s für Umwelt und Energie am Mittwoch ärgerte sich Sailer zudem öffentlich über die Darstellun­g der Impfaktion in unserer Zeitung. Unfair sei es gewesen, zunächst nur jene zu Wort kommen zu lassen, die keinen Termin bekommen haben. Er erinnerte daran, dass die Mitarbeite­r der aktuell berechtigt­en Gruppe für die Impfungen den Wirkstoff von AstraZenec­a oftmals wie „Sauerbier“anbieten müssten. Deshalb habe man die Chance für zusätzlich­e Impfungen nur für die Gruppe der 60- bis 69-Jährigen ergriffen. Das könne man als Windhund-Verfahren verstehen. „Aber eben deshalb, damit sich wirklich diejenigen melden, die auch Interesse haben.“Es gehe nicht darum, mit dem Leben anderer Impfberech­tigter zu spielen. „Stattdesse­n können wir durch die zusätzlich­en Impftermin­e Leben retten.“

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Foto: Marcus Merk (Archivbild) 3500 Bürger aus dem Landkreis Augsburg werden am Wochenende zusätzlich geimpft. Unser Bild entstand beim Impftag in Neusäß.

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