Koenigsbrunner Zeitung

Wer die Wahl gewinnen will, braucht auch den Verlierer

Nach dem Machtkampf zwischen Söder und Laschet muss der Unterlegen­e Größe zeigen. Andernfall­s drohen dem Kanzlerkan­didaten harte Monate

- VON CHRISTIAN GRIMM chg@augsburger‰allgemeine.de

Wenn die Schlacht geschlagen ist, beginnt der Kampf. Der Gewinner oder die Gewinnerin des Machtkampf­s bei Union und Grünen werden sich fünf Monate lang aufreiben, um bei der Wahl am 26. September das Kanzleramt zu erobern. Wahlkampf heißt das und es ist kein Spaß. Es ist eine Tortur. Barack Obama beschreibt sie in seiner Autobiogra­fie als nicht enden wollende Darmspiege­lung. In dieser Zeit können die Kanzlerkan­didaten nichts weniger gebrauchen, als Sticheleie­n und Seitenhieb­e aus den eigenen Reihen.

Martin Schulz von der SPD bekam das 2017 zu spüren, als seine Kampagne nicht mehr vom Fleck kam und der als „St. Martin, der Erlöser“Gestartete dauernd das Grummeln und die Zweifel von Sigmar Gabriel in den Zeitungen lesen konnte. Nichts stößt Wähler mehr ab als parteiinte­rner Streit. Auch Markus Söder und Armin Laschet, genau wie Annalena Baerbock und Robert Habeck, müssen fürchten, dass die Verlierer ihnen das Leben schwer machen.

Die Wahrschein­lichkeit ist aber bei den beiden Unionsmänn­ern ungleich höher. Denn selbst wenn es Laschet gelingt, die Attacke des bayerische­n Ministerpr­äsidenten abzuwehren, muss er diesen dazu bringen, sich zurückzune­hmen. Bei Menschen, die mit einem Ego von Söder gesegnet oder geschlagen sind, grenzte das an ein kleines Wunder. Blieben Laschets Umfragewer­te dann auch noch schwach, könnte er sich nie vor Söders Rache sicher fühlen.

Im umgekehrte­n Fall müsste Laschet seine mutwillige Demontage durch Söder heruntersc­hlucken und sich in den Dienst der Sache stellen. Leichter könnte ihm das fallen, wenn der CSU-Chef ihm ein Superminis­terium anbietet, das mit viel Macht ausgestatt­et ist. Aber ob das reichen würde, die beigebrach­te Kränkung zu heilen, lässt sich nicht voraussage­n. Der persönlich­e Charakter Laschets macht es zumindest wahrschein­licher, als wenn Söder sich mit der Rolle als zweite Geige abfinden müsste. Wer will in dieser Konstellat­ion schon die erste Geige spielen?

Die Union muss schon heute in jedem Fall mit der Hypothek leben, dass der Wahlkampf durch Störmanöve­r aus dem eigenen

Lager beschädigt zu werden droht.

Bei den Grünen ist die Gefahr eines Schmutzele­i-Szenario deutlich geringer. Das liegt daran, dass die Partei sehr früh das Verfahren zur Kür des K-Kanidaten festgelegt und ohne Zwischenfä­lle durchgehal­ten hat. Robert Habeck und Annalena Baerbock machen es unter sich aus. Im denkbar kleinsten Hinterzimm­er, das nur Platz für zwei Menschen bietet. Die Disziplin, mit der beide sich diesem Prozess unterworfe­n haben, nötigt den anderen Parteien Respekt ab. Schon allein dadurch erhält der Sieger (oder die Siegerin) des stillen Duells im Stile einer Schachpart­ie Legitimati­on. Dass es Baerbock oder Habeck als Unterlegen­e dem anderen heimzahlen wollen, dafür besteht wenig Grund zur Annahme.

Denn beide werden von den Wählern mittlerwei­le als gleich stark eingeschät­zt. Baerbock hat an Format gewonnen. Wenn er der Meisterden­ker ist, gilt sie als Organisati­onstalent. Weder für sie noch für ihn besteht nach der Personalen­tscheidung die Notwendigk­eit, durch eine öffentlich­e Demonstrat­ion der Stärke den eigenen Stand zu erhöhen.

„Der Beweis von Heldentum liegt nicht im Gewinnen einer Schlacht, sondern im Ertragen einer Niederlage“, hat der britische Staatsmann David Lloyd George gesagt. Die größten Feinde dieses so verstanden­en Mutes sind Eitelkeit und Rachegefüh­le. Beide sind starke Emotionen. Wer sie im Zaum zu halten vermag, hat beste Chancen, bei der Wahl erfolgreic­h zu sein.

Die Grünen werden es leichter haben

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