Koenigsbrunner Zeitung

Die CDU zerstören?

Im Streit zwischen Armin Laschet und Markus Söder geht es nicht einfach nur um die Macht. Es geht um etwas viel Grundsätzl­icheres, eigentlich um alles

- VON GREGOR PETER SCHMITZ gps@augsburger‰allgemeine.de

Markus Söder ist nicht Rezo. Der CSU-Vorsitzend­e trägt keine blauen Haare, und er würde niemals die „Zerstörung“der CDU als Ziel ausrufen. Darin enden aber schon die Unterschie­de zwischen dem Spitzen-Politiker und dem Spitzen-Influencer. Denn letztlich könnten beide das Gleiche erreichen: das Ende der CDU, wie wir sie kennen.

Rezo hat das in einem Video befördert, das millionenf­ach durchs Netz geisterte. Söder befördert es auch öffentlich, sehr sogar. Seine Kampfansag­e an Armin Laschet in der K-Frage ist – anders als bei manchen früheren Duellen zwischen CSU und CDU – kein Ringen um einen Job. Es geht um viel mehr: Diese Kampfansag­e aus Bayern ist auch eine Abschiedse­rklärung an die CDU, die den Begriff „Kanzlerwah­lverein“lange als Kompliment verstanden hat.

Söder (und offenbar viele in der CSU) sehen die CDU als Auslaufmod­ell, ähnlich wie in anderen Ländern, wo christdemo­kratische Traditions­parteien so gut wie verschwund­en sind. Wenn der bayerische Ministerpr­äsident vom „Hinterzimm­er“spricht und damit das mächtige CDU-Präsidium meint (dessen Unterstütz­ung für Laschet angeblich die Parteibasi­s wenig schere), macht er die große Schwesterp­artei auch rhetorisch so klein, wie er diese anscheinen­d mittlerwei­le sieht.

Für Söder selbst hat die Distanzier­ung von den Parteiober­en ironischer­weise bis ganz nach oben geführt. In fast jedes politische Amt ist er von den Parteiober­en keineswegs gerufen worden, eher im Gegenteil. Zuletzt wollten ihn diese, allen voran Horst Seehofer, mit aller Entschloss­enheit als Parteichef und Ministerpr­äsident verhindern – Söder siegte dennoch, weil er vor allem Mandatsträ­ger jahrelang umworben hatte. Seit langem blickt sein Umfeld bewundernd nach Österreich und auf den jungen Sebastian Kurz, der mit dem traditione­llen Parteiensy­stem nichts mehr anfangen kann. Der Franzose Emmanuel Macron, der gleich eine ganze Bewegung ausrief, liegt zwar politisch nicht auf CSU-Linie, gilt aber machtpolit­isch ebenfalls als Vorbild. Also ist der Söder-Satz, sein Platz sei in Bayern, im Prinzip immer noch gültig. Söder sähe sich auch für den Wahlkampf fest verankert in Bayern, seine „Bewegung“soll aber in ganz Deutschlan­d, selbst im tiefsten Osten, Wähler anziehen – sogar dort also, wo die CSU eigentlich gar nicht wählbar ist. So einen Versuch eines persönlich­en, von Parteien entkoppelt­en, Wahlkampfe­s hat es in der deutschen Politik noch nicht gegeben. Nur: Was bleibt dann für die CDU, wenn ihr die ureigenste Kompetenz, Kanzler, von denen es in der deutschen Geschichte nur wenige gab, küren zu können und mit ihnen zu regieren, verloren geht?

Es wäre die ultimative Abdankung als „Kanzlerpar­tei“. Deswegen stehen gerade die Älteren, welche die historisch­e Wucht von Söders Kampfansag­e voll umreißen, so fest an Laschets Seite: allen voran Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble. Der scheint sogar bereit, lieber die Macht aufzugeben als die

Partei – er hat offen gesagt, die Welt ginge nicht unter, wenn die CDU mal nicht den Kanzler stelle. Aber, so scheint Schäuble nun zu ergänzen: Die CDU könnte untergehen, wenn sie sich als Partei Söder unterwerfe. Passend ist, dass Kanzlerin Angela Merkel diese Sorge scheinbar weit weniger umtreibt. Die Partei war für sie immer ein Mittel zur Macht, mehr nicht.

Söder ist Jurist, kein Historiker. Aber die historisch­en Vorbilder für einen von Parteien entkoppelt­en Wahlkampf sind bislang, gelinde gesagt, wenig überzeugen­d. Kurz regiert in Wien mit Unterbrech­ung seit rund vier Jahren, von den Rechten bis zu den Grünen war ihm jeder Koalitions­partner recht. Ein Skandal jagt den nächsten – und das, obwohl das viel kleinere Österreich schon jeden Skandal mitgemacht zu haben glaubte.

Und Macron? Er könnte nächstes Jahr das „hinbekomme­n“, was die verachtete­n Parteipoli­tiker vor ihm zumindest jahrelang verhindert hatten: die rechtsradi­kale Marine Le Pen zu Frankreich­s Präsidenti­n zu machen. Natürlich kann es in Deutschlan­d ganz anders kommen. Aber schon ein kurzes Durchdenke­n der Optionen zeigt: Es geht bei diesem aktuellen Streit um sehr viel, eigentlich um alles.

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Archivfoto: Sven Hoppe, dpa Sein Platz ist (noch) in Bayern: Markus Söder vor bajuwarisc­her Fototapete­nkulisse.

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