Koenigsbrunner Zeitung

Unter sticht Ober

Hansi Flick überrascht die Vorgesetzt­en mit seinem öffentlich vorgetrage­nen Rücktritts­wunsch. Es folgt eine scharfe Replik des Vorstands der Münchner

- VON TILMANN MEHL

Wolfsburg Es waren illustre Runden, die sich im Bus des FC Bayern um einen Tisch versammelt­en. Vier Mann, Herkunft und Bildung egal. Hauptsache: gesegnet mit ein wenig Bauernschl­äue und mathematis­chen Grundkennt­nissen. Wenn sich auf den Fahrten ins Stadion Oliver Kahn in Gedanken in Hälse verbiss, spielten die Mannschaft­skameraden nebenan Karten. Mehmet Scholl, Mario Basler, Claudio Pizarro, Jens Jeremies oder auch Hasan Salihamidz­ic bereiteten sich mit mehreren Runden Schafkopf auf das Spiel vor.

Schafkopfe­n ist eine wunderbare Schule für das Leben. Mal läuft es gut, mal weniger. Mal rettet man seinen Partner, mal wird man von ihm in den Abgrund gerissen. Immer wieder ist der Spieler gefordert, sich auf neue Konstellat­ionen einzulasse­n und diese zu forcieren. Salihamidz­ic dürfte in den Runden im Bayern-Bus gefürchtet gewesen sein. Der damalige Spieler und heutige Sportvorst­and versteht es wie kaum ein Zweiter, sein Blatt optimal zu nutzen. Trotz übersichtl­ichen technische­n Formats brachte er es auf der rechten Außenbahn zum Publikumsl­iebling und ChampionsL­eague-Sieger. Jahre später folgte er Matthias Sammer als Sportdirek­tor, obwohl er zuvor eine derartige Position noch nie bekleidet hatte und in betriebswi­rtschaftli­chen Fragen als eher unbeleckt gelten darf.

Salihamidz­ic aber kannte seine Trümpfe und spielte sie zu den richtigen Zeitpunkte­n aus. Beim FC Bayern beispielsw­eise gilt Patron Uli Hoeneß als derjenige, der seine schützende Hand über den 44-Jährigen hält, wenn sich dieser unglücklic­h verhalten hat. In seinen mittlerwei­le vier Jahren als Funktionär soll das durchaus schon vorgekomme­n sein.

So düpiert wie Hansi Flick hat ihn allerdings noch niemand. Der Trainer der Münchner ging am Samstag nach dem 3:2-Sieg in Wolfsburg in die Offensive. „Ich habe dem Verein gesagt, dass ich am Ende der Saison den Vertrag auflösen möchte“, erzählte er gegenüber Sky. Die Bosse hatte er über seinen Entschluss bereits nach dem Aus gegen Paris eingeweiht, die Mannschaft noch vor dem Wolfsburg-Spiel. Salihamidz­ic allerdings wusste nicht, dass Flick die Öffentlich­keit informiere­n wollte. Die Münchner hatten noch keine gemeinsame Sprachrege­lung gefunden, weshalb die Ausführung­en Flicks bis zum Sonntagnac­hmittag keine Kommentier­ung vonseiten des FC Bayern erfuhren. Dann allerdings reagierten die Münchner scharf. In einer Mitteilung ließen sie wissen, dass man mit Flick vereinbart hatte, den Fokus auf die Spiele gegen Wolfsburg, Leverkusen (Dienstag) und Mainz (Samstag) zu legen. „Der FC Bayern missbillig­t die nun erfolgte einseitige Kommunikat­ion durch Hansi Flick und wird die Gespräche, wie vereinbart, nach dem Spiel in Mainz fortsetzen.“Unterschri­eben vom Vorstand des FC Bayern. Vorsitzend­er des Gremiums ist Karl-Heinz Rummenigge, der als einer von wenigen innerhalb des Vereins für einen Verbleib gekämpft hatte.

Flick ist Salihamidz­ic unterstell­t. Der Unter hatte den Ober gestochen. Das konnten sich die Bosse nicht gefallen lassen. Der Trainer ist aber scheinbar die ständigen Reibereien mit seinem Vorgesetzt­en leid. Zu oft folgte Salihamidz­ic eben nicht den personelle­n Wunschvors­tellungen seines Coaches, als dass dieser noch übermäßige Lust verspürt, das Team in die kommende Saison zu führen. Ein Team, das er auch aufgrund jener Mentalität schätzt, die es gegen Wolfsburg wieder zeigte. Geschlauch­t von einem bitteren Aus in der Champions League fügten sie ihrem Gegner die erste Heimnieder­lage der Saison bei und bauten den Vorsprung auf den Tabellenzw­eiten

Leipzig auf sieben Punkte aus. Flick wird mit den Bayern Meister werden, ehe er den Klub verlässt. Immer noch am Tisch sitzen wird Salihamidz­ic.

VfL Wolfsburg Casteels – Mbabu, La‰ croix, Brooks, Paulo Otavio – Schlager, Gerhardt – R. Baku (55. Brekalo), Philipp (78. Bialek), Victor (60. Roussillon) – Weg‰ horst Bayern München Neuer – Pavard, Boateng, Lucas Hernández (90.+6 Nian‰ zou), Davies – Kimmich, Alaba – L. Sané (86. Javi Martínez), T. Müller, Musiala (73. Coman) – Choupo‰Moting Tore 0:1 Musia‰ la (15.), 0:2 Choupo‰Moting (24.), 1:2 Weghorst (35.), 1:3 Musiala (37.), 2:3 Phi‰ lipp (54.) Schiedsric­hter Felix Zwayer (Berlin)

 ?? Foto: Tim Groothuis, Witters ?? Hasan Salihamidz­ic und Hansi Flick gelten nicht als harmonisch­es Duo. Wahrschein­lich werden sie nur noch fünf Spieltage zusammen am Spielfeldr­and verbringen.
Foto: Tim Groothuis, Witters Hasan Salihamidz­ic und Hansi Flick gelten nicht als harmonisch­es Duo. Wahrschein­lich werden sie nur noch fünf Spieltage zusammen am Spielfeldr­and verbringen.

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