Wohnmobilstellplatz ist auch im Lockdown gefragt
Auf dem Areal an der Wertach stehen auch in diesen Tagen einige Fahrzeuge – obwohl touristische Übernachtungen verboten sind. So mancher fragt sich deshalb: Wer steht denn da? Und: Ist das überhaupt erlaubt?
Manch ein Spaziergänger mag sich in den vergangenen Wochen gewundert haben: Einige Fahrzeuge stehen auf dem Wohnmobilstellplatz an der Wertach in Augsburg. Ein Mann aus der Region, der nicht namentlich genannt werden möchte, macht dieser Anblick sogar wütend: Er würde auch gerne mit seinem Wohnmobil verreisen und ärgere sich deswegen, dass das Verbot touristischer Reisen auf dem Stellplatz an der Wertach nicht eingehalten werde, sagt er. Anrufe unter anderem beim Ordnungsamt und der Polizei hätten ihn nicht weitergebracht. Was ist dran?
Bei einem Anruf im Polizeipräsidium in Augsburg will sich zunächst selbst der Hausjurist nicht festlegen. Das bayerische Innenministerium liefert dann eine Antwort: In Gebieten mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 100 und der damit einhergehenden Ausgangssperre in Bayern ist der Aufenthalt in Wohnmobilen zwischen 22 Uhr abends bis fünf Uhr morgens nicht gestattet. Ausgenommen von dieser Regel sei das eigene Grundstück. Doch das Infektionsschutzgesetz ist noch recht neu, und so müssen die Beamten im Einzelfall entscheiden. Wenn eine Person im Wohnmobil lebe, könne man sie schlecht auf der Straße schlafen lassen, erklärt ein Sprecher des Polizeipräsidiums.
Werner Hardt betreibt den Wohnmobilstellplatz an der Bürgermeister-Ackermann-Straße seit 2007. Er sieht keinen Grund dafür, die Anlage zu schließen. Die Polizei sei mehrmals da gewesen und habe festgestellt, dass alles rechtens zugehe. „Es ist ja im Prinzip ein Parkplatz und kein Campingplatz.“Der gebührenpflichtige Stellplatz auf geschotterten Untergrund hat Platz für bis zu 28 Mobile und stellt Frischwasser, Strom und die Entsorgung von Grauwasser zur Verfügung. Die Menschen, die gerade in Augsburg leben oder arbeiten, müssten ja irgendwo stehen. Und: Wenn sie, also die Wohnmobilbesitzer, nicht dort stünden, würden sie sich eine andere Parkmöglichkeit suchen, sagt Hardt, selbst passionierter Wohnmobilfahrer.
Das bestätigt auch Brigitte Neuhäusler. Sie kennt den Betreiber gut. Seit November steht sie mit ihrem Rapido an der Wertach. Von Urlaub könne hier kaum die Rede sein, sagt sie. Die 69-Jährige und ihr 75-jähriger Lebensgefährte wollen einfach ihr Rentnerleben genießen – und das meistens lieber im Wohnmobil als in einer Wohnung. In Gersthofen hat die Rentnerin noch einen Wohnsitz angemeldet, und wenn Reparaanfallen oder im Wohnwagen doch einmal die Decke auf den Kopf fallen sollte, könnten sie auch dort übernachten.
Zusammen mit ihrem Lebensgefährten übernimmt Neuhäusler die Aufsicht für den Parkplatz und steht zur Seite, falls Neuankömmlinge Fragen haben oder Hilfe brauchen. Ihren Stammplatz weiter vorne auf dem Gelände hat sie vorerst aufgegeben, jedoch nicht, weil das Gedränge so groß wäre: Der Lärm der
Baustelle am Fußgängerweg vor dem Stellplatz ließ das Paar ein Stück weit weg parken.
Die Platzwächter kennen alle Neuankömmlinge auf dem Stellplatz. So arbeite ein Mann zurzeit auf einer Augsburger Großbaustelle und wohne währenddessen in seinem Wohnmobil. Und ein Ehepaar wolle die Tochter unterstützen, die vor Kurzem das zweite Kind bekommen habe. Das besagte Ehepaar kommt gerade von einem Spaziergang mit ihrem Hund und bestätigt dies. Aus dem 600 Kilometer entfernten Eime in Niedersachsen angereist, stehen sie bereits einige Wochen auf dem Wohnmobilstellplatz, um ihrer Tochter zu helfen. „Sie darf nach dem Kaiserschnitt noch nicht schwer heben“, erklären sie. An ihrem Wohnmobil schätzt das Paar die mobile Freiheit und „immer das eigene Zuhause dabeizuhaben“.
Von Urlaub könne man also auch hier nicht sprechen, den Stellplatz finden die Niedersachsen auch nicht besonders ansprechend. „Wir sind nicht so die Stadtmenschen“, erklären die Rentner. Spätestens im Winter wollen sie wieder in ihre zweite Heimat – nach Spanien.
Dass das Leben im Wohnmobil nicht nur Sonnenseiten hat, kennt auch Brigitte Neuhäusler nur zu gut. Im Mai 2020 wurde ihr Lebensgefährte auf dem Gelände von einem Betrunkenen zu Boden geschlagen, als dieser wegen Ruhestörung die Polizei rufen wollte. „Der Betrunkene trat auf meinen Lebensgefährten ein, obwohl er schon auf dem Boden lag“, erinnert sich Neuhäusler. Auf einem anderen Campingplatz in der Region habe zudem ein unachtsamer Fahrer ihren Hund angefahren, der daraufhin eingeschläfert werden musste. Dort hätten sie auch schon Anwohner für ihren Lebensstil im Wohnmobil beleidigt. „Wir sind ordentlich und achten daturen rauf, dass alles sauber bleibt“, verteidigt sich Neuhäusler. Trotzdem möchte das Paar das Leben im Camper nicht missen und – sobald es wieder möglich ist – aufbrechen. Die beiden wollen noch viele Urlaubsziele anfahren, wie Sardinien, Portugal und Korsika. Doch als Erstes soll es zu den Enkelkindern gehen, die in Spanien leben. Die seien zwei, drei, vier und fünf Jahre alt, „wie die Orgelpfeifen“, ergänzt Neuhäusler lachend.
In der näheren Umgebung sei der Stellplatz an der Wertach der einzige geöffnete, sagt Neuhäusler, die nicht nachvollziehen kann, wieso beispielsweise der Wohnmobilplatz in Königsbrunn gesperrt ist. Diese städtische Anlage dort sei „als Maßnahme zur Bekämpfung der Corona-Pandemie“seit dem 3. November 2020 gesperrt, heißt es von der Stadt. Für die Platzwächterin zählt dieses Argument nicht: „Wir halten mit unseren Wohnmobilen naturgemäß Abstand und sind autark: Jeder hat seine eigene Dusche und Toilette.“
Aufgrund des Lockdowns verschiebt sich indes weiterhin auch die Öffnung der beiden Campingplätze in Affing und der Campinganlage am Autobahnsee.