Koenigsbrunner Zeitung

„Viel Leid verbirgt sich hinter den Zahlen“

Mit einem Gottesdien­st erinnert die Stadt an die Corona-Opfer. Für jeden Verstorben­en wird ein Baum gepflanzt

- VON JÖRG HEINZLE

Ein Ölbaum stand am Sonntag auf dem Moritzplat­z in der Augsburger Innenstadt. Und um ihn verteilt 369 kleine Bäume, die in den nächsten Tagen in den Augsburger Wäldern gepflanzt werden. Jeder kleine Baum steht für einen Menschen in Augsburg, der seit Beginn der Corona-Pandemie an oder mit dem Virus gestorben ist. Man gedenke 369 Menschen, die „unsere Stadt mitgelebt, mitgeprägt haben und ein Teil von ihr waren“, sagte Oberbürger­meisterin Eva Weber am Sonntagabe­nd bei einem ökumenisch­en Gedenkgott­esdienst in der Augsburger Moritzkirc­he.

Der Gottesdien­st fand im Rahmen des bundesweit­en Gedenktags für die Corona-Opfer statt, Vertreter mehrerer christlich­er Kirchen in Augsburg wirkten daran mit. Weil in der Kirche wegen der CoronaAufl­agen nur wenige Besucher teilnehmen konnten, wurde die Veranstalt­ung auch live im Internet übertragen. Eva Weber sagte dabei: „Jeder einzelne von uns, jede einzelne, hat seine, hat ihre ganz eigene Corona-Geschichte.“Im schlimmste­n Fall seien Angehörige oder Freunde gestorben. Geliebte Menschen, die jetzt „schmerzlic­h fehlen“. Weber sagte: „Es ist schrecklic­h zu wissen, dass manche ohne eine Verabschie­dung von ihren Angehörige­n sterben mussten.“

Die Oberbürger­meisterin dankte bei dem Gottesdien­st aber auch allen, die sich in der Pandemie engagieren – unter anderem dem Personal in Krankenhäu­sern und den Ehrenamtli­chen der Augsburger Hilfsorgan­isationen. Sie sprach von einer „großen Gemeinscha­ftsleistun­g, die viele über sich hat hinauswach­sen lassen, aber auch erschöpft hat“. Weber erwähnte die Einschränk­ungen und Belastunge­n, unter anderem für Kinder und Jugendlich­e, Familien, Alleinerzi­ehende und Senioren, aber auch für Künstler, Selbststän­dige und Menschen in Kurzarbeit. Es sei wichtig, anzuerkenn­en, dass viele genervt und erschöpft seien. Man dürfe das, auch als Politik, ehrlich zugeben und nicht relativier­en oder kleinreden.

Der katholisch­e Stadtdekan Helmut Haug sagte, man denke bei diesem Gottesdien­st an alle, die Trauern – und an jene, die besonders unter den Umständen der Pandemie leiden. „Viel Leid verbirgt sich hinter den Zahlen, auf die wir jeden Tag starren.“Corona sei ein Fokus, in dem die drängenden Zukunftsfr­agen unserer Welt deutlich gesehen werden könnten.

Die Gesellscha­ft werde künftig viel mehr um Antworten ringen müssen. Corona, so Haug, zeige eine „erschrecke­nde Spaltung“. Es gehe um die Frage, wie wir künftig in Vielfalt, Solidaritä­t und Wertschätz­ung zusammenle­ben können – und nicht nur auf Selbstopti­mierung und wirtschaft­liches Wachstum ausgericht­et. Angesichts solcher Herausford­erungen sei es eigentlich „bizarr“, wenn tagelang drüber diskutiert werde, ob es zumutbar sei, eine Zeitlang ab 21 Uhr abends zuhause zu bleiben.

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Ein Ölbaum, umgeben von 369 kleinen Setzlingen, erinnerte am Sonntag auf dem Moritzplat­z an die Corona‰Opfer in Augsburg.
Foto: Michael Hochgemuth Ein Ölbaum, umgeben von 369 kleinen Setzlingen, erinnerte am Sonntag auf dem Moritzplat­z an die Corona‰Opfer in Augsburg.

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