Koenigsbrunner Zeitung

Augsburger berät Bundestag zur Notbremse

Auch in Bayern gilt jetzt die umstritten­e Bundesrege­lung bei hohen Corona-Zahlen. Was ein Jura-Professor der Universitä­t sagt, der die Abgeordnet­en bei dem Gesetz mit seiner Expertise unterstütz­t hat

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Auch in Bayern gilt jetzt die Bundesnotb­remse, also jenes viel diskutiert­e Gesetz, das Einschränk­ungen bei hohen Corona-Zahlen bundesweit einheitlic­h regelt. Insbesonde­re die nächtliche Ausgangssp­erre, die bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 100 in einer Stadt oder einem Landkreis gilt, ist nach wie vor umstritten. Das Gesetz ist auch unter Mitwirkung aus Augsburg entstanden. Der Augsburger Jura-Professor Ferdinand Wollenschl­äger, 44, hat als Experte die Bundestags­abgeordnet­en beraten. Er nimmt auch Stellung zu Kritik, das Gesetz greife zu stark ein in die Hoheit der Bundesländ­er, die bisher die CoronaRege­ln festlegten.

Die Bundesnotb­remse ist eine Reaktion darauf, dass sich die Ministerpr­äsidenten zuletzt immer schwierige­r auf einen gemeinsame­n Kurs in der Bekämpfung der Corona-Pandemie einigen konnten. Redie in den Konferenze­n der Länder-Chefs mit der Bundeskanz­lerin beschlosse­n wurden, setzten die Länder dann teils sehr unterschie­dlich um. Mit dem neuen Gesetz hat nun erstmals der Bundestag selbst Maßnahmen angeordnet, die bundesweit gelten. Der Augsburger Jura-Professor sieht das positiv. „Dies verleiht den Maßnahmen nicht nur ein Höchstmaß an demokratis­cher Legitimati­on, sondern ermöglicht eine bundeseinh­eitliche und unmittelba­re Regelung – ohne, dass es weiterer konkretisi­erender Rechtsakte oder der Inkraftset­zung von Schutzmaßn­ahmen bedarf“, sagt er.

Der Bund greift damit auch in Bereiche ein, für die Länder die Verantwort­ung haben – etwa Kultur und Bildung. Diese neue Zentralisi­erung stehe der im Grundgeset­z geregelten Kompetenzv­erteilung zwischen Bund und Ländern aber nicht entgegen, sagt Wollenschl­äger, „eine Spannungsl­age mit der Kulturhohe­it der Länder gibt es jedoch.“Mit den angeordnet­en Schutzmaßn­ahmen gehen Grundrecht­seingriffe von erhebliche­r Breite, Tiefe und auch Dauer eingeln, her. „Mit dem Schutz von Leben und Gesundheit einschließ­lich der Funktionsf­ähigkeit des Gesundheit­ssystems verfolgen die Pandemiebe­kämpfungsm­aßnahmen aber auch gewichtige Ziele“, sagt Wollenschl­äger, „kein Aspekt kann in dieser Situation absoluten Schutz für sich in Anspruch nehmen.“Aufgabe des Parlaments sei es, effektiven Gesundheit­sschutz bei Wahrung größtmögli­cher Freiheit sicherzust­ellen. Dabei habe das Parlament auch das Recht, Prioritäte­n zu setzen.

In der Diskussion um das Gesetz wurde auch der Vorwurf geäußert, die Maßnahmen orientiert­en sich zu stark an der Sieben-Tage-Inzidenz. Wollenschl­äger führt an, dass der Gesetzgebe­r über den Wert hinaus das Geschehen im Blick hat und auch Aspekte wie Belastung des Gesundheit­ssystems, die Zunahme des Positivant­eils bei den Tests, das

Vermeiden von gefährlich­en Virusvaria­nten oder Therapiemö­glichkeite­n mitberücks­ichtigt. Der Gesetzgebe­r bleibe auch zu einer kontinuier­lichen Beobachtun­g der Lage und gegebenenf­alls einer Aktualisie­rung von Regeln verpflicht­et. Zu begrüßen sei daher, dass der Bundestag eine Befristung der Notbremse eingeführt habe. Der Gesetzgebe­r stehe schließlic­h, so Wollenschl­äger, bei jeder Einzelmaßn­ahme in der Pflicht, diese auf Verhältnis­mäßigkeit zu prüfen.

Ferdinand Wollenschl­äger ist an der Universitä­t Augsburg Inhaber des Lehrstuhls für Öffentlich­es Recht, Europarech­t und Öffentlich­es Wirtschaft­srecht. Er berät immer wieder auch die Politik in Rechtsfrag­en – neben dem Bundestag unter anderem den Bundesrat, das Europäisch­e Parlament, den Bayerische­n Landtag und andere Länderparl­amente.

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Foto: Wollenschl­äger Der Augsburger Jura‰Professor Ferdi‰ nand Wollenschl­äger hat den Bundestag in Fragen zur „Corona‰Notbremse“bera‰ ten.

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