Im Krimi ums Hohe Meer ist kein Land in Sicht
Die German Property Group will das Baudenkmal in Augsburg sanieren, dann passiert nichts. Nun ermittelt die Justiz, Anlegergelder sind verschwunden. Bis die Immobilie genutzt werden kann, könnte noch viel Zeit vergehen
Im März rückte die Polizei an. Die Ermittler durchsuchten Wohnhäuser und Geschäftsräume, sie beschlagnahmten Datenträger und Unterlagen. 24 Umzugskartons mit Beweismaterial nahmen sie bei der Razzia mit, 6000 Aktenordner bekamen sie vom Insolvenzverwalter der German Property Group gestellt. Es ging um einen schwerwiegenden Verdacht: Haben Verantwortliche der insolventen Firmengruppe Tausende Anleger um ihr Geld betrogen? Steht hinter dem Geschäftsmodell ein gigantischer, globaler Skandal um heruntergekommene Immobilien, darunter das Hohe Meer in der Frauentorstraße in Augsburg? Es geht jedenfalls um enorme Summen. Und um die Frage, wo das Geld versickert ist.
Das Gebäude in der Frauentorstraße fällt Passanten schon deshalb auf, weil ein Teil der Fassade schick saniert ist, die Frontpartie des Erdgeschosses aber ausgespart wurde – und weil die Immobilie wie eine Bauruine wirkt, wenn man durch die vergilbten Fenster ins unrenovierte Innere blickt. Früher einmal hatte in dem Gebäude eine Gaststätte ihren Platz, die den markanten Namen „Hohes Meer“trug; noch heute ist das Haus in Augsburg darunter bekannt. Seit Jahren gehört das leer stehende Gebäude einer Immobilienfirma, die früher Dolphin Capital hieß, dann Dolphin Trust – und die sich heute German Property Group nennt. Sie wollte 13 Luxuswohnungen in der denkmalgeschützten Immobilie errichten, erste Vermarktungsaktionen dafür reichen bis ins Jahr 2011 zurück. Doch aus einer Sanierung wurde nie etwas, und nun ist die German Property Group pleite; die Hauptfirma der Gruppe hat vor Monaten Insolvenz angemeldet. Die Hintergründe des Falles sind ein regelrechter Wirtschaftskrimi.
Das Geschäftsmodell der Firmengruppe mit heutigem Sitz in Bremen beinhaltete, dass sie für die Sanierung und Vermarktung von denkmalgeschützten Immobilien in Deutschland Gelder von Anlegern im Ausland einsammelte. Und das tat sie offenbar im großen Stil. Ein früherer Insolvenzverwalter sprach gegenüber unserer Redaktion von etwa einer Milliarde Euro, die Anleger insgesamt investiert hätten. Viele der mutmaßlich geschädigten Investoren sollen aus dem asiatischen Raum oder aus Großbritannien und Irland stammen. Auch der jetzige Insolvenzverwalter Justus von Buchwaldt nennt derart hohe Summen. Gegenüber dem NDR-Politikmagazin „Panorama 3“sagte er zuletzt, dass „Milliardenbeträge als Geldfluss irgendwo vorhanden gewesen sein müssen“, was der frühere Firmeninhaber und Hauptverdächtige aber bestreitet.
Doch viele Sanierungsprojekte der German Property Group, nicht nur das Hohe Meer, wurden einfach nicht fertig. In Augsburg gibt es etwa neben dem Hohen Meer noch eine weitere Bauruine der Firmengruppe, die Proviantbachgärten in der Proviantbachstraße, wo in drei Altbauten 33 Wohnungen entstehen sollten. Probleme mit Immobilienprojekten der Gruppe gab es auch in Bamberg, in Hanau und in anderen Kommunen in Deutschland. Wo all das Geld hinfloss, ist derzeit offenbar nach wie vor die große Frage. Die Geldströme seien „völlig intransparent“, sagt von Buchwaldt.
Absehbar ist allerdings, dass die
Bauruinen in Augsburg noch eine ganze Weile bestehen werden. Oliver Eisenhauer, Sprecher der ermittelnden Staatsanwaltschaft Hannover, sagt auf Anfrage, man werde für die Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen noch weit ins Jahr 2021 brauchen. Die Kripo Hannover hat für den Fall eigens eine Ermittlungskommission gegründet, eine Art Sonderkommission, sie nennt sich „Denkmal“. Auch der Staatsanwalt spricht von rund einer Milliarde Anlegergelder, die eingesammelt worden seien. Was die Firmengruppe dem gegenüber noch an Vermögenswert habe, sei noch nicht klar, viele Immobilien müssten erst von Sachverständigen bewertet werden. Unklar ist daher bislang auch, wie hoch die Ermittler den Schaden ansetzen, der entstanden sein könnte, sollten die Vorwürfe gegen die Verantwortlichen der Firmengruppe zutreffen.
Klar ist aber: Um geringe Beträge geht es nicht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit gegen drei Beschuldigte, es geht unter anderem um den Verdacht des Anlagebetrugs. Hauptverdächtiger ist der Gründer der Firmengruppe, Charles S., ein 60 Jahre alter, britischer Geschäftsmann, der bei Hannover lebt. Würde eine bayerische Staatsanwaltschaft das Verfahren führen, säße er möglicherweise in Untersuchungshaft, aber S. ist weiterhin ein freier Mann. Er verhalte sich kooperativ, habe seinen Reisepass abgegeben und lebe auch schon seit langer Zeit in Deutschland, heißt es von der Staatsanwaltschaft auf Anfrage. Es gebe schlicht keinen Haftgrund, auch nicht Fluchtgefahr.
Die Ermittler warten auf die vollständige Einlassung des 60-Jährigen, in den vergangenen Tagen schickte er offenbar einen weiteren
Teil seiner schriftlichen Aussage an die Staatsanwaltschaft.
Bleibt die Frage, was einmal aus dem Hohen Meer im Augsburger Domviertel wird. Beantworten kann sie derzeit so recht noch niemand. Die Projektgesellschaft Dolphin Capital 32. Projekt GmbH & Co. KG, laut Grundbuch Eigentümerin der Immobilie in der Frauentorstraße, hat vor Monaten Insolvenz beantragt, das Verfahren ist allerdings noch nicht eröffnet und wird es vor dem Sommer wohl auch nicht. Im Fall von noch nicht eröffneten Verfahren könne die Firma des Insolvenzverwalters „noch gar nichts machen und auch wenig dazu sagen“, sagt eine Sprecherin. Danach komme es auf den Einzelfall an, und „auch hier wird der Prozess zur Verwertung Jahre dauern“. Keine allzu rosigen Aussichten also für das Baudenkmal in der Frauentorstraße.