Koenigsbrunner Zeitung

Sie packen seit 15 Jahren bei der Tafel an

An den Start der Königsbrun­ner Tafel erinnern sich viele Mitarbeite­r noch mit Grausen. Doch über die Jahre gab es auch viele schöne Erinnerung­en

- VON ADRIAN BAUER

Königsbrun­n Dass jedem Anfang ein Zauber innewohnt, können die Mitarbeite­rinnen der Königsbrun­ner Tafel nur bedingt bestätigen. Die erste Lebensmitt­elausgabe für Bedürftige fand in einem herunterge­kommenen ehemaligen Bauernhaus an der Unteren Kreuzstraß­e statt, dass dafür nur sehr bedingt geeignet war. Eine Einführung, wie die Arbeit zu funktionie­ren hat, gab es auch nicht. So stellten die Frauen und Männer eben selbst ein System für ihren sozialen Dienst auf die Beine, das nach 15 Jahren immer noch bestens funktionie­rt. Nach dem holprigen Start sammelte das Tafelteam noch viele schöne und einige lustige Erinnerung­en.

Bevor am 27. April 2006 die ersten 30 Kunden ihre Lebensmitt­el bekamen, hatten fünf Mitglieder des Tafelteams über zwei Monate hinweg daran gearbeitet, das Erdgeschos­s des alten Hauses halbwegs instand zu setzen. Doch selbst danach waren die Verhältnis­se grenzwerti­g, erinnern sich die acht Mitarbeite­rinnen der ersten Stunde, die zum Jubiläumsg­espräch gekommen sind: Jutta Bromby, Agnes Renner, Marieliese Philipp, Anna Thorandt, Heidi Hauschka, Elisabeth Hertlen, Ingrid Paul und Gabriele Bauer gehören seitdem zu einem festen Kreis von Engagierte­n. Daran konnte auch nichts ändern, dass im Haus regelmäßig die Sicherung heraus sprang, dass es in der Toilette kein Waschbecke­n gab oder dass in der Küche der Boden so unhygienis­ch war, dass eine der Helferinne­n von zu Hause einen Teppich mitbrachte.

Die Tafelmitar­beiterinne­n machten das Beste aus den Gegebenhei­ten: In den beengten Räumen musste man sich gut organisier­en, um einen halbwegs geordneten Betrieb hinzubekom­men. Damit die Kunden nicht im Regen warten mussten, wurde nach einiger Zeit ein alter Bauwagen aufgestell­t. Erstaunt waren die Mitarbeite­rinnen über die ersten Kunden. Viele junge Burschen seien darunter gewesen, bei denen man dachte: Die sollen lieber arbeiten gehen, erzählen sie. Heute habe sich das Klientel geändert, sagt die Vorsitzend­e Marianne Kowarschic­k: Es kommen mehr Asylbewerb­er und ältere Menschen, die Grundsiche­rung beziehen.

2011 zog die Tafel in den Osten der Stadt um und residierte im Sportpavil­lon – im Vergleich zum vorherigen Standort eine LuxusHerbe­rge: „Eigentlich war das sogar die schönste Zeit“, sagt Ingrid Paul. Die Kunden kamen schon vor Beginn der Ausgabe und saßen an den Tischen für einen Ratsch zusammen. Die Lebensmitt­el konnten über die Fenster bequem in den Gastraum gebracht werden. So viel

Platz hat man nun nicht mehr, in den von der Caritas gebauten Räumen an der Ulrichskir­che, die 2015 bezogen wurden. Dass sich Tafel und Kleiderkam­mer den großen Raum teilen müssen, finden die Mitarbeite­rinnen ausbaufähi­g. „Auf der anderen Seite muss man sagen, dass es kaum Tafeln gibt, die bessere Räume haben als wir“, sagt die Vorsitzend­e Marianne Kowarschic­k. Sie ist nicht ganz von Anfang an dabei, führt aber seit 2011 als Nachfolger­in von Ursula Dengel und Jutta Bromby den Vorsitz.

Die Heimstätte­n der Tafel haben sich in den 15 Jahren geändert, eines ist gleich geblieben: An den Donnerstag­en muss richtig zugepackt werden. Die Fahrer fahren morgens die Supermärkt­e, Bäckereien und Metzgereie­n an, um die Ware abzuholen. Auch bei den Händlern sind viele schon seit der ersten Stunde dabei. Hilfreiche Hände räumen die Lebensmitt­el dann in die TafelRäume. Wegen der Corona-Auflagen packt das Helferteam derzeit jedem Kunden eine Kiste mit Waren, die dann vor der Tür übergeben wird. Seit 2017 gibt es zudem einen Bringdiens­t für Menschen, die nicht mehr selbst zum Ulrichspla­tz kommen können.

Die Tafelmitar­beiterinne­n haben seit dem Beginn viele besondere Begegnunge­n gemacht. Einen geradezu hollywoodr­eifen Auftritt legte eine kräftige Afrikaneri­n hin: Sie versuchte erst, Waren aus dem Lieferwage­n zu stehlen, dann verlangte sie lautstark Sonderrech­te bei der Vergabe und beschimpft­e die Mitarbeite­rinnen. Als sie schließlic­h gebeten wurde zu gehen, ohrfeigte sie auf dem Weg nach draußen einen wartenden Kunden und stellte sich schließlic­h auf den Parkplatz und weigerte sich zu gehen. Doch solche Auftritte sind die Ausnahme, sagt Marieliese Philipp: „90 Prozent unserer Kunden treten bescheiden und dankbar auf.“

Ingrid Paul hat durch die Tafel beispielsw­eise eine Oma und ein Enkelkind gewonnen: Mit einer der ersten Kundinnen entwickelt­e sich eine Freundscha­ft und noch heute besucht Paul die 95-Jährige zu jedem Geburtstag. Und den Enkel hat sie ebenfalls seit dem ersten Tag: „Das war das erste Kind, das mit seiner Mutter zur Tafel kam, kam sofort zu mir an die Hand.“Besonders freut die Helferinne­n, wenn sie von ehemaligen Kunden hören. Eine ältere Dame strickt jedes Jahr für die Mitarbeite­r Mützen, Schals und Socken – und die Tafel sammelt wiederum Wolle für die Geschenke. Bei einer Aktion im Edeka-Markt im vergangene­n Jahr überreicht­e eine junge Mutter Marianne Kowarschic­k einen Einkaufswa­gen voller Lebensmitt­el als Spende. „Sie war einige Jahre Kundin bei uns, konnte dann studieren und sagte, sie möchte nun etwas zurückgebe­n“, sagt die Tafel-Vorsitzend­e.

Überhaupt ist die Tafel eine Anlaufstel­le für viele Menschen geworden, die Mitbürgern etwas Gutes tun wollen. Darunter sind Organisati­onen wie der Königsbrun­ner Hilfsfonds und die Kirchen, aber auch Privatleut­e. Ein Spender brachte Fleisch vorbei, das bei einer Grillparty übrig geblieben war. Eine Rentnerin bringt alle paar Wochen einen Kofferraum voller Lebensmitt­el vorbei. Die Mitarbeite­rinnen freuen diese Zeichen der Wertschätz­ung. Übereinsti­mmend sagen sie, dass sie weiter gerne jeden Donnerstag zu ihrem Dienst kommen.

 ?? Foto: Adrian Bauer ?? Seit 15 Jahren geben die Mitarbeite­rinnen der Königsbrun­ner Tafel Lebensmitt­el aus. Alle abgebildet­en Personen waren corona‰ getestet und haben die Maske nur fürs Foto abgenommen.
Foto: Adrian Bauer Seit 15 Jahren geben die Mitarbeite­rinnen der Königsbrun­ner Tafel Lebensmitt­el aus. Alle abgebildet­en Personen waren corona‰ getestet und haben die Maske nur fürs Foto abgenommen.

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