Sie packen seit 15 Jahren bei der Tafel an
An den Start der Königsbrunner Tafel erinnern sich viele Mitarbeiter noch mit Grausen. Doch über die Jahre gab es auch viele schöne Erinnerungen
Königsbrunn Dass jedem Anfang ein Zauber innewohnt, können die Mitarbeiterinnen der Königsbrunner Tafel nur bedingt bestätigen. Die erste Lebensmittelausgabe für Bedürftige fand in einem heruntergekommenen ehemaligen Bauernhaus an der Unteren Kreuzstraße statt, dass dafür nur sehr bedingt geeignet war. Eine Einführung, wie die Arbeit zu funktionieren hat, gab es auch nicht. So stellten die Frauen und Männer eben selbst ein System für ihren sozialen Dienst auf die Beine, das nach 15 Jahren immer noch bestens funktioniert. Nach dem holprigen Start sammelte das Tafelteam noch viele schöne und einige lustige Erinnerungen.
Bevor am 27. April 2006 die ersten 30 Kunden ihre Lebensmittel bekamen, hatten fünf Mitglieder des Tafelteams über zwei Monate hinweg daran gearbeitet, das Erdgeschoss des alten Hauses halbwegs instand zu setzen. Doch selbst danach waren die Verhältnisse grenzwertig, erinnern sich die acht Mitarbeiterinnen der ersten Stunde, die zum Jubiläumsgespräch gekommen sind: Jutta Bromby, Agnes Renner, Marieliese Philipp, Anna Thorandt, Heidi Hauschka, Elisabeth Hertlen, Ingrid Paul und Gabriele Bauer gehören seitdem zu einem festen Kreis von Engagierten. Daran konnte auch nichts ändern, dass im Haus regelmäßig die Sicherung heraus sprang, dass es in der Toilette kein Waschbecken gab oder dass in der Küche der Boden so unhygienisch war, dass eine der Helferinnen von zu Hause einen Teppich mitbrachte.
Die Tafelmitarbeiterinnen machten das Beste aus den Gegebenheiten: In den beengten Räumen musste man sich gut organisieren, um einen halbwegs geordneten Betrieb hinzubekommen. Damit die Kunden nicht im Regen warten mussten, wurde nach einiger Zeit ein alter Bauwagen aufgestellt. Erstaunt waren die Mitarbeiterinnen über die ersten Kunden. Viele junge Burschen seien darunter gewesen, bei denen man dachte: Die sollen lieber arbeiten gehen, erzählen sie. Heute habe sich das Klientel geändert, sagt die Vorsitzende Marianne Kowarschick: Es kommen mehr Asylbewerber und ältere Menschen, die Grundsicherung beziehen.
2011 zog die Tafel in den Osten der Stadt um und residierte im Sportpavillon – im Vergleich zum vorherigen Standort eine LuxusHerberge: „Eigentlich war das sogar die schönste Zeit“, sagt Ingrid Paul. Die Kunden kamen schon vor Beginn der Ausgabe und saßen an den Tischen für einen Ratsch zusammen. Die Lebensmittel konnten über die Fenster bequem in den Gastraum gebracht werden. So viel
Platz hat man nun nicht mehr, in den von der Caritas gebauten Räumen an der Ulrichskirche, die 2015 bezogen wurden. Dass sich Tafel und Kleiderkammer den großen Raum teilen müssen, finden die Mitarbeiterinnen ausbaufähig. „Auf der anderen Seite muss man sagen, dass es kaum Tafeln gibt, die bessere Räume haben als wir“, sagt die Vorsitzende Marianne Kowarschick. Sie ist nicht ganz von Anfang an dabei, führt aber seit 2011 als Nachfolgerin von Ursula Dengel und Jutta Bromby den Vorsitz.
Die Heimstätten der Tafel haben sich in den 15 Jahren geändert, eines ist gleich geblieben: An den Donnerstagen muss richtig zugepackt werden. Die Fahrer fahren morgens die Supermärkte, Bäckereien und Metzgereien an, um die Ware abzuholen. Auch bei den Händlern sind viele schon seit der ersten Stunde dabei. Hilfreiche Hände räumen die Lebensmittel dann in die TafelRäume. Wegen der Corona-Auflagen packt das Helferteam derzeit jedem Kunden eine Kiste mit Waren, die dann vor der Tür übergeben wird. Seit 2017 gibt es zudem einen Bringdienst für Menschen, die nicht mehr selbst zum Ulrichsplatz kommen können.
Die Tafelmitarbeiterinnen haben seit dem Beginn viele besondere Begegnungen gemacht. Einen geradezu hollywoodreifen Auftritt legte eine kräftige Afrikanerin hin: Sie versuchte erst, Waren aus dem Lieferwagen zu stehlen, dann verlangte sie lautstark Sonderrechte bei der Vergabe und beschimpfte die Mitarbeiterinnen. Als sie schließlich gebeten wurde zu gehen, ohrfeigte sie auf dem Weg nach draußen einen wartenden Kunden und stellte sich schließlich auf den Parkplatz und weigerte sich zu gehen. Doch solche Auftritte sind die Ausnahme, sagt Marieliese Philipp: „90 Prozent unserer Kunden treten bescheiden und dankbar auf.“
Ingrid Paul hat durch die Tafel beispielsweise eine Oma und ein Enkelkind gewonnen: Mit einer der ersten Kundinnen entwickelte sich eine Freundschaft und noch heute besucht Paul die 95-Jährige zu jedem Geburtstag. Und den Enkel hat sie ebenfalls seit dem ersten Tag: „Das war das erste Kind, das mit seiner Mutter zur Tafel kam, kam sofort zu mir an die Hand.“Besonders freut die Helferinnen, wenn sie von ehemaligen Kunden hören. Eine ältere Dame strickt jedes Jahr für die Mitarbeiter Mützen, Schals und Socken – und die Tafel sammelt wiederum Wolle für die Geschenke. Bei einer Aktion im Edeka-Markt im vergangenen Jahr überreichte eine junge Mutter Marianne Kowarschick einen Einkaufswagen voller Lebensmittel als Spende. „Sie war einige Jahre Kundin bei uns, konnte dann studieren und sagte, sie möchte nun etwas zurückgeben“, sagt die Tafel-Vorsitzende.
Überhaupt ist die Tafel eine Anlaufstelle für viele Menschen geworden, die Mitbürgern etwas Gutes tun wollen. Darunter sind Organisationen wie der Königsbrunner Hilfsfonds und die Kirchen, aber auch Privatleute. Ein Spender brachte Fleisch vorbei, das bei einer Grillparty übrig geblieben war. Eine Rentnerin bringt alle paar Wochen einen Kofferraum voller Lebensmittel vorbei. Die Mitarbeiterinnen freuen diese Zeichen der Wertschätzung. Übereinstimmend sagen sie, dass sie weiter gerne jeden Donnerstag zu ihrem Dienst kommen.