Koenigsbrunner Zeitung

Schmerzfre­ie Füße sind ihr Beruf

Emilia Liepert und Marco Meltzer machen eine Ausbildung zum Orthopädie­schuhmache­r. Was die jungen Leute an dem Handwerk fasziniert

- VON ANDREAS DENGLER

Neusäß Marco Meltzer beugt sich über das Einlagen-Regal, seine Kollegin Emilia Liepert steht neben ihm. Ihr Blick wechselt zwischen den Einlegesoh­len und einem Stück Papier hin und her. Der kleine Rollwagen vor ihnen ist voll mit Einlagen, Schuhen und Zetteln.

Die Berufseins­teiger machen eine Ausbildung zum Orthopädie­schuhmache­r in der Werkstatt von Alexandra Stuhler und Jörg Aumann in Neusäß-Westheim im Kreis Augsburg. Auf dem Papier ist ein Paar Füße in Originalgr­öße abgedruckt. Für diese Füße werden die Sohlen gemacht, sie sind die Vorlage. Meltzer arbeitet ruhig und konzentrie­rt. Der Maschinenl­ärm und die Gesprächsf­etzen in dem kleinen Produktion­sraum blendet er aus.

In der linken Hand hält er einen langen Zimmermann­sbleistift, in der rechten einen Kugelschre­iber. Den Bleistift nutzt er als Lineal, er misst auf der Vorlage und auf den Einlagen. Er vergleicht, überlegt und setzt einen kurzen Strich auf die Sohlenober­fläche. Mit dem Strich markiert er die Position für die Pelotte, die er später auf den Sohlenrohl­ing kleben wird. Zuerst die rechte, dann die linke Sohle. Das kleine Polster aus Moosgummi helfe beispielsw­eise gegen Spreizfüße und ermögliche dem Träger wieder ein schmerzfre­ies Laufen, sagt er. Meltzer ist bereits im zweiten Lehrjahr, in wenigen Wochen wird er seine Zwischenpr­üfung schreiben.

Die Haare trägt er zum Scheitel, immer wenn er sich vorbeugt und die Sohlen mit der Kopie abgleicht, fallen sie ihm leicht ins Gesicht. Mit einer schnellen Handbewegu­ng streift er sie aus den Augen, er braucht den Durchblick. Er darf jetzt keinen Fehler machen, sonst war die ganze Arbeit umsonst. Bevor er die Pelotten anklebt, überprüft ein ausgelernt­er Kollege die Position. Die Markierung passt, Meltzer kann mit dem Spezialkle­ber die Pelotte anbringen. Sieben Arbeitssch­ritte sind vom Rohling bis zur fertigen Einlage notwendig.

„Unsere Kunden kommen nicht aus Vergnügen, wer etwa einen Fersenspor­n hat, der hat einen Leidensdru­ck“, betont Orthopädie­schuhmache­rmeister Aumann. Die beiden Auszubilde­nden sind sich dieser Verantwort­ung bewusst. Dass sie mit ihrer Arbeit Schmerzen lindern, mache sie stolz. „Das verleiht der Arbeit einen tieferen Sinn“, sagt Meltzer. Die Ausbildung zum Orthopädie­schuhmache­r ist Meltzers zweite Ausbildung. Gleich nach dem Realschula­bschluss absolviert­e er eine Lehre zum Automobilk­aufmann. Er hat sie abgeschlos­sen, weiter in dem Beruf arbeiten wollte er nicht. „Als Orthopädie­schuhmache­r kann ich was mit meinen Händen machen“, sagt er. „Das hat mir im Büro gefehlt.“

Emilia Liepert startete im Herbst in ihre Ausbildung. In einem Praktikum bewies sie ihr Talent und sicherte sich so den Lehrstelle­nplatz. „Es geht nicht um Noten“, sagt der Ausbilder. Wichtiger seien Engagement und Talent. Neben Einlagen fertigen Orthopädie­schuhmache­r auch Schuhzuric­htungen und Maßschuhe. Bei den Zurichtung­en werden Konfektion­sschuhe nach den Bedürfniss­en der Träger umgearbeit­et. Kunden mit unterschie­dlichen Beinlängen, mit Arthrose oder Hallux ordern die Zurichtung­en, um so wieder schmerzfre­i zu laufen.

Ab dem dritten Lehrjahr arbeiten die Auszubilde­nden verstärkt bei der Produktion von Orthopädie­und Therapiesc­huhe mit. Für die Anfertigun­g der Maßschuhe müssen sie die Wünsche der Kunden und die Vorgaben des fachärztli­chen Rezepts genau beachten.

Weil ihre Tätigkeit systemrele­vant ist, blieb den Azubis eine Zwangspaus­e während der Pandemie erspart. „Unser Beruf ist absolut krisensich­er“, betont Meltzer. Um seine berufliche Zukunft macht er sich keine Sorgen. Gesundheit liege im Trend, sogar immer mehr junge Leute würden inzwischen auf gesunde Füße achten, sagt er.

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Foto: Ulrich Wagner Emilia Liepert und Marco Meltzer werden Orthopädie­schuhmache­r. Am Einlagen‰Re‰ gal fertigen sie individuel­le Einlegesoh­len und ermögliche­n ihren Kunden damit wie‰ der ein schmerzfre­ies Gehen.
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