Das Schwert soll erst der Anfang sein
Das Schwert aus der Zeit der Lechfeldschlacht soll in Königsbrunn nicht nur einen Ehrenplatz erhalten. Die Stadt möchte zu einem Sammelpunkt des Wissens werden
Königsbrunn Das Schwert auf dem kleinen Tisch im Königsbrunner Kulturbüro ist für dessen Leiterin Rebecca Ribarek und Bürgermeister Franz Feigl ein großer Glücksfall. Sie sind nicht nur dankbar, dass die Familie des Finders Herbert Birk die bestens erhaltene Waffe der Stadt überlassen hat. Das Relikt aus der Zeit der Lechfeldschlacht sehen sie auch als Startpunkt, Königsbrunn und die Dioramenausstellung im Infopavillon 955 zu einem Anziehungsund Sammelpunkt für das Wissen um die teils historisch verbürgten, teils mythischen Geschehnisse rund um den Einfall der Magyaren im Jahr 955 zu machen.
Der bürokratische Aufwand, das Schwert tatsächlich als Dauerleihgabe für die Königsbrunner Ausstellung zu bekommen sei groß gewesen, sagt Ribarek: „Wir sind der Familie Birk sehr dankbar, dass sie die vielen Anfragen und Vertragsunterschriften so geduldig mitgemacht haben.“Die Archäologen um Rainer Linke vermittelten zudem die Kontakte zu den richtigen Stellen, um das Relikt in Königsbrunn behalten zu können. Für die Stadt bedeute das Schwert ein besonderer Schatz, weil aus der Zeit der Lechfeldschlacht kaum Gegenstände erhalten sind und wenn, dann meist nicht in derart gutem Zustand.
Dieser Schatz soll auch angemessen präsentiert werden, sobald er im Landesamt für Denkmalpflege so behandelt wurde, dass er nicht weiterrostet. Rebecca Ribarek wird am 4. Mai die entsprechenden Pläne im Hauptausschuss des Königsbrunner Stadtrats vorstellen. Um dem Schwert einen Ehrenplatz in der Dioramen-Ausstellung geben zu können, sollen die Räume geringfügig umgebaut werden.
Die Vitrine mit dem Schwert, das einem deutschen Kämpfer gehört hat, soll dann gemeinsam mit dem nachgebauten ungarischen Reflexbogen den Abschluss der Führung bilden. Diese Gegenüberstellung soll auch ein Hinweis auf die neue Stoßrichtung geschichtlicher Darstellung sein, den Kulturbüroleiterin und Bürgermeister sich für die Ausstellung wünschen: Bislang wird die Geschichte vor allem aus deutscher Perspektive erzählt. Doch in Zukunft soll auch die ungarische Sicht auf die Ereignisse verstärkt in die Aufarbeitung mit einfließen: Rebecca Ribarek hofft, dass sie über bestehende Netzwerke Kontakte zu ungarischen Historikern knüpfen könne, die zu den Ereignissen um 955 forschen.
Doch auch im weiteren Umland gebe es noch jede Menge Wissensschätze zu heben, sind sich Ribarek und Feigl sicher. Der Königsbrunner Bürgermeister ist selbst sehr geschichtsinteressiert und kundig zu den Verhältnissen rund um die Schlacht. „Punktuell gibt es immer wieder großes Wissen um die damaligen Geschehnisse, die aber nirgends richtig gebündelt werden“, sagt Feigl. Als Beispiel nennt er den Keferloher Montag, einen Viehmarkt in einem Weiler im Südosten von München. Diese Veranstaltung geht auf die Lechfeldschlacht zurück: Zwei besonders tapfere Kämpfer erhielten die Erlaubnis, die Pferde der Ungarn zusammenzutreiben und zu verkaufen.
Das Wissen um diese vielen kleinen Zusammenhänge soll in Königsbrunn einen Platz finden, ebenso wie die Erkenntnisse und Theorien vieler hauptamtlicher Historiker und Hobbyforscher. „Wenn die Vitrine für unser Schwert fertig und Corona vorbei ist, würden wir gerne so viele Menschen wie möglich einladen, die sich mit der Geschichte auseinandersetzen“, sagt Rebecca Ribarek. Gemeinsam mit Historiker Manfred Kosch, der die Führungen durch die Dioramen-Ausstellung leitet, recherchiert sie zu möglichen Ansatzpunkten. Dabei sollen dann auch die vielen offenen Fragen zum Thema thematisiert werden. Beispielsweise gibt es eine Vielzahl von Theorien, wo die Schlacht nun tatsächlich stattgefunden hat. Andere wiederum gehen von einer Vielzahl kleinerer Kampfhandlungen in einem weiten Umkreis aus.
Dazu kommen zahlreiche soziale Fragen: Was ist zu den Lebensumständen der Menschen damals bekannt? Die Bevölkerung lebte meist in bitterer Armut. „Vermutlich musste eine enorme Furcht vor den Ungarn vorherrschen, um die deutschen Stämme zu vereinen und so große Heere aufzustellen“, sagt Feigl. Für die Fürsten bedeuteten solche kriegerischen Aktionen im
Umkehrschluss Probleme bei der Versorgung, weil die Männer im Kriegsdienst nicht auf den Feldern arbeiten konnten. Und auch hier gehört wiederum die ungarische Perspektive hinzu. Denn auch dort sind viele Fragen offen: Warum machten sich die Magyaren auf den Weg? Wie waren die Reiterheere organisiert? War es ein geschlossenes Heer oder mehrere Züge?
Der Mythos Lechfeldschlacht bietet also noch sehr viele Ansatzpunkte. Auch das gefundene Schwert sei solch ein Punkt, sagt die Kulturbüroleiterin: „Es zeigt, dass man auch heute noch auf Relikte aus der Geschichte stoßen kann.“Dass jemand per Zufall doch noch bei einer Grabung auf ein großes Schlachtfeld stößt, kann sie sich aber nicht vorstellen. Selbst wenn es dies gegeben hätte, dürfte nicht allzu viel übrig geblieben sein, sagt auch Bürgermeister Feigl: „Die meisten Menschen waren bettelarm, die haben mit Sicherheit alles mitgenommen, was sie bei einem Toten gefunden haben – von den Waffen bis zur letzten Lederschnur.“Schon allein der Fund des Schwertes sei ein enormer Glücksfall: „Solch eine Waffe stellte einen enormen Wert dar. Hätte sie der Besitzer nur verloren, hätte er sie mit Sicherheit lange gesucht.“Nun freuen sich Bürgermeister Feigl und Rebecca Ribarek darauf, den Fund möglichst bald den Königsbrunner Bürgern präsentieren zu können und dem Mythos Lechfeldschlacht ein Stück näherzukommen.