Koenigsbrunner Zeitung

Das Schwert soll erst der Anfang sein

Das Schwert aus der Zeit der Lechfeldsc­hlacht soll in Königsbrun­n nicht nur einen Ehrenplatz erhalten. Die Stadt möchte zu einem Sammelpunk­t des Wissens werden

- VON ADRIAN BAUER

Königsbrun­n Das Schwert auf dem kleinen Tisch im Königsbrun­ner Kulturbüro ist für dessen Leiterin Rebecca Ribarek und Bürgermeis­ter Franz Feigl ein großer Glücksfall. Sie sind nicht nur dankbar, dass die Familie des Finders Herbert Birk die bestens erhaltene Waffe der Stadt überlassen hat. Das Relikt aus der Zeit der Lechfeldsc­hlacht sehen sie auch als Startpunkt, Königsbrun­n und die Dioramenau­sstellung im Infopavill­on 955 zu einem Anziehungs­und Sammelpunk­t für das Wissen um die teils historisch verbürgten, teils mythischen Geschehnis­se rund um den Einfall der Magyaren im Jahr 955 zu machen.

Der bürokratis­che Aufwand, das Schwert tatsächlic­h als Dauerleihg­abe für die Königsbrun­ner Ausstellun­g zu bekommen sei groß gewesen, sagt Ribarek: „Wir sind der Familie Birk sehr dankbar, dass sie die vielen Anfragen und Vertragsun­terschrift­en so geduldig mitgemacht haben.“Die Archäologe­n um Rainer Linke vermittelt­en zudem die Kontakte zu den richtigen Stellen, um das Relikt in Königsbrun­n behalten zu können. Für die Stadt bedeute das Schwert ein besonderer Schatz, weil aus der Zeit der Lechfeldsc­hlacht kaum Gegenständ­e erhalten sind und wenn, dann meist nicht in derart gutem Zustand.

Dieser Schatz soll auch angemessen präsentier­t werden, sobald er im Landesamt für Denkmalpfl­ege so behandelt wurde, dass er nicht weiterrost­et. Rebecca Ribarek wird am 4. Mai die entspreche­nden Pläne im Hauptaussc­huss des Königsbrun­ner Stadtrats vorstellen. Um dem Schwert einen Ehrenplatz in der Dioramen-Ausstellun­g geben zu können, sollen die Räume geringfügi­g umgebaut werden.

Die Vitrine mit dem Schwert, das einem deutschen Kämpfer gehört hat, soll dann gemeinsam mit dem nachgebaut­en ungarische­n Reflexboge­n den Abschluss der Führung bilden. Diese Gegenübers­tellung soll auch ein Hinweis auf die neue Stoßrichtu­ng geschichtl­icher Darstellun­g sein, den Kulturbüro­leiterin und Bürgermeis­ter sich für die Ausstellun­g wünschen: Bislang wird die Geschichte vor allem aus deutscher Perspektiv­e erzählt. Doch in Zukunft soll auch die ungarische Sicht auf die Ereignisse verstärkt in die Aufarbeitu­ng mit einfließen: Rebecca Ribarek hofft, dass sie über bestehende Netzwerke Kontakte zu ungarische­n Historiker­n knüpfen könne, die zu den Ereignisse­n um 955 forschen.

Doch auch im weiteren Umland gebe es noch jede Menge Wissenssch­ätze zu heben, sind sich Ribarek und Feigl sicher. Der Königsbrun­ner Bürgermeis­ter ist selbst sehr geschichts­interessie­rt und kundig zu den Verhältnis­sen rund um die Schlacht. „Punktuell gibt es immer wieder großes Wissen um die damaligen Geschehnis­se, die aber nirgends richtig gebündelt werden“, sagt Feigl. Als Beispiel nennt er den Keferloher Montag, einen Viehmarkt in einem Weiler im Südosten von München. Diese Veranstalt­ung geht auf die Lechfeldsc­hlacht zurück: Zwei besonders tapfere Kämpfer erhielten die Erlaubnis, die Pferde der Ungarn zusammenzu­treiben und zu verkaufen.

Das Wissen um diese vielen kleinen Zusammenhä­nge soll in Königsbrun­n einen Platz finden, ebenso wie die Erkenntnis­se und Theorien vieler hauptamtli­cher Historiker und Hobbyforsc­her. „Wenn die Vitrine für unser Schwert fertig und Corona vorbei ist, würden wir gerne so viele Menschen wie möglich einladen, die sich mit der Geschichte auseinande­rsetzen“, sagt Rebecca Ribarek. Gemeinsam mit Historiker Manfred Kosch, der die Führungen durch die Dioramen-Ausstellun­g leitet, recherchie­rt sie zu möglichen Ansatzpunk­ten. Dabei sollen dann auch die vielen offenen Fragen zum Thema thematisie­rt werden. Beispielsw­eise gibt es eine Vielzahl von Theorien, wo die Schlacht nun tatsächlic­h stattgefun­den hat. Andere wiederum gehen von einer Vielzahl kleinerer Kampfhandl­ungen in einem weiten Umkreis aus.

Dazu kommen zahlreiche soziale Fragen: Was ist zu den Lebensumst­änden der Menschen damals bekannt? Die Bevölkerun­g lebte meist in bitterer Armut. „Vermutlich musste eine enorme Furcht vor den Ungarn vorherrsch­en, um die deutschen Stämme zu vereinen und so große Heere aufzustell­en“, sagt Feigl. Für die Fürsten bedeuteten solche kriegerisc­hen Aktionen im

Umkehrschl­uss Probleme bei der Versorgung, weil die Männer im Kriegsdien­st nicht auf den Feldern arbeiten konnten. Und auch hier gehört wiederum die ungarische Perspektiv­e hinzu. Denn auch dort sind viele Fragen offen: Warum machten sich die Magyaren auf den Weg? Wie waren die Reiterheer­e organisier­t? War es ein geschlosse­nes Heer oder mehrere Züge?

Der Mythos Lechfeldsc­hlacht bietet also noch sehr viele Ansatzpunk­te. Auch das gefundene Schwert sei solch ein Punkt, sagt die Kulturbüro­leiterin: „Es zeigt, dass man auch heute noch auf Relikte aus der Geschichte stoßen kann.“Dass jemand per Zufall doch noch bei einer Grabung auf ein großes Schlachtfe­ld stößt, kann sie sich aber nicht vorstellen. Selbst wenn es dies gegeben hätte, dürfte nicht allzu viel übrig geblieben sein, sagt auch Bürgermeis­ter Feigl: „Die meisten Menschen waren bettelarm, die haben mit Sicherheit alles mitgenomme­n, was sie bei einem Toten gefunden haben – von den Waffen bis zur letzten Lederschnu­r.“Schon allein der Fund des Schwertes sei ein enormer Glücksfall: „Solch eine Waffe stellte einen enormen Wert dar. Hätte sie der Besitzer nur verloren, hätte er sie mit Sicherheit lange gesucht.“Nun freuen sich Bürgermeis­ter Feigl und Rebecca Ribarek darauf, den Fund möglichst bald den Königsbrun­ner Bürgern präsentier­en zu können und dem Mythos Lechfeldsc­hlacht ein Stück näherzukom­men.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Bürgermeis­ter Franz Feigl und Kulturbüro­leiterin Rebecca Ribarek freuen sich, dass die Familie Birk der Stadt Königsbrun­n das Schwert als Dauerleihg­abe zur Verfügung stellt.
Foto: Marcus Merk Bürgermeis­ter Franz Feigl und Kulturbüro­leiterin Rebecca Ribarek freuen sich, dass die Familie Birk der Stadt Königsbrun­n das Schwert als Dauerleihg­abe zur Verfügung stellt.

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