Wie harmonisch läuft SchwarzGrün wirklich?
Seit einem Jahr regiert ein Bündnis aus CSU und Grünen im Augsburger Rathaus – bisher ziemlich geräuschlos. In den Reihen der Christsozialen gibt es mehr Grummeln als beim Koalitionspartner
Schon die Parkplatzsituation zeigt, dass sich etwas verändert hat in der Augsburger Stadtpolitik. Bernd Kränzle, der frühere CSU-Fraktionschef im Stadtrat, parkte seinen Wagen meist auf dem Fischmarkt. Von dem Platz aus sind es nur ein paar Schritte zum Nebeneingang des Rathauses, wo die Fraktionen ihre Büros haben und in normalen Zeiten der Stadtrat tagt. Jetzt, in CoronaZeiten, finden die Sitzungen in der Kongresshalle statt. Der Fischmarkt fällt als Parkplatz aus, hier lagern seit zehn Monaten die Aktivisten des Klimacamps. Und Leo Dietz, der neue Fraktionsvorsitzende der CSU, verzichtet regelmäßig aufs Auto und fährt mit dem Fahrrad zum Rathaus.
Im Rathaus gibt seit der Kommunalwahl vor einem Jahr ein schwarzgrünes Bündnis den
Ton an. Es ist ein Bündnis, das bayernweit Beachtung findet. Nicht nur in den beiden Parteien, sondern auch darüber hinaus. Schwarz-Grün in Augsburg gilt als ein Praxistest. Geht es gut, wenn CSU und Grüne sich die Macht teilen? Ist es auch eine Option für die Landespolitik, wo CSU und Freie Wähler zuletzt immer öfter auf offener Bühne im Clinch liegen?
Leo Dietz, 54, weiß um das Interesse an der Rathauskoalition. Er betont das auch. Es sei etwas Besonderes, die Politik in Bayerns drittgrößter Stadt mitzugestalten, sagt er. Als Fraktionschef sitzt er an einer wichtigen Schaltstelle. Er muss im Bündnis mit den Grünen nach
Kompromissen suchen, gleichzeitig muss er aber auch seinen eigene Fraktion zusammenhalten, in längst der nicht nur Befürworter von Schwarz-Grün sitzen.
Dietz sitzt seit 2008 im Stadtrat, an der Spitze der 20-köpfigen Fraktion ist er aber ein Neuling. Nach der Wahl hat er die Führung der Rathaus-CSU übernommen. Sein Vorgänger Bernd Kränzle räumte den einflussreichen Posten nur widerwillig. Letztlich wurde die Situation so gelöst, dass Kränzle ehrenamtlicher Dritter Bürgermeister werden konnte. Auch die grüne Fraktion hat seit der Wahl eine neue Spitze – Verena von Mutius-Bartholy, 33, und Peter Rauscher, 34, teilen sich das Amt. Die bisherige Chefin Martina Wild wurde Zweite Bürgermeisterin und Schulreferentin. Das Neulingstrio hat sich vor einem Jahr, als der Koalitionsvertrag frisch unterschrieben war, ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. CSU und Grüne sollten mit einer Stimme sprechen, Konflikte sollten intern ausgetragen werden. Das Ziel: kein öffentlicher Streit, keine öffentlichen Verletzungen.
Die Absprache hat gehalten. Er staune manchmal selbst darüber, dass von den internen Diskussionen fast nichts nach außen dringe, sagt
Dietz. Das sei eine neue Erfahrung, die er so aus der Politik nicht kenne. Im Dreier-Bündnis aus CSU, SPD und Grünen, das zuvor die Stadtregierung gebildet hatte, habe es viel mehr Indiskretionen gegeben. CSU und Grüne verschicken jetzt regelmäßig wortgleiche Pressemitteilungen, selbst die CSU-Mitteilungen sind dann gendergerecht formuliert. Angesichts von so viel demonstrativer Harmonie wirkt es fast verwunderlich, dass die Spitzen beider Parteien dennoch betonten, die Koalition sei keine Liebesheirat, sondern ein Zweckbündnis. Auch Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) – ebenfalls seit einem Jahr neu im Amt – betonte das im Interview mit unserer Redaktion. „Natürlich hat jede Koalition intern auch Diskussionspotenzial“, sagte sie. „Ansonsten wären ja alle in einer Partei und die CSU hätte die gleiche DNA wie die Grünen.“
Es geht dabei darum, sich trotz der Zusammenarbeit auch noch abzugrenzen. Denn an der Basis gibt es bei der CSU und auch bei den Grünen durchaus Mitglieder, die Schwarz-Grün noch immer skeptisch sehen – oder gar ablehnen. Vor allem aus der CSU war in den vergangenen Monaten immer wieder ein Grummeln zu vernehmen. Öffentlich äußern wollte sich so gut wie niemand. Aber es waren immer wieder Stimmen zu hören, die CSU sei „zu grün“geworden, teils auch aus der Fraktion. Man lasse sich die
Themen zu sehr vom grünen Partner diktieren. Der Umbenennung von Straßen, deren Namen einen NS-Bezug hatten, stimmten manche CSU-Räte etwa nur mit Widerwillen zu. Auch die ehrgeizigen Klimaziele, die kürzlich vom Augsburger Stadtrat beschlossen wurden, bejubeln in den Reihen der Union nicht alle.
Spannend dürfte es werden, wenn weitere Herzensprojekte der Grünen auf die Tagesordnung kommen: weniger Parkplätze in der Innenstadt, höhere Parkgebühren. „Das könnte noch Ärger geben“, vermutet ein CSU-Stadtrat. Vor allem jetzt, da der Handel in der Stadt wegen der Corona-Krise ohnehin am Boden liege. Auch die autofreie MaLeo ximilianstraße gehört zu den Themen mit Streit-Potenzial. Die Grünen verstehen unter autofrei, dass die Autos dauerhaft aus der Straße ausgesperrt werden. Die CSU kann sich dagegen nur mit Lösungen anfreunden, wie sie schon im vorigen Sommer praktiziert wurden: eine zeitweise Sperrung der Straße für Nicht-Anlieger, vor allem an den Wochenenden abends. Also eher ein „autofrei light“. Für diesen Sommer gibt es noch einmal einen Kompromiss mit einer Teilsperrung, doch man kann durchaus damit rechnen, dass das Thema Maxstraße damit nicht erledigt sein wird.
Intern fetze man sich durchaus mit der CSU, wenn solche strittige Themen anstünden, sagt Verena von Mutius-Bartholy. Der Streit werde aber sachlich ausgetragen, sagt sie, und nicht persönlich oder verletzend. Das zeichne die Zusammenarbeit aus. Grummeln gibt es nicht nur bei der CSU, sondern manchmal auch bei den Grünen. Aber anders: Manch grünem Parteimitglied und auch Stadtrat geht es nicht schnell genug bei der Umsetzung der Ziele. Dabei, so sagt eine Stadträtin, dränge bei Themen wie dem Klimaschutz doch die Zeit. „Wir würden gerne noch mehr aufs Tempo drücken, die CSU steht dagegen eher auf der Bremse.“
Corona hat vieles überlagert im ersten Jahr von Schwarz-Grün. Weitreichende Beschlüsse, wie die Sanierung der Fach- und Berufsoberschule, seien leider fast untergegangen, sagt Leo Dietz. Auch Peter Rauscher meint, man habe vom Koalitionsvertrag schon mehr umgesetzt, als öffentlich wahrgenommen werde. Etwa im Bereich des Verkehrs mit neuen Radwegen oder
Verena von MutiusBartholy bildet zusammen mit Peter Rauscher eine Doppelspitze
beim Klimaschutz - mit der Festlegung eines ehrgeizigen CO2-Restbudgets. Corona habe aber auch dafür gesorgt, dass sich gerade die neuen Fraktionsmitglieder persönlich noch nicht näher kennenlernen konnte. Vieles läuft digital. Zwanglose Treffen, bei denen man einfach mal plaudern kann, gibt es nicht.
Corona hat aber auch zusammengeschweißt. Obwohl Umwelt- und Gesundheitsreferent Reiner Erben (Grüne) beim Management der Corona-Krise nicht immer eine gute Figur machte – auf die zweite Corona-Welle im Herbst war das Gesundheitsamt nur unzureichend vorbereitet – gab es keine offene Kritik an dem Referenten. In der CSU-Fraktion sieht man Erben zwar kritisch. Nach außen getragen wurden aber auch das nicht. Leo Dietz etwa sagt: „Wir sind eine Stadtregierung und tragen gemeinsam Verantwortung.“Nach einem Jahr scheint Schwarz-Grün in Augsburg eine stabile Beziehung zu führen. Es sieht nicht nach einer frühzeitigen Scheidung aus.
OSerie Seit einem Jahr ist die schwarz grüne Stadtregierung in Augsburg im Amt wir beleuchten das mit mehreren Beiträgen. Am Donnerstag geht es wei ter mit der Rolle der Opposition.