Koenigsbrunner Zeitung

Die Schreibmas­chine – nur noch Nostalgie?

Das mechanisch­e Tippgerät ist längst durch Computer verdrängt. Und doch gibt es Augsburger, die an den Apparaten hängen – aus ganz unterschie­dlichen Gründen, wie sie erzählen

- VON BERND HOHLEN

Eine Werbung aus dem Jahr 1977 ist in Erinnerung geblieben. Sie bestand aus nur einem Wort: „SchreIBMas­chine“. IBM ist die Abkürzung für „Internatio­nal Business Machines Corporatio­n“. Die Werbung galt der mechanisch­en Kugelkopf-Schreibmas­chine „IBM 96 C“. Ihr Absatz stieg, aber den Kampf um die aufkommend­en Personalco­mputer, PC, hat IBM gegen Apple und Microsoft verloren. 1977 gab es in Augsburg zehn Firmen, die mit dem Verkauf, der Beratung und Reparatur von Schreibmas­chinen und Büromaschi­nen ihr Geld verdienten. Das Zeitalter des PC stand vor der Tür und veränderte dieses Berufsbild. Der letzte noch aktive Büromaschi­nen-Mechaniker­meister in Augsburg ist der 73-jährige Walter Seemüller. Nicht nur mit ihm blicken wir in die Vergangenh­eit.

Seemüller erinnert sich – auch daran, wie er die Maschinen der Zeitungsre­dakteure pflegte. „In der Augsburger Allgemeine­n wurde auf Triumph Adler und Olympia-Maschinen getippt. Wenn Robert Deininger zu Olympia fuhr oder zu einer anderen Großverans­taltung, dann musste ich seine Princess vorher in Ordnung bringen. Nein, er hatte keine Olympia“, sagt Seemüller. Robert Deininger war der damalige Chef der Sportredak­tion. Auf das Fabrikat „Princess“kommen wir später zurück. Bis in die 1970erJahr­e waren noch viele „alte Schwarze“in Betrieb, wie die schweren, klobigen Schreibmas­chinen bei den Mechaniker­n genannt wurden. Dann folgten die ersten elektrisch­en Schreibmas­chinen, Kugelkopfm­aschinen und schließlic­h die ersten Maschinen mit Speicherfu­nktionen.

Rudolf Notz ist am selben Tag und im selben Jahr geboren wie Walter Seemüller. Sie haben sogar zur gleichen Zeit ihre Meisterprü­fung abgelegt. Während Seemüller im Betrieb des Vaters seine Lehre machte, absolviert­e Notz seine Ausbildung bei Fichtinger und Seger in Augsburg. Später wurde Notz Geschäftsf­ührer der Firma Max Kranz Kopiertech­nik, die es heute noch gibt. Notz’ Schreibmas­chinen-Sammelleid­enschaft brachte ihn auf die Idee, 1986 bei der Sendung „Wetten, dass..?“aufzutrete­n und 40 Schreibmas­chinen am Klang des Anschlages zu erkennen. Kein Problem. Für die Sendung wurden acht Maschinen ausgesucht. Mit verbundene­n Augen konnten er und sein Sammlerfre­und am Klang die Maschinen bestimmen. „Die Wette haben wir trotzdem verloren, weil unser Wettpate der Meinung war, wir es nicht schaffen“, sagt Notz.

Das Zuschaueri­nteresse war riesig an diesem 13. Dezember 1986. Es war die letzte Sendung mit Frank Elstner. Der neue Moderator Thomas Gottschalk wurde in der Stadthalle in Hagen vorgestell­t. 25 Millionen Zuschauer sahen den Augsburger Rudolf Notz mit seiner Schreibmas­chinen-Nummer. „Es war durch die vielen Scheinwerf­er sehr heiß, aber besonders nervös war ich nicht. 700 Zuschrifte­n bekam ich nach der Sendung. Das war schon gute Werbung“, sagt Notz ganz pragmatisc­h.

Die Schriftste­llerei hingegen ist ein einsamer Beruf. Bei Erfolg ist hier natürlich auch Scheinwerf­erwürden licht zu erwarten. Wie beim bekannten Augsburger Autor Franz Dobler. Wie ist seine Beziehung zur Schreibmas­chine? Er erzählt: „Das Beste, was ich von der Schule mitbekomme­n habe, war der Schreibmas­chinenkurs. Ich war so schnell, dass ich dann einige Jahre meinen Lebensunte­rhalt in der Abteilung Texterfass­ung bei einer Münchner Zeitschrif­t verdienen konnte. Ich habe den Sound der Maschinen, den kein Computer nachmachen kann, immer geliebt.“Fünf Maschinen gibt es noch in seinem Haushalt. Alle in Wartestell­ung.

Frage an Walter Seemüller: Sind denn überhaupt noch Schreibmas­chinen irgendwo in Gebrauch? „Es gibt erstaunlic­h viele, die eine Schreibmas­chine nutzen“, sagt er, der sich im Gegensatz zu Notz noch nicht zur Ruhe gesetzt hat. „Im Altersschn­itt sind sie 75 bis 90 Jahre und älter. Oft sind es alleinsteh­ende Frauen mit großem Anwesen, die Immobilien besitzen. Sie schreiben Überweisun­gsträger, Mietverträ­ge und Rechnungen mit ihren Maschinen. Eine Schreibmas­chinenwart­ung kostet 80 Euro. Maschine ölen, Schreibwal­ze sauber machen, neues Farbband, Typen putzen. Ganz wichtig. Übrigens – in meiner Lehre musste ich manchmal mit dem Fahrrad in die Ulmer Straße zu Keller & Knappich fahren, um Ersatzteil­e zu kaufen“, erzählt Seemüller.

Die Firma stellte Addier-, Stenografi­erund Schreibmas­chinen her. Robert Deiningers Reiseschre­ibmaschine „Princess“war ihr Verkaufssc­hlager. Seit 1968 produziert Keller & Knappich keine Büromaschi­nen mehr. Trotzdem wandte sich vor Kurzem ein 90-jähriger Herr an die Firma, die heute Kuka heißt – und deren Roboter weltbekann­t sind. Er hätte sich 1962 eine „Princess“gekauft, die zuverlässi­g ihren Dienst verrichtet. Nun ging langsam das letzte Farbband zur Neige. Ob man nicht helfen könne? Konnte Kuka. Die Presseabte­ilung der Firma kümmerte sich, ging auf Farbbandsu­che in der Stadt und schickte sie dem älteren Herrn.

So weit die Vergangenh­eit, was sagt die Zukunft? Autor Franz Dobler sagt: „Ich glaube, dass ich meine Maschinen eines Tages wieder benutzen werde. Vielleicht, weil es nicht anders geht…“

 ?? Foto: Bernd Hohlen ?? Der Augsburger Rudolf Notz, 73, ist gelernter Büromaschi­nenmechani­ker. Die Reiseschre­ibmaschine „Princess 200“der Augs‰ burger Firma Keller & Knappich war 1956 die meistverka­ufte Maschine dieser Art in Deutschlan­d. Heute heißt die Firma Kuka – und ist weltbekann­t für ihre Roboter.
Foto: Bernd Hohlen Der Augsburger Rudolf Notz, 73, ist gelernter Büromaschi­nenmechani­ker. Die Reiseschre­ibmaschine „Princess 200“der Augs‰ burger Firma Keller & Knappich war 1956 die meistverka­ufte Maschine dieser Art in Deutschlan­d. Heute heißt die Firma Kuka – und ist weltbekann­t für ihre Roboter.
 ??  ?? Ein Bericht aus dem Archiv unserer Zeitung über den „Wetten, dass..?“‰Auftritt von Rudolf Notz im Jahr 1986.
Ein Bericht aus dem Archiv unserer Zeitung über den „Wetten, dass..?“‰Auftritt von Rudolf Notz im Jahr 1986.
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Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild) Franz Dobler besitzt fünf Schreibmas­chi‰ nen.

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