Problemzone Offensive
Der FC Augsburg versäumte es beim 1:1 gegen Arminia Bielefeld, das zweite Tor nachzulegen. Dann wäre die Partie entschieden gewesen. Das hat aber nicht nur mit Pech zu tun
Die Ratlosigkeit, die am Sonntagabend auf dem Spielfeld und auf den Rängen der WWK-Arena herrschte, war nicht zu übersehen und nicht zu überhören. 1:1 (1:0) hatte sich der FC Augsburg im Kellerduell der Bundesliga von Arminia Bielefeld getrennt. Da standen nun die FCASpieler in der Nähe des Mittelkreises uns wussten nicht so recht, ob sie zur Ulrich-Biesinger-Tribüne gehen sollten, um sich von den treuesten der treuen Fans zu verabschieden. Denn unmittelbar nach dem Schlusspfiff hatte es Pfiffe von den Rängen gegeben, jetzt hörte man aber aufmunternden Beifall.
Und darum machten sich die FCA-Profis auch den Weg Richtung Nordtribüne, da wo nach weiteren Lockerungen der Corona-Maßnahmen die Sitzschalen verschwunden waren und die Fans wieder stehen durften. Auch dort erwartete sie eine Mischung aus allem. Beschimpfungen eben, aber auch Anfeuerungen. Diese Zerrissenheit steht sinnbildlich für das Spiel, aber auch für die ganze Saison.
Es ist nicht alles schlecht, was der FCA bietet, aber die Mannschaft von Trainer Markus Weinzierl ist derzeit nicht in der Lage, 90 Minuten konstant guten Fußball zu spielen. Am Sonntag schien zum Beispiel das 1:1 nicht unhaltbar. FCA-Torhüter Rafal Gikiewicz hatte freie Sicht, aber zurzeit auch nicht die Form des Vorjahres. Doch der Hauptgrund der Misere ist derzeit in der Problemzone Offensive zu verorten: Denn schon vor dem Ausgleich hätte das Spiel schon entschieden sein können. Und auch danach hatte der FCA noch genügend Möglichkeiten, das Spiel zu entscheiden.
Doch der Sturm des FC Augsburg, wenn man ihn überhaupt derzeit so bezeichnen kann, steckt nach dem achten Spieltag weiter in der Krise. Vier Tore auf der Habenseite sind einfach zu wenig. Mit 26 herausgespielten Torchancen ist der FCA sogar Letzter. Und wenn man davon nur 15,4 Prozent verwertet, sitzt man im Tabellenkeller fest. Nur Bielefeld ist genauso harmlos. Doch woran liegt es?
Pech Hätte Arminias Torhüter Ortega in der 68. Minute nicht den Schuss von Arne Maier klasse mit der Fußspitze pariert, wäre mit dem 2:0 die Vorentscheidung gefallen. Auch die (richtigen) Abseitsentscheidungen gegen Sergio Cordova basierten auf Millimeter-Vergehen.
Verletzungen Eigentlich ist das Offensivspiel auf die beiden etablierten Mittelstürmer Florian Niederlechner und Alfred Finnbogason ausgelegt. Doch der Isländer plagt sich seit vielen Monaten immer wieder mit Verletzungen. Allein in diesem Kalenderjahr fiel er fast 140 Tage aus, zuletzt mit einer Achillessehnenverletzung. Gegen Bielefeld durfte er wenigstens mal fünf Minuten Bundesligaluft schnuppern. Es war sein erster Einsatz in dieser Saison. Auch Niederlechner war in dieser Saison noch nie richtig fit. Adduktorenund Leistenprobleme plagten ihn, spielen war fast nur mit Schmerzmittel möglich. Nach dem 1:2 in Dortmund ging es nicht mehr. Er musste sich an der Leiste operieren lassen. Wann er kommt, ist schwer zu sagen. Die inneren OPNähte dürfen nicht reißen, er muss geduldig sein.
Formtief Darum setzte Weinzierl gegen Bielefeld im 3-5-2-System auf die Doppelspitze André Hahn und Andi Zeqiri. Dahinter Ruben Vargas als offensiver Vorbereiter direkt im zentralen Mittelfeld. Doch das Trio steckt derzeit in einem Formtief. Hahn, 31, war zwar bemüht im Gegenpressing, wirkte da aber oft auch zu übereifrig. Und Torgefahr strahlt er derzeit kaum aus. Andi Zeqiri, die junge Schweizer Leihgabe aus England, begann zwar wie die Feuerwehr, doch nach der Halbzeit war er nicht mehr zu sehen. Der 21-Jährige spielt noch mit zu vielen Schnörkeln und Haken. Er muss das einfache Spiel in der Bundesliga noch lernen. Auch sein Nationalmannschaftskollege Ruben Vargas agiert derzeit weit unter seinen Möglichkeiten. Der Schweizer will und möchte, trifft dabei aber oft falsche Entscheidungen. Der tragische Held der Partie war aber Sergio Cordova. Der Stürmer war frühzeitig von den WM-Qualifikationsspielen Venezuelas abgereist, um seine Chance in der Bundesliga zu suchen. Er nutzte sie dann auch nach seiner Einwechslung – fast.
Zweimal bereitete er das vermeintliche 2:1 vor, zweimal stand er dabei aber knapp im Abseits. Das war natürlich Pech, aber mit ein bisschen mehr Cleverness hätte er die Kurve, um das Abseits zu umgehen, ein bisschen weiter gezogen. Auch im vierten Jahr Bundesliga zahlt der 24-Jährige noch viel Lehrgeld.
Trainer Notgedrungen muss Trainer Markus Weinzierl Hahn und Vargas derzeit auf Positionen einsetzen, die beide nicht optimal ausfüllen. Beide kommen eher über die Flügel. Gerade Vargas braucht Raum, das Eins gegen Eins, und scheint als Ideengeber derzeit überfordert. Was auffällt: Die FCASpieler haben zurzeit wenig Antworten, wenn sich die Spieltaktik ändert. Auch im Offensivspiel.
Management Die FCA–Offensive ist zahlenmäßig gut bestückt. In Sachen Qualität hinkt sie in diesen Tagen den anderen Bundesligisten hinterher. Waren Sport-Geschäftsführer Stefan Reuter und seine Kollegen hinsichtlich der Entwicklung eines Noah Joel Sarenren Bazee, eines Michael Gregoritsch, eines Fredrik Jensen vielleicht zu optimistisch, können ein Finnbogason und ein Niederlechner die Leistungen vergangener Jahre vielleicht doch nicht mehr wiederholen?
Fazit Noch haben die Spieler und Verantwortlichen Zeit, ihre Kritiker Lügen zu strafen. Zu beweisen, dass sie besser sind als der Tabellenplatz. Dazu müssen aber Erfolgserlebnisse her, und zwar schnell.