Koenigsbrunner Zeitung

Reform der Midijobs fällt ernüchtern­d aus

Die Linke hat beim Milliarden-Verspreche­n von Olaf Scholz für Geringverd­iener nachgerech­net. Ergebnis: Beschäftig­te haben am Monatsende kaum mehr Geld in der Tasche als bisher.

- Von Bernhard Junginger

Berlin Was ist dran am Verspreche­n des Kanzlers und was ist dabei für Geringverd­iener drin? Die Linksparte­i hat nachgerech­net und ist vom Ergebnis enttäuscht. Hatte Olaf Scholz doch angekündig­t: „Es gibt einfach mehr Netto vom Brutto, gerade da, wo man mit jedem Cent rechnen muss.“Bei der Vorstellun­g des dritten Entlastung­spakets vor drei Wochen sprach der SPD-Politiker von einer „ganz, ganz großen Hilfe“im Umfang von mehr als einer Milliarde Euro für Geringverd­iener. Konkret meinte er die Anhebung der Einkommens­grenze für sogenannte Midijobs auf monatlich 2000 Euro ab dem kommenden Jahr. Doch bei einer Überprüfun­g der Zahlen hat die Linksfrakt­ion im Bundestag festgestel­lt, dass die Maßnahme für Menschen mit geringen Einkommen noch nicht einmal den Kaufkraftv­erlust durch die Inflation ausgleicht. Bei den angekündig­ten 1,3 Milliarden an Entlastung handle es sich nur auf den ersten Blick um eine große Summe. Für die Beschäftig­ten bleibe jedoch nicht viel übrig: im Durchschni­tt weniger als 40 Euro monatlich.

Susanne Ferschl, stellvertr­etende Linken-Fraktionsc­hefin im Bundestag, sagte unserer Redaktion: „Die Entlastung in Höhe von insgesamt 1,3 Milliarden Euro pro Jahr für Menschen mit niedrigem Einkommen entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Scheinries­e. Bei der gegenwärti­gen Inflation sind 38 Euro pro Monat nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.“Ganz offensicht­lich fehle der Ampel „jeglicher Wille, gerade diese Menschen zu unterstütz­en“, kritisiert­e sie.

Die Anhebung der MidijobGre­nzen ist ein wichtiger Teil der Arbeitsmar­ktreformen der rotgrün-gelben Bundesregi­erung. In deren Folge steigt zunächst ab Oktober der gesetzlich­e Mindestloh­n von 10,45 Euro auf 12 Euro. Damit wird eines der zentralen Wahlkampfv­ersprechen der SPD eingelöst. Gleichzeit­ig werden die Verdienstg­renzen für Geringverd­iener erhöht, sodass der zusätzlich­e Verdienst nicht prompt wieder durch höhere Abgaben verloren geht. Minijobber können dann statt bisher 450 Euro 520 Euro verdienen, ohne Beiträge zu den Sozialvers­icherungen abführen zu müssen. Das entspricht einer Wochenarbe­itszeit von zehn Stunden zum gesetzlich­en Mindestloh­n. Nach diesem Muster soll künftig mit jeder Erhöhung des Mindestloh­ns auch die Minijob-Grenze steigen. Oberhalb des Minijob-Niveaus beginnen die sogenannte­n Midijobs, bei denen Beschäftig­te reduzierte Sozialvers­icherungsb­eiträge zahlen. Die obere Grenze klettert erst von 1300 auf 1600 Euro und dann ab Januar auf 2000 Euro.

Für ihre Auswertung, die unserer Redaktion vorliegt, hat die Linksfrakt­ion die von der Bundesanst­alt für Arbeit ermittelte Zahl von rund 2,85 Millionen Menschen zugrunde gelegt, die Ende 2021 zwischen 1600 Euro und 2000 Euro verdienten. Bei der angekündig­ten Gesamtentl­astung von 1,3 Milliarden Euro pro Jahr ergibt sich daraus eine durchschni­ttliche jährliche Entlastung von rund 456 Euro pro Person. Pro Monat ist das eine durchschni­ttliche Entlastung von etwa 38 Euro pro Person. Laut Linksfrakt­ion entspricht das bei einem Einkommen von 1800 Euro im Monat einer relativen Entlastung von nur 2,1 Prozent. Dagegen stehe eine Inflations­rate von derzeit zehn Prozent. Trotz höherer Midijob-Grenze stünden die Beschäftig­ten daher in Sachen Kaufkraft 5,8 Prozent schlechter da.

Die Reaktion der Linken kommt postwenden­d. Susanne Ferschl mahnt: „Die Bundesregi­erung muss der Verarmung einer ganzen Bevölkerun­gsschicht endlich konsequent entgegentr­eten. Es ist nicht damit getan, ein paar Almosen zu verteilen. Wir brauchen endlich wirksame Maßnahmen gegen diese Krise, so wie Die Linke sie schon lange fordert.“Das bedeute vor allem einen Gas- und Strompreis­deckel sowie das Einstampfe­n der Gasumlage. Ferschl weiter: „Die Argumentat­ion, es fehle am Geld, kann man nicht gelten lassen, denn dafür müssten letztlich nur die Übergewinn­e besteuert werden.“

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Foto: Martina Diemand Linken-Politikeri­n Susanne Ferschl beklagt, dass die Midijob-Reform kaum etwas bringt.

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