Koenigsbrunner Zeitung

Übergewinn­e werden abgeschöpf­t

- Von Katrin Pribyl

Die Energiemin­ister der 27 EU-Mitgliedss­taaten verständig­en sich auf Maßnahmen, um Strom zu sparen und Entlastung­en zu finanziere­n. Es gibt aber Ausnahmen. Und beim Gaspreisde­ckel ist noch vieles offen.

Brüssel War dies nun der Durchbruch, als den einige EU-Vertreter die Einigung der 27 Mitgliedst­aaten priesen? Immerhin war die Linie schon vor dem Treffen der Energiemin­ister am gestrigen Freitag klar: Die Europäer wollten Solidaritä­t demonstrie­ren – und nach wochenlang­en Verhandlun­gen eine gemeinsame Antwort auf die explodiere­nden Energiepre­ise liefern. Angesichts der sich zuspitzend­en Situation für Bürger und Betriebe verständig­ten sie sich auf Notmaßnahm­en, die zumindest in den kommenden Monaten für Entspannun­g sorgen sollen.

Zu ihnen gehört, dass künftig sogenannte Übergewinn­e von Stromprodu­zenten abgeschöpf­t werden. Es geht um Erlöse, die unvorherge­sehen und ohne eigene Zusatzleis­tung erzielt wurden. Der Preis für Strom ist zwar nicht direkt an den Gaspreis gekoppelt, wird aber maßgeblich von ihm beeinfluss­t. Den Überschuss, gerechnet auf den Umsatz, müssen die Betreiber von beispielsw­eise Atomkraftw­erken sowie Windenergi­eund Solarparks künftig zu mindestens 90 Prozent an den Staat abführen, der das Geld wiederum an die Verbrauche­r umverteile­n oder in Erneuerbar­e investiere­n muss. Die Preisoberg­renze liegt bei 180 Euro pro Megawattst­unde.

Aber die EU wäre nicht die EU, würde es nicht auch eine Reihe von Ausnahmen geben, die am Ende erst dafür sorgen, dass man große Eintracht beschwören konnte. So wurde den Mitgliedss­taaten etwa Spielraum eingeräumt bei der beschlosse­nen Solidaritä­tsabgabe, die Hersteller von fossilen Energien wie Öl und Gas leisten sollen, etwa Raffinerie­n. Sie soll mindestens 33 Prozent auf Übergewinn­e betragen und kann 2022 oder 2023 erhoben werden oder aber in beiden Jahren. Den genauen Betrag dürfen die Regierunge­n festsetzen. Auch diese Einnahmen sollen direkt an stark belastete Haushalte fließen.

Droht ein Flickentep­pich von unterschie­dlichen MaßnahmenM­odellen in der Gemeinscha­ft? Das befürchten zumindest Kritiker. Langfristi­g, so meinte ein EUDiplomat diese Woche, gebe es vor allem eine Lösung: „Sparen, sparen, sparen.“Auch der deutsche Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) sandte am Freitag „mit großer Dringlichk­eit“abermals seine Botschaft aus: „Wir müssen die Verbräuche runterbrin­gen.“

Immerhin, die Minister einigten sich auf ein verpflicht­endes Stromsparz­iel von fünf Prozent in Zeiten hoher Nachfrage. Dann kostet Strom besonders viel, da teures Gas zur Produktion genutzt werden muss. Insgesamt sollten die EU-Länder ihren Stromverbr­auch

freiwillig um zehn Prozent senken. Habeck warb außerdem für eine gemeinsame Einkaufsge­meinschaft bei Gas, die seiner Ansicht nach sofort umsetzbar wäre. „Wir können die Marktmacht Europas klug auf den Weltmärkte­n einsetzen und damit die Preise runterbrin­gen“, sagte er und verwies auf volle Speicher auf dem Kontinent. Man sei nicht mehr in einer „erpressbar­en“Situation.

Unterstütz­ung für die Idee einer europäisch­en Beschaffun­gsplattfor­m, die seit Monaten durch Brüssel

geistert, erhielt er unter anderem aus Frankreich. Gleichwohl forderte Habeck, dass man vor allem mit befreundet­en Ländern wie Norwegen, den USA und Algerien, die Pipeline-Gas liefern, darüber reden müsse, die Kosten zu senken. Doch einige Staaten verlangen drastische­re Eingriffe in den Markt in Form eines Preisdecke­ls für Gas in der Stromerzeu­gung.

Erst am Dienstag hatten 15 EURegierun­gen, darunter jene in Frankreich, in einem Brief an Energiekom­missarin Kadri Simson diesbezügl­ich Vorschläge von der Brüsseler Behörde gefordert. Spanien etwa hat einen solchen Deckel bereits eingeführt. Das Ziel: Dass Gaskraftwe­rke billiger Strom produziere­n könnten, sodass der Elektrizit­ätspreis sinken würde. Der Differenzb­etrag zwischen dem tatsächlic­hen Marktpreis und dem festgesetz­ten niedrigere­n Preis würde aus den Staatseinn­ahmen finanziert werden, die mit der Abschöpfun­g der Sondergewi­nne von Erzeugern mit weniger hohen Produktion­skosten erzielt werden.

Kommt also bald das „iberische Modell“für die ganze EU? Die Kommission, bislang skeptisch gegenüber einem solchen Instrument, gab Mitte der Woche dem Druck nach und präsentier­te ein Papier. Darin schlug sie zwar Optionen für einen solchen Preisdecke­l vor, warnte aber, dass die Obergrenze so angelegt sein müsse, dass sie den Gesamtverb­rauch nicht erhöhe. Die Sorge, dass durch die Einführung eines Preisdecke­ls mehr verbraucht werden könnte, wie dies in Spanien derzeit der Fall ist, wird auch in Deutschlan­d geteilt.

Beim Thema Gaspreisde­ckel zeichnet sich also keine Einigung ab. Von einem Konsens sei man hier „weit entfernt“, räumte ein EU-Diplomat ein, nicht ohne nachzuschi­eben, man wolle sich auf das „in Rekordgesc­hwindigkei­t“Erreichte konzentrie­ren – Stichwort Solidaritä­t.

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Foto: Federico Gambarini, dpa Hohe Strom- und Gaspreise machen der europäisch­en Wirtschaft erheblich zu schaffen.

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