Koenigsbrunner Zeitung

Auge um Auge, Zahn um Zahn

Immer wieder wird diskutiert, ob Faustkämpf­e im Eishockey noch zeitgemäß sind. Auslöser diesmal ist eine Szene im Spiel Nürnberg gegen Frankfurt. Doch wer sich umhört, merkt schnell: Kaum einer will diese Fights abschaffen.

- Von Andreas Kornes und Milan Sako

Augsburg Es waren noch 2,1 Sekunden zu spielen in der Partie zwischen Nürnberg und Frankfurt, als das Geschehen eskalierte. Auf dem Eis lieferten sich die Profis mehrere Faustkämpf­e. Auslöser war ein Duell zwischen Nürnbergs Blake Parlett und Ryan Olsen. Der Frankfurte­r Olsen, der bereits am 25. September wegen einer ähnlichen Situation vom Disziplina­rausschuss der Deutschen EishockeyL­iga (DEL) mündlich verwarnt worden war, hatte zuvor seinen Kontrahent­en mit einem Crosscheck gefoult. Parlett wiederum drosch in dem Boxkampf auf Olsen ein, als der Kanadier bereits auf dem Eis lag: Olsen ging mit blutigem Gesicht in die Kabine.

Als Folge verhängte die DEL jeweils zwei Spiele Sperre gegen beide Profis. Parlett wird den Nürnberger­n also fehlen, wenn sie am Samstag (18.30 Uhr/Stream: Magentaspo­rt) die Augsburger Panther empfangen. Die brutalen Szenen aus Nürnberg haben mal wieder eine Debatte über die Faustkämpf­e im Eishockey ausgelöst. Wollen die Zuschauer solche Szenen heute noch sehen?

In den Kommentars­palten der sozialen Medien sind fast ausschließ­lich Fürspreche­r zugange. Die Stimmung ist klar: Fighting gehört einfach dazu. Eine Grenze habe Parlett allerdings überschrit­ten, als er damit nicht aufhörte, als sein Kontrahent am Boden lag.

Henry Haase von den Augsburger Panthern kann die Aufregung um die Nürnberger Boxnacht nachvollzi­ehen. Doch die Auseinande­rsetzung Mann gegen Mann ist seiner Meinung nach Teil des Spiels. „Eishockey ist ein Kontaktspo­rt, bei dem viele Emotionen dabei sind. Dann können die Grenzen schnell überschrit­ten werden.“

Provoziere ein Gegenspiel­er permanent, dann versuche Haase mit ihm zu sprechen. „Meistens hört das dann auf, aber nicht immer. Wenn ein Spieler der Meinung ist, kämpfen zu wollen, dann ist das halt so.“So sei das auch beim Vorbereitu­ngsspiel in Wien gewesen, als sich Haase einen Fight lieferte. „Wenn dem Kampf ein übler Check vorausgega­ngen ist, dann

ist das durchaus gerechtfer­tigt“, sagt der Panther-Verteidige­r. Normalerwe­ise sollte danach die Angelegenh­eit geklärt sein.

Faustkämpf­e sind seit jeher Teil des stark nordamerik­anisch geprägten Eishockeys. Und auch wenn die Zahl der Kämpfe in den vergangene­n Jahren abgenommen hat, sehen die meisten Verantwort­lichen darin keinen Anachronis­mus. Eishockey sei die einzige Mannschaft­ssportart, in der sich die Spieler selbst darum kümmern, die „schmutzige Spielweise“Einzelner zu sanktionie­ren, ist zu hören. Würden Fights verboten, würde das nur dazu führen, dass unsaubere Aktionen, die die Schiedsric­hter nicht gesehen haben, ungestraft bleiben.

Viele Trainer setzen zudem auf den „Hallo-Wach-Effekt“, den ein Faustkampf haben kann. Es gehe manchmal eben darum, ein Zeichen zu setzen. An die eigene Mannschaft. Aber vor allem, um dem Gegner zu signalisie­ren, dass

man bereit sei, bis zum Äußersten zu gehen. Nicht zu unterschät­zen ist auch, dass sich Eishockey in der Außendarst­ellung durch Fights deutlich abhebt von allen anderen Mannschaft­ssportarte­n. Lassen zwei Streithähn­e die Handschuhe fallen, kocht die Stimmung auf den Rängen regelmäßig über.

Für die Schiedsric­htersicht bedeuten diese Kämpfe Schwerstar­beit.

Vor allem für die Linienrich­ter, die sich bei erstbester Gelegenhei­t ins Getümmel werfen müssen, um die Kombattant­en zu trennen. Ex-Panther-Profi Aleksander Polaczek ist inzwischen Hauptschie­dsrichter in der DEL. Zu aktiven Zeiten war er kein Kind von Traurigkei­t und sagt: „Klar versuchen wir, solche Szenen schon im Vorfeld zu unterbinde­n. Aber wenn die Handschuhe gefallen sind, lassen wir die erst einmal machen – auch aus Sicherheit­sgründen.“Sobald dann einer der Beteiligte­n unterlegen oder zu Boden gegangen ist, „gehen die Linesmen sofort dazwischen“. Die Schiedsric­hter haben einen einigermaß­en großen Ermessenss­pielraum bei der Sanktionie­rung. Fighting gibt automatisc­h fünf Strafminut­en. Je nach Eskalation­sstufe sind aber auch längere Strafen bis hin zu einer Matchstraf­e möglich.

Polaczek sieht ebenfalls den Trend, dass immer weniger gekämpft wird. „Als ich noch aktiv

war, ist das durchaus öfter vorgekomme­n.“Eishockey habe sich seitdem aber grundsätzl­ich verändert. Kein Team könne sich noch einen reinen Enforcer leisten. Also einen Spieler, der nur dafür da ist, durch körperlich­e Präsenz den eigenen Stürmersta­r vor gegnerisch­en Attacken zu schützen.

Außerdem, so merkt ein Stürmer eines bayerische­n DEL-Klubs an, bringe die Rolle des Faustkämpf­ers auch Nachteile für einen selbst: „Du bist lange aus dem Spiel draußen, kannst dich nicht zeigen. Nur weil du dich heldenhaft geprügelt hast, bekommst du im nächsten Jahr keinen Vertrag“, sagt der Profi, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Die Gefahr bestehe, nur auf die Rolle des Boxers reduziert zu werden. Auch die Unparteiis­chen hätten einen dann schärfer im Blick.

Trotzdem: Auch für den einst giftigen Stürmer Polaczek gehören die Fights „seit Menschenge­denken zum Eishockey dazu“.

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Foto: Siegfried Kerpf Wenn das Fass überläuft: Faustkampf aus den Play-offs 2017 zwischen Nürnberg und Augsburg mit Tigers-Profi Brandon Prust (weißes Trikot) und dem Augsburger Stürmer Hans Detsch.
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Foto: Screenshot Magentaspo­rt Im Hintergrun­d prügelt Blake Parlett auf den am Boden liegenden Ryan Olsen ein.

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