Auge um Auge, Zahn um Zahn
Immer wieder wird diskutiert, ob Faustkämpfe im Eishockey noch zeitgemäß sind. Auslöser diesmal ist eine Szene im Spiel Nürnberg gegen Frankfurt. Doch wer sich umhört, merkt schnell: Kaum einer will diese Fights abschaffen.
Augsburg Es waren noch 2,1 Sekunden zu spielen in der Partie zwischen Nürnberg und Frankfurt, als das Geschehen eskalierte. Auf dem Eis lieferten sich die Profis mehrere Faustkämpfe. Auslöser war ein Duell zwischen Nürnbergs Blake Parlett und Ryan Olsen. Der Frankfurter Olsen, der bereits am 25. September wegen einer ähnlichen Situation vom Disziplinarausschuss der Deutschen EishockeyLiga (DEL) mündlich verwarnt worden war, hatte zuvor seinen Kontrahenten mit einem Crosscheck gefoult. Parlett wiederum drosch in dem Boxkampf auf Olsen ein, als der Kanadier bereits auf dem Eis lag: Olsen ging mit blutigem Gesicht in die Kabine.
Als Folge verhängte die DEL jeweils zwei Spiele Sperre gegen beide Profis. Parlett wird den Nürnbergern also fehlen, wenn sie am Samstag (18.30 Uhr/Stream: Magentasport) die Augsburger Panther empfangen. Die brutalen Szenen aus Nürnberg haben mal wieder eine Debatte über die Faustkämpfe im Eishockey ausgelöst. Wollen die Zuschauer solche Szenen heute noch sehen?
In den Kommentarspalten der sozialen Medien sind fast ausschließlich Fürsprecher zugange. Die Stimmung ist klar: Fighting gehört einfach dazu. Eine Grenze habe Parlett allerdings überschritten, als er damit nicht aufhörte, als sein Kontrahent am Boden lag.
Henry Haase von den Augsburger Panthern kann die Aufregung um die Nürnberger Boxnacht nachvollziehen. Doch die Auseinandersetzung Mann gegen Mann ist seiner Meinung nach Teil des Spiels. „Eishockey ist ein Kontaktsport, bei dem viele Emotionen dabei sind. Dann können die Grenzen schnell überschritten werden.“
Provoziere ein Gegenspieler permanent, dann versuche Haase mit ihm zu sprechen. „Meistens hört das dann auf, aber nicht immer. Wenn ein Spieler der Meinung ist, kämpfen zu wollen, dann ist das halt so.“So sei das auch beim Vorbereitungsspiel in Wien gewesen, als sich Haase einen Fight lieferte. „Wenn dem Kampf ein übler Check vorausgegangen ist, dann
ist das durchaus gerechtfertigt“, sagt der Panther-Verteidiger. Normalerweise sollte danach die Angelegenheit geklärt sein.
Faustkämpfe sind seit jeher Teil des stark nordamerikanisch geprägten Eishockeys. Und auch wenn die Zahl der Kämpfe in den vergangenen Jahren abgenommen hat, sehen die meisten Verantwortlichen darin keinen Anachronismus. Eishockey sei die einzige Mannschaftssportart, in der sich die Spieler selbst darum kümmern, die „schmutzige Spielweise“Einzelner zu sanktionieren, ist zu hören. Würden Fights verboten, würde das nur dazu führen, dass unsaubere Aktionen, die die Schiedsrichter nicht gesehen haben, ungestraft bleiben.
Viele Trainer setzen zudem auf den „Hallo-Wach-Effekt“, den ein Faustkampf haben kann. Es gehe manchmal eben darum, ein Zeichen zu setzen. An die eigene Mannschaft. Aber vor allem, um dem Gegner zu signalisieren, dass
man bereit sei, bis zum Äußersten zu gehen. Nicht zu unterschätzen ist auch, dass sich Eishockey in der Außendarstellung durch Fights deutlich abhebt von allen anderen Mannschaftssportarten. Lassen zwei Streithähne die Handschuhe fallen, kocht die Stimmung auf den Rängen regelmäßig über.
Für die Schiedsrichtersicht bedeuten diese Kämpfe Schwerstarbeit.
Vor allem für die Linienrichter, die sich bei erstbester Gelegenheit ins Getümmel werfen müssen, um die Kombattanten zu trennen. Ex-Panther-Profi Aleksander Polaczek ist inzwischen Hauptschiedsrichter in der DEL. Zu aktiven Zeiten war er kein Kind von Traurigkeit und sagt: „Klar versuchen wir, solche Szenen schon im Vorfeld zu unterbinden. Aber wenn die Handschuhe gefallen sind, lassen wir die erst einmal machen – auch aus Sicherheitsgründen.“Sobald dann einer der Beteiligten unterlegen oder zu Boden gegangen ist, „gehen die Linesmen sofort dazwischen“. Die Schiedsrichter haben einen einigermaßen großen Ermessensspielraum bei der Sanktionierung. Fighting gibt automatisch fünf Strafminuten. Je nach Eskalationsstufe sind aber auch längere Strafen bis hin zu einer Matchstrafe möglich.
Polaczek sieht ebenfalls den Trend, dass immer weniger gekämpft wird. „Als ich noch aktiv
war, ist das durchaus öfter vorgekommen.“Eishockey habe sich seitdem aber grundsätzlich verändert. Kein Team könne sich noch einen reinen Enforcer leisten. Also einen Spieler, der nur dafür da ist, durch körperliche Präsenz den eigenen Stürmerstar vor gegnerischen Attacken zu schützen.
Außerdem, so merkt ein Stürmer eines bayerischen DEL-Klubs an, bringe die Rolle des Faustkämpfers auch Nachteile für einen selbst: „Du bist lange aus dem Spiel draußen, kannst dich nicht zeigen. Nur weil du dich heldenhaft geprügelt hast, bekommst du im nächsten Jahr keinen Vertrag“, sagt der Profi, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Die Gefahr bestehe, nur auf die Rolle des Boxers reduziert zu werden. Auch die Unparteiischen hätten einen dann schärfer im Blick.
Trotzdem: Auch für den einst giftigen Stürmer Polaczek gehören die Fights „seit Menschengedenken zum Eishockey dazu“.