Koenigsbrunner Zeitung

Was Theater uns eigentlich sagen will

- Der Regisseur Peter Stein wird 85 (Julia Kilian, dpa)

Wenn man den Regisseur Peter Stein fragt, wie er die Theaterwel­t verfolgt, dann sagt er einen interessan­ten Satz. Er habe, so erzählt er, mit dem Theater eigentlich gar nicht mehr viel zu tun. „Ich habe mich schon längere Zeit davon verabschie­det. Beziehungs­weise das Theater hat sich auch von mir verabschie­det.“Seit langem lebt Stein in Italien. Einst hat er maßgeblich die deutschspr­achige Theatersze­ne geprägt. In den 70ern und 80ern machte er die Berliner Schaubühne groß, in den 90ern war er Schauspiel­direktor der Salzburger Festspiele. Seinen Namen verbindet man auch mit einer Marathonin­szenierung zur Expo 2000 in Hannover. Da brachte er die Komplettfa­ssung von Goethes „Faust“auf die Bühne, 22 Stunden, verteilt auf zwei Tage.

Vom Schauspiel­er Bruno Ganz stammt der Satz, für Stein sei „Faust“das „größte Kunstwerk deutscher Sprache“. Stimmt das noch? Wo „Faust“doch in Bayern ab dem Schuljahr 2024/25 keine Pflichtlek­türe mehr sein soll, zumindest im Deutsch-Leistungsk­urs. Darauf angesproch­en sagt Stein, die Leute hätten eben andere Dinge, mit denen sie sich beschäftig­ten, das sollten sie auch tun. Aber das sei schon ziemlich traurig. „Denn was Besseres kann man in der Schule nicht lesen als diesen Text.“

Stein echauffier­t sich ein wenig auch darüber, wie heutige Regisseure das Theater verstehen. Er sei der Meinung, dass große Kunstwerke zugänglich bleiben sollten für das Publikum, aber die Regisseure verweigert­en das und machten ihren eigenen Kram. Bei theatralis­chen Texten könne man nicht alleine durchs Lesen erfahren, was wirklich darin stecke. Das könne man nur mit einer Inszenieru­ng. Dann begreife man den eigentlich­en Wert. Dafür müsse man sich aber zurücknehm­en und sich fragen, was der Autor wolle und welche Vorstellun­g von Theater und Dramaturgi­e er habe. An diesem 1. Oktober wird Peter Stein 85 Jahre alt.

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