Was Theater uns eigentlich sagen will
Wenn man den Regisseur Peter Stein fragt, wie er die Theaterwelt verfolgt, dann sagt er einen interessanten Satz. Er habe, so erzählt er, mit dem Theater eigentlich gar nicht mehr viel zu tun. „Ich habe mich schon längere Zeit davon verabschiedet. Beziehungsweise das Theater hat sich auch von mir verabschiedet.“Seit langem lebt Stein in Italien. Einst hat er maßgeblich die deutschsprachige Theaterszene geprägt. In den 70ern und 80ern machte er die Berliner Schaubühne groß, in den 90ern war er Schauspieldirektor der Salzburger Festspiele. Seinen Namen verbindet man auch mit einer Marathoninszenierung zur Expo 2000 in Hannover. Da brachte er die Komplettfassung von Goethes „Faust“auf die Bühne, 22 Stunden, verteilt auf zwei Tage.
Vom Schauspieler Bruno Ganz stammt der Satz, für Stein sei „Faust“das „größte Kunstwerk deutscher Sprache“. Stimmt das noch? Wo „Faust“doch in Bayern ab dem Schuljahr 2024/25 keine Pflichtlektüre mehr sein soll, zumindest im Deutsch-Leistungskurs. Darauf angesprochen sagt Stein, die Leute hätten eben andere Dinge, mit denen sie sich beschäftigten, das sollten sie auch tun. Aber das sei schon ziemlich traurig. „Denn was Besseres kann man in der Schule nicht lesen als diesen Text.“
Stein echauffiert sich ein wenig auch darüber, wie heutige Regisseure das Theater verstehen. Er sei der Meinung, dass große Kunstwerke zugänglich bleiben sollten für das Publikum, aber die Regisseure verweigerten das und machten ihren eigenen Kram. Bei theatralischen Texten könne man nicht alleine durchs Lesen erfahren, was wirklich darin stecke. Das könne man nur mit einer Inszenierung. Dann begreife man den eigentlichen Wert. Dafür müsse man sich aber zurücknehmen und sich fragen, was der Autor wolle und welche Vorstellung von Theater und Dramaturgie er habe. An diesem 1. Oktober wird Peter Stein 85 Jahre alt.