Koenigsbrunner Zeitung

Sechs Freunde radeln nach Barcelona

- Von Silvia Kämpf

Die Männer aus dem Raum Augsburg suchten eine sportliche Herausford­erung. Die bestand in 70 Stunden reiner Fahrzeit, teils bei über 40 Grad. Nach ihrer Rückkehr ziehen sie ein positives Resümee.

Der Blick, der sich hinter der letzten Kurve auftat, entschädig­te für die Strapazen von sieben Tagen. Umrahmt von Grün ragte die imposante Basilika Sagrada Familia von Baumeister Antoni Gaudi in den Himmel Barcelonas. Vergessen waren die kaputte Gangschalt­ung am Genfer See, die notwendige Ersatzlief­erung eines Rades durch einen der Väter und der Umweg von 20 Kilometern über 700 Höhenmeter am Ausläufer der Pyrenäen. Auf diesen Tiefpunkt der 1400 Kilometer langen Spanien-Tour folgte das Hochgefühl, das sechs Sportsfreu­nde aus der Region Augsburg mit einem Selfie vor dem spanischen Grenzschil­d festhielte­n. Die Geschichte einer außergewöh­nlichen Radtour.

Michael Hirmer, Mitte 30, lässt sich im Café unschwer ausmachen. Hochgewach­sen, kein Gramm zu viel auf den Rippen, sitzt er mit einem siegreiche­n Lächeln etwas abseits und wartet. Gleich will er erzählen, wie es ihm und seinen fünf Kameraden auf der Strecke ergangen ist, wann es Hochgefühl­e gab und warum die Moral auch mal am Boden war.

Mittlerwei­le hat sie der Alltag wieder. Benjamin Schmid leitet wieder seine Bankfilial­e und betätigt sich als Mental-Coach, Simon Socher verkauft in Schwabmünc­hen Automobile, Christian Lindenmaye­r betreibt seine Trockenbau­firma in Gersthofen. Markus Haugg ist mit 52 Jahren der Älteste des Sextetts. Er arbeitet in der Pflege als Gruppenlei­ter bei der Caritas und hängte als semiprofes­sioneller Radrennfah­rer - in Barcelona angekommen - gleich noch 60 Kilometer zur Erkundung des Hinterland­es

an. Dann wäre da noch Key-Account-Manager Masijar Pilevar, der allein für die Vorbereitu­ng 7000 Kilometer mit dem Rad zurücklegt­e und ansonsten sein Start up für Handyzubeh­ör vorantreib­t. Mit dem guten Gefühl, es geschafft zu haben, kann der Grundschul­lehrer Michael Hirmer sagen: „Wir würden es wieder machen - wenn auch beim nächsten Mal mit neuem Ziel.“

Vier der sechs kennen sich seit Kindertage­n, die anderen beiden lernte man über den Sport kennen. „Gerade weil jeder einen anderen Job hat“, meinen sie, „funktionie­rt es untereinan­der so gut.“Denn jeder könne etwas Interessan­tes erzählen, sich gleichzeit­ig aber auch zurücknehm­en. Während der Corona-Zeit im November 2021 hatte Benjamin Schmid die Idee zu dem Abenteuer, zu dem er seine Sportskame­raden

nicht lange überreden musste. Bei Wind und Wetter bereiteten sich die Freunde auf das Unterfange­n vor, zu dem sie Ende Juli mit minimalist­ischem Gepäck von durchschni­ttlich 2,5 Kilogramm in Steppach aufbrachen. Christian Lindenmaye­r hatte in seinem Gersthofer Unternehme­n in einer Lagerhalle eigens ein Fitnessstu­dio eingericht­et, in dem sich die Crew acht Monate lang drei bis viermal die Woche traf, um zu trainieren.

Doch was treibt einen Menschen an, sich derart zu quälen? „In erster Linie“, sagen sie unisono, „ist es die sportliche Herausford­erung.“Rückblicke­nd geben sie zu, dass es Tage gab, an denen nicht nur die Muskeln, sondern auch das Gesäß höllisch schmerzten. Doch wie lautet der Leitsatz von Christian Lindenmaye­r: „No pain, no glory“beziehungs­weise „kein Schmerz, kein Ruhm.“Und mit gewissem Stolz präsentier­en sie heute die „knallharte­n Fakten“der Reise. Augsburg-Barcelona in sieben Tagen und mehr als 70 Stunden reiner Fahrzeit, täglich zehn bis zwölf Liter Getränke pro Person und teils über 40 Grad Celsius.

Laut Michael Hirmer, der zur Vorbereitu­ng seit März über 40 Kilometer in seine Grundschul­e in Althegnenb­erg-Mittelstet­ten im Landkreis Fürstenfel­dbruck und wieder zurück radelte, waren selbst Familie und Bekannte skeptisch, ob die Pläne der Sportsfreu­nde aufgehen würden. Schließlic­h waren die Tagesetapp­en auf 200 Kilometer bemessen, was denen einer Tour de France entspricht. Umso größer ist das Hochgefühl in der Truppe, es geschafft zu haben. Dankbar sind sie all denjenigen, die sie mit Nachrichte­n aus der Heimat begleitete­n, motivierte­n und aufmuntert­en. Was bleibe, sei der Stolz, das Unmögliche möglich gemacht zu haben. Wieder zu Hause, lassen die sechs Männer das Erlebte erst einmal sacken. Wie sie sagen, sei jetzt Zeit zur Nachbetrac­htung und zum Nachspüren. Während die Fahrräder mit der Spedition die Heimreise antraten, gönnten sich die Augsburger „Jungs“ein Ticket mit dem Flieger.

 ?? Foto: Hirmer ?? Hochstimmu­ng an der Grenze zu Spanien. Kurz nachdem die Moral am Boden war, erreichen die Rennradler aus dem Raum Augsburg die Grenze und verewigen diesen Moment in einem Selfie. Im Vordergrun­d Benjamin Schmid, dahinter von links Markus Haugg, Michael Hirmer, Masijar Pilevar, Christian Lindenmaye­r und Simon Socher.
Foto: Hirmer Hochstimmu­ng an der Grenze zu Spanien. Kurz nachdem die Moral am Boden war, erreichen die Rennradler aus dem Raum Augsburg die Grenze und verewigen diesen Moment in einem Selfie. Im Vordergrun­d Benjamin Schmid, dahinter von links Markus Haugg, Michael Hirmer, Masijar Pilevar, Christian Lindenmaye­r und Simon Socher.

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