Pilzsammler landen auf der Intensivstation
Ein Ehepaar hatte giftige Knollenblätterpilze mit Champignons verwechselt. Ein Experte aus Augsburg gibt Tipps.
Nach dem Pilzesammeln hat ein Ehepaar aus dem Landkreis Aichach-Friedberg seinen Fund zum Abendessen verzehrt. Seit wenigen Tagen liegen die 40-Jährige und ihr zehn Jahre älterer Mann in Münchner Kliniken auf Intensivstationen. Sie hatten giftige Knollenblätterpilze mit Champignons verwechselt und schwere Vergiftungen erlitten. Der 15-jährige Sohn hatte von dem Pilzgericht zum Glück nicht gegessen. Ein Mediziner schließt nicht aus, dass beide Patienten eine Lebertransplantation benötigen. Eine Pilzberaterin aus dem Landkreis sagte in einem Interview, dass die im Wittelsbacher Land sonst selten vorkommenden Knollenblätterpilze in diesem Jahr vermehrt sprießen. Wie sieht die Lage in Augsburgs Wäldern aus?
Johann Dichtl ist einer der fünf Pilzberater in Augsburg. Trotz der vergangenen trockenen Monate spricht er von einer bislang überraschend guten Pilzsaison. Dass in und um Augsburg aber auch vermehrt der hochgiftige weiße und grüne Knollenblätterpilz wachse, das sei ihm aktuell nicht bekannt. „Normalerweise ist es selbst bei einer gezielten Suche schwer, diesen Pilz zu finden“, berichtet er von seinen Erfahrungen. „Bei Fortbildungen oder Ausstellungen müssen wir immer auf Plastikmodelle zurückgreifen.“Doch im Wittelsbacher Land scheint es in diesem Jahr ungewöhnlich viele grüne Knollenblätterpilze zu geben.
Sie habe sich schon gedacht, „hoffentlich sammelt die keiner ein und isst sie dann“, hatte Pilzberaterin Sabine Mengel aus Obergriesbach gegenüber unserer Redaktion gesagt. In den vergangenen 20 Jahren habe sie im Landkreis Aichach-Friedberg nur eine Stelle entdeckt, an der die Giftpilze wachsen. In diesem Herbst seien es
bereits sechs Stellen. Der Knollenblätterpilz sieht dem Champignon zum Verwechseln ähnlich. Besonders tückisch ist, dass er nicht unangenehm schmeckt und Betroffene zunächst keine Symptome verspüren. Dabei wird es für sie lebensgefährlich.
Erst mehrere Stunden nach dem Verzehr kommt es zu Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall oder Erbrechen. Danach geht es Betroffenen häufig besser. Ein gefährlicher Trugschluss. Denn die Leber beginnt, sich zu zersetzen. Zudem greift das Gift die Nieren an. Dann kann die Pilzvergiftung zum Tod führen. Das Ehepaar hatte wohl zunächst versucht, die Symptome mit Salbeitee zu lindern. Aufgrund starker Übelkeit und Erbrechen kamen beide dann ins Aichacher Krankenhaus, von dort wurden sie nach München verlegt. Die Organe seien laut dem ärztlichen Direktor der Kliniken an der Paar, Christian Stoll, bereits geschädigt gewesen.
Dem Augsburger Pilzberater Johann Dichtl ist ein ähnlicher Fall aus Augsburg – auch aus den vergangenen Jahren – nicht bekannt. „Zum Glück passiert so etwas Tragisches nur selten“, meint der 37-Jährige und appelliert an Pilzsammler, bei Fragen die derzeitige Pilzberatung auf dem Stadtmarkt aufzusuchen. Diese werde gut angenommen. Montags geben Experten in der Viktualienhalle zwischen 16 und 17.30 Uhr Auskunft und Tipps. „Das Angebot ist kostenlos, aber nicht umsonst“, betont Dichtl. Auch wenn er selbst sich an keinen Vergiftungsfall in Augsburg erinnern kann, weiß er um besondere Risikogruppen.
Menschen aus anderen Ländern unterlägen, wie die Vergangenheit zeigte, immer wieder riskanten Verwechslungen. „Als Gastarbeiter aus Italien nach Deutschland kamen, verwechselten einige den Fliegenpilz mit dem Kaiserling, der in Italien wächst. Er sieht ähnlich aus, hat aber einen gelben statt einem weißen Stil.“Auch hätten im Jahr 2015, als viele Flüchtlinge nach Deutschland kamen, einige von ihnen den Knollenblätterpilz gepflückt und gegessen. Die Deutsche Gesellschaft für Mykologie habe in verschiedenen Sprachen deutschlandweit Warnplakate verteilt. (mit lavoe)