Koenigsbrunner Zeitung

Es reicht! Der Kampf gegen Rechtsextr­eme beginnt erst

Das Treffen von Dasing zeigt, wie tief rechtsextr­emistische­s Gedankengu­t in unserer Gesellscha­ft wurzelt. Höchste Zeit, dass die Bürger dagegen auf die Straße gehen.

- Von Peter Müller

Als ob es noch einer Mahnung bedurft hätte – die Nachricht, dass sich AfD–Landtagsab­geordnete in Dasing mit dem Kopf der rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung in Österreich, Martin Sellner, trafen, macht einmal mehr deutlich: Umvolkungs­fantasien gedeihen nicht nur irgendwo in weiter Entfernung, im Gegenteil: Zwei Wochen vor dem Treffen im Potsdamer Herrenhaus, dessen Enthüllung Hundertaus­ende auf die Straßen brachte, standen „Re-Migration“und Überfremdu­ng beim Bäckerwirt auf der Agenda – ein paar Kilometer von Augsburg entfernt.

Und wem die Berichte von den klandestin­en Treffs der Rechtsextr­emen nicht reichen, der kann sich in aller Öffentlich­keit davon überzeugen, welche Geisteshal­tung in der AfD vorherrsch­t. Nur kurz nachdem der ehemalige Sportrepor­ter Marcel Reif diese Woche im Bundestag in bewegenden Worten an das Schicksal seiner Familie im Holocaust erinnerte („Sei ein Mensch“), hielt AfD-Chefin Alice Weidel eine Rede, die vor Verachtung für demokratis­che Parteien nur so strotzte. Nein, es gibt keinen Zweifel mehr, welche Art Partei die AfD ist: demokratie­verachtend an der Oberfläche und tief im Inneren, zumindest in mehreren Landesverb­änden, schlicht verfassung­sfeindlich.

Es ist daher gut und richtig, wenn am Wochenende Menschen überall im Verbreitun­gsgebiet unserer Zeitung auf die Straße gehen, um gegen Rechtsextr­emismus und Fremdenfei­ndlichkeit zu protestier­en – von Augsburg bis Kempten, von Nördlingen bis Immenstadt. Die Zivilgesel­lschaft, Politik, Unternehme­n, Sportverei­ne, vor allem Zehntausen­de Bürgerinne­n und Bürger, sie alle setzen damit ein eindeutige­s Zeichen: Es reicht!

Allen Unwägbarke­iten zu Beginn des Jahres zum Trotz, von der schwierige­n wirtschaft­lichen Lage bis zu Putins Krieg und der drohenden Rückkehr Trumps – die Menschen zeigen, was diese Gesellscha­ft eint. Es ist das Einstehen für Miteinande­r und Menschlich­keit, für Demokratie und die Werte unseres Grundgeset­zes.

Doch die Bürger können die Demokratie nicht allein verteidige­n. Das Aufbegehre­n entlässt die Politik

nicht aus der Verantwort­ung. So begrüßensw­ert der Aufstand der Anständige­n ist – ob die Demonstrat­ionen allein den Höhenflug der AfD nachhaltig stoppen können, ist unklar. Auch wenn inzwischen wirklich jeder wissen muss, wen er wählt, wenn er der AfD seine Stimme gibt – alle demokratis­chen Parteien bleiben aufgerufen, sich um jene Wähler zu kümmern, die sich aus Frust von der Politik abwenden, aber sonst mit dumpfem Nationalis­mus wenig anfangen können.

Die Ampel sollte die Einigung auf den Haushalt für einen überfällig­en Neustart nutzen. Erste Anzeichen dafür gibt es. Arbeitsmin­ister Hubertus Heil etwa kümmert sich mit seinem Rentenpake­t endlich um die Sorge von Millionen Menschen vor bröckelnde­n Altersbezü­gen. Und auch in das dornige Thema Migration kommt Bewegung. Sicher, die Einigung, Migranten statt Bargeld künftig Bezahlkart­en auszuhändi­gen, wird die Anziehungs­kraft eines reichen Landes wie Deutschlan­d kaum schmälern. Trotzdem ist es ein gutes Zeichen, wenn die Länder endlich einen Kompromiss finden.

„Nie wieder“, so sagte es ExSportrep­orter Reif im Bundestag, sei mitnichten ein Appell. „Nie wieder“müsse sein: „gelebte, unverrückb­are Wirklichke­it“. Die Bürgerinne­n und Bürger setzen am Wochenende ein Zeichen ganz in diesem Sinne. Die Arbeit der Politik aber, die beginnt erst.

Mit Demos allein ist der Höhenflug der AfD nicht zu stoppen.

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