Es reicht! Der Kampf gegen Rechtsextreme beginnt erst
Das Treffen von Dasing zeigt, wie tief rechtsextremistisches Gedankengut in unserer Gesellschaft wurzelt. Höchste Zeit, dass die Bürger dagegen auf die Straße gehen.
Als ob es noch einer Mahnung bedurft hätte – die Nachricht, dass sich AfD–Landtagsabgeordnete in Dasing mit dem Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, trafen, macht einmal mehr deutlich: Umvolkungsfantasien gedeihen nicht nur irgendwo in weiter Entfernung, im Gegenteil: Zwei Wochen vor dem Treffen im Potsdamer Herrenhaus, dessen Enthüllung Hundertausende auf die Straßen brachte, standen „Re-Migration“und Überfremdung beim Bäckerwirt auf der Agenda – ein paar Kilometer von Augsburg entfernt.
Und wem die Berichte von den klandestinen Treffs der Rechtsextremen nicht reichen, der kann sich in aller Öffentlichkeit davon überzeugen, welche Geisteshaltung in der AfD vorherrscht. Nur kurz nachdem der ehemalige Sportreporter Marcel Reif diese Woche im Bundestag in bewegenden Worten an das Schicksal seiner Familie im Holocaust erinnerte („Sei ein Mensch“), hielt AfD-Chefin Alice Weidel eine Rede, die vor Verachtung für demokratische Parteien nur so strotzte. Nein, es gibt keinen Zweifel mehr, welche Art Partei die AfD ist: demokratieverachtend an der Oberfläche und tief im Inneren, zumindest in mehreren Landesverbänden, schlicht verfassungsfeindlich.
Es ist daher gut und richtig, wenn am Wochenende Menschen überall im Verbreitungsgebiet unserer Zeitung auf die Straße gehen, um gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit zu protestieren – von Augsburg bis Kempten, von Nördlingen bis Immenstadt. Die Zivilgesellschaft, Politik, Unternehmen, Sportvereine, vor allem Zehntausende Bürgerinnen und Bürger, sie alle setzen damit ein eindeutiges Zeichen: Es reicht!
Allen Unwägbarkeiten zu Beginn des Jahres zum Trotz, von der schwierigen wirtschaftlichen Lage bis zu Putins Krieg und der drohenden Rückkehr Trumps – die Menschen zeigen, was diese Gesellschaft eint. Es ist das Einstehen für Miteinander und Menschlichkeit, für Demokratie und die Werte unseres Grundgesetzes.
Doch die Bürger können die Demokratie nicht allein verteidigen. Das Aufbegehren entlässt die Politik
nicht aus der Verantwortung. So begrüßenswert der Aufstand der Anständigen ist – ob die Demonstrationen allein den Höhenflug der AfD nachhaltig stoppen können, ist unklar. Auch wenn inzwischen wirklich jeder wissen muss, wen er wählt, wenn er der AfD seine Stimme gibt – alle demokratischen Parteien bleiben aufgerufen, sich um jene Wähler zu kümmern, die sich aus Frust von der Politik abwenden, aber sonst mit dumpfem Nationalismus wenig anfangen können.
Die Ampel sollte die Einigung auf den Haushalt für einen überfälligen Neustart nutzen. Erste Anzeichen dafür gibt es. Arbeitsminister Hubertus Heil etwa kümmert sich mit seinem Rentenpaket endlich um die Sorge von Millionen Menschen vor bröckelnden Altersbezügen. Und auch in das dornige Thema Migration kommt Bewegung. Sicher, die Einigung, Migranten statt Bargeld künftig Bezahlkarten auszuhändigen, wird die Anziehungskraft eines reichen Landes wie Deutschland kaum schmälern. Trotzdem ist es ein gutes Zeichen, wenn die Länder endlich einen Kompromiss finden.
„Nie wieder“, so sagte es ExSportreporter Reif im Bundestag, sei mitnichten ein Appell. „Nie wieder“müsse sein: „gelebte, unverrückbare Wirklichkeit“. Die Bürgerinnen und Bürger setzen am Wochenende ein Zeichen ganz in diesem Sinne. Die Arbeit der Politik aber, die beginnt erst.
Mit Demos allein ist der Höhenflug der AfD nicht zu stoppen.