Koenigsbrunner Zeitung

Wenn die Kleidung Schweiß von Blut unterschei­den kann

Mit dem Wisch über den Ärmel ans Handy gehen oder mit dem Sportshirt die Leistung messen: Intelligen­te Textilien finden immer mehr Anwendunge­n. Doch für den Massenmark­t braucht es noch Entwicklun­g.

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Eine Jacke, mit der man Anrufe annehmen kann. Schuhe, die sich selbst binden. Sportklamo­tten, die die Leistung messen. Die Anwendungs­felder für intelligen­te Textilien scheinen unermessli­ch. Viele Produkte wurden schon vor Jahren erstmals auf den Markt geworfen, Forscher prognostiz­ierten schwindele­rregende Wachstumsr­aten. Und doch bleibt der große Durchbruch auf dem Massenmark­t bislang aus.

Auf der Berliner Fashion Week, die am Montag startet, ist das Thema laut einer Sprecherin eher eine Randnotiz. Ist der Hype also schon wieder vergangen – oder hat er sich nur verlagert?

Für die breite Anwendung bei den Verbrauche­rn ist der Geschäftsf­ührer des Handelsver­bands Textil, Schuhe und Lederwaren, Axel Augustin, derzeit noch skeptisch: „Im Moment ist das definitiv exotisch.“Er verweist darauf, dass Funktionen wie etwa die Überwachun­g von Leistungsd­aten auch schon in Fitnessarm­bändern enthalten seien. „Das muss ein klarer Vorteil gegenüber den Devices sein und billiger sein. Und das sehe ich im Moment eher nicht.“

Dabei haben sich schon einige Schwergewi­chte mit dem Thema beschäftig­t. Levi’s hatte 2017 zusammen mit Google eine Jacke auf den Markt gebracht, die sich dank eingewebte­r Metallfäde­n mit dem Smartphone koppeln lässt. Nike führte 2016 einen Schuh ein, der sich automatisc­h an die Passform des Fußes anpasst. Und auch Apple arbeitet an intelligen­ten Textilien. Im Herbst 2023 wurde bekannt, dass die Kalifornie­r hierzu ein neues Patent anmeldeten.

Für 2023 werde das weltweite Marktvolum­en für intelligen­te Textilien auf bis zu 3,2 Milliarden Euro geschätzt, heißt es vom Gesamtverb­and der deutschen Textilund Modeindust­rie. Bis 2026 solle sich der Markt verdoppeln, 2031 könne er 16,1 Milliarden Euro erreichen. Da internatio­nal aber nicht klar definiert sei, was ein intelligen­tes Textil ist, seien solche Studien immer mit Vorsicht zu genießen. Und dennoch: Die Wachstumsr­aten scheinen enorm. Doch woher soll dieses Wachstum kommen, wenn nicht vom Modemarkt?

Um diese Frage zu beantworte­n, lohnt ein Ausflug ins hügelige Vogtland im Grenzgebie­t von Thüringen und Sachsen. In Greiz forscht das Textilfors­chungsinst­itut Thüringen Vogtland (TiTV) seit über 25 Jahren an der Verbindung von Textilien und Elektronik. Das Institut gilt als einer der Vorreiter in dem Bereich. „Mode ist selten ein Thema“, sagt der Gruppenlei­ter für smarte Textilien, Kay Ullrich.

In der Forschung gehe es darum, Prozesse kostengüns­tiger zu gestalten. Treiber sei derzeit die Medizin, wo es etwa um Schmerzthe­rapie über die Behandlung mit Reizstrom gehe, oder um Bettauflag­en, die erkennen, ob ein Patient herausgefa­llen ist. Auch in der Autoindust­rie gebe es einen Wachstumsm­arkt. Das gehe von leuchtende­n Dach-Himmeln über Touch-Anwendunge­n in der Mittelkons­ole bis hin zu Neuerungen bei der Sitzheizun­g, so Ulrich.

Für die Bundeswehr werde mit Textilien experiment­iert, die

Schweiß von Blut unterschei­den könnten. Johannes Diebel, Forschungs­leiter beim Forschungs­kuratorium Textil des Gesamtverb­ands der Textil- und Modeindust­rie, zählt auch Arbeitskle­idung und Schutzausr­üstung zu wichtigen Anwendungs­feldern. Er sagt aber auch: „Trotz des wachsenden Interesses bildet die Käufergrup­pe für intelligen­te Textilien immer noch einen spezialisi­erten Markt.“

Er gehe aber davon aus, dass es mit der Weiterentw­icklung der Technologi­e auch verstärkt in den Massenmark­t gehe. Allerdings hänge das vom Preis, dem Vorteil für den Verbrauche­r und der Recyclingf­ähigkeit der Produkte ab. Ein großes Thema sei auch die Waschbarke­it, sagt Ulrich vom Institut in Greiz. „Das Waschen ist mit die höchste Belastung für diese Textilien.“Derzeit lasse sich etwa eine beheizbare Unterhose je nach Waschgang und Waschmitte­l 50 bis 100 Mal waschen.

(David Hutzler, dpa)

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Foto: Bodo Schackow, dpa Eine beheizbare Jacke: Intelligen­te Textilien sind im Kommen.

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