Dinkelscherber zeigt Spielfilm auf Berlinale
„Shahid“hat Weltpremiere auf dem größten deutschen Filmfestival, das am 15. Februar startet. Was der Beruf von Produzent Michael Kalb mit Glücksspiel zu tun hat und welchen Film er eigentlich gar nicht drehen wollte.
Michael Kalb, vom jungen Studenten aus Dinkelscherben, der an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) in München studiert hat, sind Sie zum Filmproduzenten geworden, dessen Werk auf der Berlinale Weltpremiere feiert – das klingt nach Glamour, Hollywood und Jetset. Oder täuscht da etwas?
Michael Kalb: Dinkelscherben, München, Hollywood klingt nach einer guten Reihenfolge. Die Projekte, die ich als Ein-Mann-Produktion stemme, sind meist Dokumentarfilme oder, wie im Falle vom „Shahid“, der im Februar auf der Berlinale gezeigt wird, ganz besondere künstlerische Spielfilme. Solche Werke laufen dann, leider, eher zur späten Stunde im Fernsehprogramm, auf Filmfestivals und in kleineren Programmkinos, statt in den mächtigen Multiplexen. Das „Jetset-Leben“gefällt mir sehr, wenn man darunter versteht, Filme zu drehen und Veranstaltungen quer durch Deutschland und Europa besuchen zu dürfen. Das macht mir schon Riesenfreude, und man lernt sehr viel dazu.
Bleibt noch die Frage nach dem Glamour ...
Kalb: Das mit dem Glamour ist tatsächlich so eine Sache in der Filmbranche. Manchen streichelt es das Ego. Ich dagegen war froh, dass ich als Garderobe zum letzten bayerischen Filmpreis noch etwas Anzugtaugliches im Schrank hatte. Nach der Veranstaltung habe ich dann mit einer Schauspielerin gemeinsam ein Taxi genommen, weil wir in dieselbe Richtung mussten. Ich wusste aber nicht, dass sie in der Komödie „Fack ju Göthe“eine der Hauptrollen gespielt hatte, und habe sie nicht erkannt. Man merkte, dass sie das geärgert hat.
Zurück zu Ihren Anfängen: Beschließt man einfach, Produzent zu werden? War genau das immer schon Ihr Wunsch?
Kalb: Eigentlich wollte ich mit fünf Jahren Schauspieler werden. Harrison Ford als Indiana Jones war mein großes Vorbild. Aber als meine Kumpels und ich dann als Jugendliche die ersten Kurzfilme gedreht haben, fand ich alles hinter der Kamera und die ganze Organisation, die dazugehört, viel spannender. Die ersten eigenen und langen Filme waren „Der letzte Streich“, „Die letzten Zeitzeugen“und „Schäfflerfieber“; Regie zu führen und eigene Ideen umzusetzen, das reizt mich auch noch immer.
Gemeinhin scheint es so, als sei der Part der Filmproduktion für besonders Reiche reserviert, die das Geld aus der eigenen Tasche ziehen können. Ist das so?
Kalb: In Deutschland finanzieren sich fast alle Filme durch das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem und Filmförderungen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man als Filmproduzent nur selten reich wird – und schon gar nicht mit Dokumentarfilmen. Man steckt immer viel mehr Zeit und unbezahlte Arbeit rein. Ich habe allerdings die komfortable Situation, an der HFF München angestellt zu sein, was den Druck, unbedingt Filme produzieren zu müssen, nimmt. Das kommt der Qualität der Projekte aber zugute.
Im Moment haben Sie fünf fertige Projekte im Portfolio. Eines feiert Mitte Februar auf der Berlinale Weltpremiere, ein anderes vor wenigen Tagen auf dem MaxOphüls-Filmfest in Saarbrücken, das war der Dokumentarfilm „Wie im Himmel so auf Erden“. Die anderen stecken noch in einer Warteschleife. Wie kommt man denn zu den richtigen Kontakten?
Kalb: Das Studium an der HFF München ist schon ein erster Türöffner. Die Münchner Filmbranche, von der viele auch dort studiert haben, ist wie ein Dorf und damit wieder mit Dinkelscherben vergleichbar. Man kennt sich, und wenn man gute Arbeit macht und angenehm im Umgang ist, spricht sich das schnell herum, und es gibt immer jemanden, der jemanden kennt, der jemanden kennt.
Wie entscheiden Sie, welchen Film Sie produzieren?
Kalb: Es landen nun regelmäßig Spielfilm-Drehbücher und Treatments für Dokumentarfilme „auf meinem Tisch“. Wenn mich eine Idee anspricht und auch das Zwischenmenschliche stimmt, versuche ich, das Projekt zu finanzieren und die richtigen Redakteure im Fernsehen zu begeistern. Ob das immer klappt, ist bei jedem Projekt unterschiedlich und gefühlt ein Glücksspiel.
Welche Themen liegen Ihnen persönlich am Herzen?
Kalb: Früher habe ich immer gesagt: Alles außer Fußball – wobei ich letztes Jahr sogar auch an einem Projekt über den ehemaligen Fußballspieler Ewald Lienen (WDR und Magenta TV) beteiligt war. Erfreulicherweise interessiere ich mich für fast alles und bin da wirklich offen. Viele meiner Projekte haben immer wieder mit „Heimat“und „Identität“zu tun. Ein guter Film hat mehrere Themen, an denen er sich abarbeitet.
Und wann ist ein Film gut?
Kalb: Ich probiere das gerne mit meiner Freundin oder Kumpels aus. Wenn die bei einer Vorpremiere zu Hause viel auf dem Smartphone tippen oder gar einschlafen, weiß ich, dieses Projekt ist noch nicht so weit.
Und welches Projekt kommt als nächstes?
Kalb: Gerade habe ich ein Projekt, das in München, auf den Philippinen und in Agawang spielt, bei zwei Filmförderungen eingereicht. Außerdem muss ich noch das Drehbuch für einen Kurzfilm lesen, der auf einem Schiff in der Antarktis spielt, sowie für einen Spielfilm, angesiedelt an der finnisch-russischen Grenze. Aber das größte „Projekt“ist privat: Ich werde im Frühjahr Vater. Danach ist es, glaube ich, auch ganz gut, erst mal keine weiteren, konkreten Pläne zu haben.